Windkraft-Auktionen

  • Search10.11.2025

Rezepte gegen Offshore-Wind-Flaute

Nach dem Auktionsflop vom Sommer wollen Verbände und Netzbetreiber die Windkraft auf See mit Reformen neu beflügeln. Doch auch um schon sicher geglaubte Projekte muss sich der Gesetzgeber kümmern.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    Französischer Offshore-Windpark: Mehrere Verbände fordern eine Reform des Auktionsdesigns und die Einführung von CfD.

    In mehreren Ländern sind Offshore-Wind-Auktionen zuletzt gescheitert. Dieser Park entsteht derzeit vor der Westküste Frankreichs.

     

    Von Volker Kühn

    Als 2017 sogenannte Null-Cent-Gebote in der Offshore-Windenergie eingingen, war der Jubel in der Politik groß. Immerhin verzichteten damit erstmals Bieter in einer Ausschreibung von Windparkflächen auf eine garantierte Vergütung für ihren Strom – sie waren bereit, ihn für null Cent staatliche Förderung zu liefern.

    In den folgenden Jahren wurden Null-Cent-Gebote zum Standard. Mehr noch: Windparkbetreiber in spe boten sogar Milliardensummen für das Recht, in deutschen Gewässern bauen zu dürfen.

    Heute hat die Null einen anderen Klang. Sie steht nicht länger für null Cent – sondern für null Gebote: Als die Bundesnetzagentur im August zwei Flächen in der Nordsee versteigern wollte, fand sich nicht ein einziger Bieter. Und damit steht Deutschland nicht allein. Auch in Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Estland floppten in diesem Jahr Auktionen komplett oder in Teilen.

    Offshore-Wind-Auktionen in Europa 2025: Die Karte zeigt, wo die Ausschreibungen ganz oder teilweise gefloppt sind. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Wo sich Investoren noch vor wenigen Jahren Bieterschlachten lieferten, nehmen sie heute Reißaus. Hinter dieser Entwicklung steht ein ganzes Bündel von Ursachen:

    • Teures Auktionsdesign: In Deutschland zielen Ausschreibungen primär auf maximale Staatseinnahmen ab. Den Zuschlag erhält, wer am meisten zahlt – ein Mechanismus, der die Kosten hochtreibt und letztlich den Strom verteuert, über den sich Betreiber refinanzieren müssen.
    • Gestiegene Baukosten: Material und Logistik haben sich in den vergangenen Jahren drastisch verteuert.
    • Überlastete Lieferketten: Engpässe bei Fundamenten, Türmen und Turbinen, aber auch bei den nötigen Spezialschiffen und in den Häfen verzögern Projekte, treiben die Kosten und drücken die Rendite.
    • Schwierige Vermarktung: Die Nachfrage nach Direktlieferverträgen zwischen Erzeugern und Unternehmen (Power Purchase Agreements, PPAs) ist eingebrochen. Das liegt auch an der Debatte um einen möglichen Industriestrompreis: Sie macht den Abschluss langfristiger Lieferverträge für Kunden riskant.
    • Regulatorische Unsicherheiten: Solang Deutschland über seine Ökostromziele streitet, fehlt der Branche das Signal, dass sich Investitionen in Offshore-Wind auszahlen.
    • Stockende Elektrifizierung: Der Markt für E-Autos und Wärmepumpen wächst langsamer als erwartet; auch die Dekarbonisierung der Industrie über grünen Wasserstoff kommt nicht in Fahrt. Bleibt die Stromnachfrage zu gering, fallen die Preise und Investoren verlieren die Basis für ihre Kalkulation.
    • Unattraktive Flächen: In der deutschen Nordsee sind Offshore-Windräder mit so geringem Abstand zueinander vorgesehen wie nirgendwo sonst in der Welt. Das führt dazu, dass sich die Windräder gegenseitig verschatten und die Betreiber entsprechend weniger Strom ernten.
    Windgeschwindigkeiten in der deutschen Nordsee und erwartbare Volllaststunden von Offshore-Windrädern: Je geringer die Abschattungseffekte, desto höher die Stromproduktion. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Vor diesem Hintergrund haben drei Branchenverbände und drei Übertragungsnetzbetreiber in dieser Woche eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Der Bundesverband Windenergie Offshore (BWO), der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Herstellerverband VDMA Power Systems und die Netzbetreiber Tennet, Amprion und 50Hertz rufen darin zu Reformen auf.

    Konkret machen sie fünf Vorschläge:

    • Investitionen absichern: Die Einführung sogenannter zweiseitiger Contracts for Difference (CfDs) soll die finanziellen Risiken für den Staat und die Windparkbetreiber abfedern. Im CfD-Modell erhalten die Betreiber einen garantierten Mindestpreis für ihren Strom. Liegt der Marktpreis an der Börse darunter, zahlt der Staat die Differenz. Steigt er darüber, führen die Betreiber die Mehrerlöse an den Staat ab. Die CfDs sollen über mindestens 20 Jahre laufen und im Verlauf an die Inflation angepasst werden.
    • Auktion verschieben und optimieren: Die nächste Ausschreibung soll erst im vierten Quartal nächsten Jahres erfolgen. Bis dahin soll der Flächenzuschnitt verbessert werden.
    • Risiken senken: Längere Fristen, gestufte Sanktionen und längere Genehmigungen als die bislang vorgesehenen 25 Jahre sollen Planungssicherheit schaffen und den Weiterbetrieb bestehender Anlagen erleichtern.
    • Effizienz steigern: Die Windräder sollen weniger dicht geplant werden, sodass sie mehr Strom liefern und sich die Stromnetze besser nutzen lassen.
    • Dialog ausbauen: Die Verbände und Netzbetreiber schlagen einen neuen Offshore-Dialog vor, der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vernetzt, um Vertrauen zu stärken und den Ausbau transparenter und schneller zu machen.

     

    Anführungszeichen

    Die Einführung eines CfD würde Erlössicherheit bieten und könnte daher neue Investitionsanreize setzen

    Corinna Klessmann, Direktorin bei Guidehouse

    Bei Branchenexperten stoßen die Vorschläge überwiegend auf Zustimmung. „Die Einführung eines CfD würde Erlössicherheit bieten und könnte daher neue Investitionsanreize setzen“, erklärt Corinna Klessmann, Direktorin des Beratungsunternehmens Guidehouse, auf Anfrage von EnergieWinde. Zudem sei es sinnvoll, das Problem der Verschattung zu lösen, die Lieferketten zu stärken und durch Elektrifizierung für ausreichend Stromnachfrage zu sorgen. Die Verschiebung der nächsten Ausschreibungsrunde bringe zwar per se keinen Nutzen, sondern schaffe zusätzliche Unsicherheiten. Allerdings werde die Einführung eines CfD Zeit benötigen.

    Per „Quasi-CfD“ ließe sich der Zeitplan halten. Falls das Parlament zustimmt

    Auch Dominik Hübler von der Energieberatungsagentur Nera Economic Consulting sieht in einer möglichen Verschiebung bestenfalls ein notwendiges Übel. Er macht einen anderen Vorschlag, der zumindest für die kommende Juni-Ausschreibung infrage käme: „Man könnte einmalig durch eine einfache Anhebung des Höchstwerts eine Art ,Quasi-CfD' einführen.“ Der Gesetzgeber müsste es den Auktionsteilnehmern also erlauben, einen Wert pro Kilowattstunde erzeugten Stroms aufzurufen, bei dem sie trotz gestiegener Kosten wieder ein Geschäftsmodell erkennen.

    „Wenn der Bundestag hier eine Zahl einfügt, mit der Bieter im Zweifel auch ohne Wette auf noch höhere Strompreise ein Projekt finanzieren können, dann hätte man für die Juni-Runde auch im aktuellen Gesetz funktionstüchtige Projekte“, erklärt Hübler. Damit bleibe Zeit, parallel CfDs einzuführen.

    Auch sicher geglaubte Projekte könnten platzen – mehr als zehn Gigawatt

    Sorgen bereiten Hübler allerdings nicht allein die kommenden Auktionen, sondern auch die bereits erfolgten. Aus seiner Sicht drohen geplante Windparks mit einer Gesamtkapazität von mehr als zehn Gigawatt zu platzen. Denn für die siegreichen Bieter dieser Auktionen könnte es günstiger sein, Vertragsstrafen in Kauf zu nehmen, als die Parks zu den damals vereinbarten Konditionen zu bauen. „Insofern braucht es neben CfDs auch Überlegungen, wie man optionsbasiertes Bieten verringert und einen Mechanismus, durch den entzogene Zuschläge schnell wieder in die Ausschreibung bekommt“, so Hübler.

    Go Top