Offshore-Wind-Auktion

  • Search10.01.2025

Die Lehren aus dem dänischen Flop

Offshore-Windparks mit drei Gigawatt wollte Dänemark versteigern, doch kein Investor griff zu. Die Gründe für den Flop: die harten Auktionsbedingungen und gestiegene Baukosten. Was das für Offshore-Wind in Deutschland heißt.

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    Offshore-Windpark in der Nordsee: Die jüngste Auktion von Windparkflächen in Dänemark war ein Flopp – es fand sich kein Bieter für die drei Gigawatt.

    Offshore-Windräder in der Nordsee: Nach der gescheiterten Auktion in Dänemark dringt die Branche auf Änderungen an den Ausschreibungsbedingungen auch in Deutschland.

     

    Von Volker Kühn

    Der Wind in der dänischen Nordsee bläst stark und stetig, das Wasser ist stellenweise nur 15 Meter tief und die Entfernung zur Küste gering: Eigentlich hätten die Investoren Schlange stehen sollen, als Dänemark Ende vergangenen Jahres Flächen zum Bau von Windparks mit einer Leistung von mindestens drei Gigawatt ausschrieb. Doch es kam anders. Nicht ein einziger Windparkbetreiber war bereit, ein Gebot abzugeben. Die Auktion war ein Flop auf ganzer Linie.

    Wie konnte das sein? Drei Jahre zuvor musste noch das Los entscheiden, als der dänische Staat die ähnlich attraktive Fläche für den Windpark Thor versteigerte, so groß war das Interesse der Industrie. In Deutschland spülte das Wettbieten der Interessenten 2023 sogar Milliardensummen in die Staatskasse. Auch 2024 brachte eine Auktion hier Hunderte Millionen ein. In Dänemark dagegen bot niemand auch nur einen Euro.

    „An der Qualität der Flächen hat es nicht gelegen“, sagt Dr. Christine Bader, Expertin für Regulierungsfragen bei der Kanzlei Watson Farley & Williams in Hamburg. „Es war offenkundig das Design der Auktionen, das potenzielle Investoren verschreckt hat, unter anderem durch eine staatliche Beteiligung an den Projekten. Hinzu kommt, dass sich die Marktbedingungen insgesamt verschlechtert haben.“

    Tatsächlich waren die Vorgaben der dänischen Auktion aus Sicht der Branche speziell:

    • Die Gewinner hätten keinerlei staatliche Förderung erhalten, weder für den Bau der Parks noch für den erzeugten Strom. Contracts for Differences (CfD) etwa, die einen Mindestpreis für den Strom garantieren und so das finanzielle Risiko der Betreiber minimieren, waren nicht vorgesehen.
    • Zudem sollten die Betreiber 30 Jahre lang eine Konzessionsabgabe an den dänischen Staat zahlen.
    • Die Höhe der Gebote war nicht gedeckelt. Es hätte theoretisch zu einem teuren Wettbieten wie in Deutschland kommen können.
    • Die Betreiber sollten selbst für die teure Anbindung der Windparks ans Stromnetz auf dem Festland sorgen.
    • Überdies sollte der dänische Staat einen Anteil von 20 Prozent an den Windparks erhalten.

    Christine Bader vermutet neben den für Investoren wenig attraktiven Bedingungen aber noch einen anderen Grund für die Zurückhaltung: Die Parks hätten alle 2030 fertig werden sollen, genau wie zahlreiche weitere Offshore-Wind-Projekte in Europa. Neben den gestiegenen Kosten dürfte auch das Risiko von Engpässen in der Lieferkette relevant gewesen sein. „Ob die Zulieferer in der Lage gewesen wären, die nötigen Kapazitäten rechtzeitig bereitzustellen, erschien den Betreibern womöglich nicht sicher“, so die Juristin. Schließlich brauche es dafür nicht nur Fundamente, Türme, Maschinenhäuser und Rotorblätter, sondern auch Hafenflächen, um die Komponenten zwischenzulagern, und Spezialschiffe, um die Windräder zu errichten. Wenn Betreiber hohen Kostendruck durch die Ausschreibungen an die Lieferkette weitergeben müssen, könnten die Zulieferer ihre Kapazitäten bevorzugt für Projekte in anderen Ländern einsetzen. Bei Verzögerungen hätten den Betreibern Strafzahlungen gedroht.

    Der Offshore-Wind-Ausbau ist eine Herkulesaufgabe: Die Infografik zeigt, in welchen Bereichen die Lieferkette um welche Größenordnung erweitert werden muss. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Derzeit ist die Industrie zwar bemüht, ihre Produktionskapazitäten hochzufahren. Es entstehen neue Werke, etwa für die Herstellung der Tausenden von Kilometern Seekabel. Häfen werden erweitert, Werften steigen ins Offshore-Wind-Geschäft ein und Tausende neuer Jobs könnten entstehen. Doch all das braucht Zeit und anhaltenden politischen Willen. Hinzukommen Kostensteigerungen bei vielen Komponenten, die das Ertragsmodell von Offshore-Windparks belasten.

    Kostensteigerungen sieht auch der dänische Energieminister Lars Aagard als eine wesentliche Ursache für die gescheiterte Auktion: Die Ausschreibungsbedingungen seien zu einer Zeit vereinbart wurden, als die Marktbedingungen viel günstiger waren und den Weg für den Bau von Windparks auf See ohne Subventionen ebneten, erklärte er der Nachrichtenagentur Reuters zufolge.

    Im Fall Dänemarks kommt aus Sicht von Christine Bader erschwerend hinzu, dass der Strombedarf dort oft schon vollständig aus Erneuerbaren gedeckt werde. „Die Nachfrage wächst nicht so schnell wie ursprünglich angenommen.“ Auch der Aufbau einer Wasserstoffindustrie als Abnehmer für Grünstrom lasse in Dänemark auf sich warten. Die Betreiber dürften daher ein Risiko für den Absatz des Stroms beziehungsweise die erzielbaren Preise gesehen haben. Solange die grenzüberschreitenden Stromleitungen nicht stärker ausgebaut sind, sei ein Export der Überschüsse ins stromhungrige Deutschland derzeit nur begrenzt möglich.

    Auch anderswo gab es Rückschläge. Was heißt das für die deutschen Auktionen?

    Der Auktionsflop in Dänemark kam für viele unerwartet. Doch er steht nicht allein. Auch in Ländern wie Großbritannien, den USA, Estland und Litauen wurden Auktionen zurückgezogen oder brachten nicht das erhoffte Ergebnis. Gleichzeitig halten Deutschland und die EU an ihrem Plan fest, Offshore-Wind zum Rückgrat der Energieversorgung auszubauen. Was also muss passieren, damit das Ziel greifbar bleibt? Welche Rückschlüsse erlaubt die dänische Auktion für die kommenden in Deutschland?

    „Wer Bau und Betrieb von Offshore-Windparks ausschreibt, sollte Investoren ein attraktives Angebot machen. Gelingt dies nicht, scheitern Auktionen – wie zuletzt in Dänemark“, erklärte Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO), auf Anfrage. Verhindern könnten dies europaweit möglichst harmonisiert angewandte Auktionsregeln, die die EU im Frühjahr im Rahmen ihres Net-Zero Industry Acts beschließen könnte. Thimm bedauerte, dass in Deutschland noch eine weitere Auktion mit den bisherigen Regeln stattfinden wird, da aufgrund der Neuwahlen keine Änderungen am Design mehr möglich sind.

    Christine Bader hält vor allem die sogenannte ungedeckelte Gebotskomponente für ein Hindernis, also den Umstand, dass sich Betreiber auch im deutschen Auktionsdesign unbegrenzt gegenseitig hochbieten können. Das erschwere den Investoren den Umgang mit den finanziellen Risiken und treibe tendenziell den Preis für den offshore erzeugten Strom in die Höhe. Schließlich müssten die Windparks ihre hohen Investitionskosten über den Verkauf des Stroms wieder einspielen.

    Liste der deutschen Offshore-Windparks: Die Grafik zeigt Name, Leistung und Inbetriebnahme aller 31 Windparks in deutschen Gewässern bis 2024. Infografik: Beneditk Grotjahn

    Um sicherzustellen, dass das Auktionsdesign für möglichst viele Bieter attraktiv ist und letztlich die Ausbauziele erreicht werden, gibt es aus Sicht der Juristin weitere Möglichkeiten. So könnte die Zahl der Flächen, die ein einzelner Bieter in einer Auktion erhalten kann, begrenzt werden, gegebenenfalls auch mit einer Verkleinerung der versteigerten Flächengrößen. „Das würde die Vielfalt der Akteure erhöhen.“

    Statt einseitig auf die Einnahmeseite zu schauen, könnte der Gesetzgeber auch sogenannten qualitativen Kriterien in den Ausschreibungen mehr Gewicht verleihen, sagt Christine Bader. Zwar werden auch heute schon Faktoren wie etwa die Ausbildungsquote der Betreiber berücksichtigt. Doch die seien teils wenig praktikabel – und in der Praxis entscheide doch die Zahlungsbereitschaft. Besser wären aus Sicht der Juristin Kriterien, die zum Beispiel innovative und umweltschonende Bauverfahren stärker belohnen.

    Wie der Ausbau in Deutschland effizient gestaltet werden kann, ist auch Thema eines aktuellen Positionspapiers (PDF), das der Offshore-Wind-Verband BWO gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erarbeitet hat. Die Verbände skizzieren darin eine Reihe von Maßnahmen, die auch den Ausbau in Dänemark berühren könnten. Sie schlagen unter anderem vor, die direkte Anbindung von Offshore-Windparks in den Gewässern anderer Länder an das deutschen Stromnetz zu prüfen.

    „Diese Länder könnten dann – etwa per Staatsvertrag – von den Ausschreibungserlösen in Deutschland für die Flächen profitieren“, heißt es in dem Papier. Da die deutsche Stromnachfrage deutlich größer ist, könnten derartige Parks in Dänemark auf eine bessere Auslastung hoffen. Zudem wäre es bei einer grenzüberschreitenden Planung einfacher, sogenannte Abschattungseffekte zu vermeiden oder zu minimieren. Weil Windparks nirgendwo auf der Welt so dicht nebeneinander geplant sind wie in der Deutschen Bucht, ist hier die Gefahr besonders groß, dass sie sich gegenseitig den Wind rauben. Würde man den Ausbau entzerren und einige Parks in die ungleich größeren Meeresflächen etwa von Dänemark verlagern, würden die Parks effizienter laufen.

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