Offshore-Wind-Ausbau

  • Search03.06.2024

Konjunkturprogramm an Europas Küsten

Strom vom Meer soll zum Rückgrat der Energieversorgung werden. Dafür müssen die Kapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgebaut und Zehntausende Jobs geschaffen werden. Erste neue Fabriken entstehen bereits.

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    Konverterstation in der Nordsee: Europa muss seine Kapazität zur Produktion der milliardenschweren Anlagen dringend erweitern.

    Konverterstation in der Nordsee: Die milliardenschweren Anlagen werden derzeit nur von einer einzigen Werft in Europa produziert.

     

    Über die Energiewende wird oft unter negativen Vorzeichen gesprochen. Es geht dann um Anwohnerproteste, hohe Preise, kritische Rohstoffe oder löchrige Stromnetze und Lieferketten. Manchmal stehen Verzögerungstaktiken fossiler Lobbyisten dahinter. Ihnen geht es nicht um die Lösung der tatsächlichen und vermeintlichen Probleme, sondern darum, die alte fossile Welt möglichst lang in die Zukunft zu retten, Klimakrise hin oder her. Dabei schrieb schon der italienische Autor Giuseppe Tomasi di Lampedusa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.“

    Manchmal geht es in den Energiewende-Debatten aber auch um begründete Sorgen. Denn dass der Abschied von Öl, Kohle und Gas bis zur Jahrhundertmitte eine Herkulesaufgabe ist, wird niemand bestreiten. Bislang ist gerade einmal die Stromwende in Deutschland zur Hälfte geschafft. Der Weg zur vollständigen Energiewende in Mobilität, Wärmeversorgung und Industrie ist noch weit.

    Das Ziel der Energiewende: die Erderhitzung auf ein verkraftbares Maß begrenzen

    Trotzdem kann man auch anders über die Energiewende diskutieren – indem man nicht die Hürden in den Vordergrund stellt, sondern die Chancen. Denn auch dafür gibt es allen Grund. Schließlich ist der Umstieg auf saubere Technologien ein Versprechen auf eine lebenswerte Zukunft. Auf intakte Ökosysteme, auf eine gesunde Umwelt und auf ein Maß an Erderwärmung, das noch verkraftbar ist.

    Und auf zukunftssichere Jobs. Denn Klimaschutz ist auch ein Konjunkturprogramm. Um all die Wind- und Solarparks, die Wasserstoffpipelines und Elektrolyseure zu bauen und zu betreiben, müssen europaweit Zigtausende neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

    Der Offshore-Wind-Ausbau ist eine Herkulesaufgabe: Die Infografik zeigt, in welchen Bereichen die Lieferkette um welche Größenordnung erweitert werden muss. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Der Bedarf an Arbeitskräften und Fabriken ist gewaltig. Dazu genügt ein Blick auf einen Teilbereich der Energiewende, die Offshore-Windkraft. In fast allen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette müssen sich die Kapazitäten und das Tempo vervielfachen. Beispiel Turbinen: Derzeit liegt die Produktionskapazität nach Angaben der Verbände BWO und WindEurope bei gut 700 Stück pro Jahr. Gebraucht werden allerdings fast doppelt so viele, wenn Europa seine Ausbauziele für 2030 erreichen will.

    Fundamente, Kabel, Konverter: Die Produktionskapazitäten müssen wachsen

    Noch größer ist der Bedarf beim Bau von Windradfundamenten: Statt 300 Röhren jährlich sind 1200 nötig. Nicht viel anders sieht es bei der Fertigung von Stromkabeln und Konverterstationen aus: Überall müssen neue Produktionsanlagen aufgebaut werden. Auch die Hafenflächen zur Lagerung und Verschiffung der Hunderte Tonnen schweren Komponenten reichen derzeit bei Weitem nicht. Die beschlossene Erweiterung der Kaianlagen in Cuxhaven kann aus Sicht der Branche nur ein erster Schritt sein.

    Die Karte zeigt, wo derzeit in Europa Produktionskapazitäten und Fabriken für den Ausbau der Offshore-Windenergie aufgebaut werden. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Die Industrie stellt sich inzwischen auf den wachsenden Bedarf ein. Die Karte zeigt einen kleinen Ausschnitt davon: aktuelle Investitionen in neue Fabriken für Fundamente, Konverterstationen, Stromkabel, Naben, Gondeln und Rotorblätter. Die Anlagen entstehen nicht nur an der Nord- und Ostsee, sondern auch in Spanien, Italien und Griechenland.

    Nach jüngsten Zahlen der Branche arbeiten gut 80.000 Menschen in der europäischen Offshore-Windenergie, davon etwas mehr als 30.000 in Deutschland. Allein bis 2030 könnte die Zahl auf 250.000 steigen, wenn Windparks auf dem Meer wie von der EU beschlossen zum Rückgrat der Stromversorgung des Kontinents werden sollen.

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