Finanzspritze vom Bund

  • Search03.04.2024

Rückenwind für die Häfen

Die Häfen spielen eine Schlüsselrolle für die Windkraft, und die Windkraft wird immer wichtiger für die Hafenwirtschaft. Doch wenn beides wachsen soll, muss in neue Kajen investiert werden. So wie jetzt in Cuxhaven.

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    Cuxhaven aus der Luft: Drei neue Kajen sollen die Lücke zwischen dem Europakai (oben links) und dem Werk von Siemens Gamesa schließen.

     

    Von Volker Kühn

    Als die ersehnte Nachricht aus Berlin endlich eintrifft, platzt die Erleichterung aus Uwe Santjer heraus. „Das ist gigantisch! Eine historische Entscheidung“, jubelt der Cuxhavener Oberbürgermeister kurz vor Ostern im NDR. „Wir sind dabei, die Stadt neu zu erfinden.“

    Was Santjer in solche Hochstimmung versetzt, ist eine Geldspritze aus dem Bundeshaushalt. Nach einer zähen Hängepartie hat sich die Ampelkoalition durchgerungen, 100 Millionen Euro zum Ausbau des Hafens in Cuxhaven beizusteuern. Jeweils dieselbe Summe hatten Monate zuvor bereits das Land Niedersachsen und die Privatwirtschaft zugesagt. Damit steht die Finanzierung. An der Elbmündung können die Bagger anrollen.

    Offshore-Wind soll massiv wachsen. Das geht nur mit neuen Hafenflächen

    In der Lücke zwischen dem Europakai und der Offshore-Basis mit der Windturbinenfabrik von Siemens Gamesa sollen drei neue Liegeplätze entstehen. Sie werden dringend gebraucht, wenn die Bundesregierung die gesetzlich festgelegten Ausbauziele in der Offshore-Windkraft erreichen will. Die Leistung der Parks in den deutschen Teilen von Nord- und Ostsee soll von heute gut acht Gigawatt auf 30 Gigawatt im Jahr 2030 steigen. 2045 sollen es bereits 70 Gigawatt sein.

    Es ist ein überaus ambitioniertes Programm mit knappem Zeitplan. Denn alles, was es dafür braucht, ist derzeit knapp. Es fehlt an Fachkräften, an Fabriken, an Schiffen, an Stromkabeln, an Umspannstationen – und nicht zuletzt an Hafenflächen, um all die Fundamente, Türme, Turbinen und Rotorblätter zu verschiffen und draußen auf See aufzubauen. Die deutschen Offshore-Wind-Häfen sind darauf nicht vorbereitet.

    Offshore-Wind: Die Karte zeigt wichtige Häfen an der deutschen Nord- und Ostsee und ihre Funktionen für den Bau von Offshore-Windparks. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Prinzipiell wären die geplanten Windparks auch von Häfen wie Esbjerg in Dänemark und Eemshaven in den Niederlanden zu erreichen. Beide Standorte sind schon heute wichtig für den Ausbau in Deutschland. Doch allein auf die Nachbarländer verlassen wollen sich Politik und Industrie nicht. Nicht nur, weil es darum geht, Jobs und Wertschöpfung in Deutschland zu schaffen. Sondern auch, weil der Platz in anderen Häfen rings um die Nordsee ebenfalls knapp wird. Denn die Offshore-Windenergie boomt in fast allen Anrainerstaaten.

    Allein bis 2030 könnten laut einer Analyse der Stiftung Offshore-Windenergie bis zu 200 Hektar Hafenflächen für die Lagerung und die Verschiffung der Hunderte Tonnen schweren Windradbauteile fehlen. Und auch die Windkraft an Land beansprucht zusätzlichen Platz in den Häfen, etwa für Rotorblätter. Weil in Deutschland keine Windradflügel mehr gebaut werden, müssen sie importiert werden. Rund 80 Prozent kommen derzeit über Cuxhaven ins Land.

    Der Ausbau in Cuxhaven ist wichtig für die Branche. Doch er allein genügt nicht

    Die drei zusätzlichen Anleger an der Elbmündung können aus Sicht der Branche daher nur ein Anfang sein. „Nun gilt es, neben Cuxhaven weitere konkrete Ausbauprojekte deutscher Seehäfen für die Energiewende voranzutreiben und ebenfalls finanziell abzusichern“, sagt Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO). Er fordert, die Ausbauziele der EU mit einer europäischen Hafenstrategie zu unterlegen.

    Siemens-Gamesa-Chef Jochen Eickholt (rechts) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sind sich über die Notwendigkeit des Hafenausbaus in Cuxhaven einig.

    30 Gigawatt seien ein realistisches Ziel, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (links) im Januar bei Siemens Gamesa in Cuxhaven. Die neuen Kajen sollen helfen, es zu erreichen.

    Doch Kajen, an denen Spezialschiffe anlegen und ihre schwere Fracht aufnehmen können, sind teuer. Aus Sicht von Holger Banik, Chef des niedersächsischen Hafenbetreibers NPorts, ist klar, dass sich Berlin an der Finanzierung beteiligen muss. Schließlich habe der Bund den Offshore-Wind-Ausbau auch bestellt.

    Die Hängepartie um die Erweiterung in Cuxhaven scheint da nichts Gutes zu verheißen. Banik glaubt allerdings, dass die Politik seit der Energiekrise anders auf die Häfen schaut. „Wir merken, dass die niedersächsischen Häfen eine ganz neue Sichtbarkeit haben“, sagt er. Als Wladimir Putin Deutschland den Gashahn zudrehte und die Menschen einen kalten Winter fürchteten, rückten die Häfen auf einen Schlag in den Fokus. Im Rekordtempo entstanden zuerst in Wilhelmshaven und dann an weiteren Standorten entlang der Küste LNG-Terminals, die Erdgas vor allem aus den USA importieren. Eine Leistung, die den Häfen viel Anerkennung gebracht habe, sagt Banik. Nun gelte es, das LNG-Tempo auf andere Bereiche zu übertragen.

    Die Energiewende belebt die Häfen – auch über die Windkraft hinaus

    Die Windkraft ist dabei nicht alles. Über die Häfen sollen künftig auch grüne Gase importiert werden. Wasserstoff etwa könnte direkt in Offshore-Windparks auf See produziert und dann per Pipeline oder Schiff in die Häfen gebracht werden. Parallel verhandelt die Bundesregierung weltweit über den Import grüner Gase in Form von Wasserstoff oder Ammoniak.

    Alle deutschen Offshore-Windparks mit Name, Leistung und Jahr der Inebtriebnahme im Überblick. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Bei NPorts-Chef Banik mehren sich schon jetzt die Anfragen von Unternehmen, die sich in den Häfen ansiedeln wollen. Bislang sind es vor allem Projekte zum Bau von Elektrolyseuren. Sie würden überschüssigen Offshore-Windstrom nutzen, um ihn nach der Einspeisung ins Netz an Land in gut speicherbaren Wasserstoff umzuwandeln. Es gibt aber auch andere Projekte. Im Emder Hafen etwa will Livista Energy eine Anlage zur Aufbereitung von Lithium bauen. Ein Pachtvertrag mit NPorts ist bereits unterzeichnet. Die Raffinerie soll Lithium für anfangs bis zu 850.000 E-Autos pro Jahr liefern.

    Es sind Projekte ganz nach dem Geschmack der Politiker in den Küstenländern. Sie versprechen Jobs und Wachstum durch die Energiewende mit ihrem hohen Ökostromüberschuss im Norden. Klar ist allerdings, dass diese Hoffnung nur dann Realität wird, wenn die Infrastruktur dafür steht. Nicht zuletzt in den Häfen.

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