Schiffbau in Deutschland

  • Search24.01.2024

Offshore-Wind soll Werften beflügeln

Deutschen Werften winkt ein Milliardenboom im Offshore-Wind. Doch damit Schiffe und Plattformen wieder hierzulande gebaut werden, müssen Politik und Industrie Antworten auf die Asien-Konkurrenz und die Finanzierungsfrage finden.

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    Konverterstation DolWin epsilon: Die gewaltige Plattform wird per Schiff von Singapur zur Endmontage nach Haugesund in Norwegen transportiert. Foto: TenneT

    Made in Singapur: Rund 60 Tage dauerte die Reise der Konverterplattform Dolwin epsilon nach Europa. Nach der Endmontage in Norwegen wird sie in der deutschen Nordsee installiert. Bald sollen solche Riesen wieder in Deutschland gebaut werden.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Wenn in den nächsten Monaten Tausende Tonnen Stahl bei der Papenburger Meyer Werft angeliefert werden, schlägt das Traditionsunternehmen ein neues Kapitel auf. Zum ersten Mal schweißen die Mitarbeiter dann nicht Kreuzfahrtschiffe oder Frachter zusammen, sondern einzelne Sektionen einer Konverterplattform. Nach ihrer Endmontage auf einer Werft im spanischen Cádiz wird sie in einem Offshore-Windpark des Übertragungsnetzbetreibers Amprion stehen.

    Konverterplattformen sind entscheidende Bausteine in Windparks: Erst sie machen es möglich, den Windstrom ohne große Verluste ins Landnetz einzuspeisen. Während die Elektronik von Technologiekonzernen wie Siemens Energy, GE oder Hitachi kommt, werden die hochhausgroßen Stahlkästen von Werften gebaut.

    Für die Meyer Werft sind Konverterplattformen Neuland, wenn auch nur in gewissem Sinne, wie Werftsprecher Florian Feimann gegenüber EnergieWinde erklärt. „Diese Art von Stahlarbeiten können wir natürlich immer durchführen.“ Und trotzdem markiert die Plattform einen Meilenstein für die Papenburger. „Für uns ist es wichtig, über diesen Auftrag spezielles Know-how und Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln, um in naher Zukunft in der Lage zu sein, auch ganze Konverterplattformen fertigen zu können.“

    Es ist Aufbruchstimmung, die aus diesen Worten klingt – eine Stimmung, die der Boom der Offshore-Windenergie womöglich in der gesamten deutschen Schiffbaubranche auslösen könnte.

    Deutsche Werften waren Vorreiter im Offshore-Wind. Derzeit schauen sie zu

    Denn obwohl die Werft Nordic Yards in Rostock mit den weltweit ersten Konverterplattformen noch Pionierarbeit leistete, geht die Wertschöpfungskette des Windkraftausbaus in Ost- und Nordsee mittlerweile komplett an deutschen Schiffbauern vorbei. Seit Mitte des letzten Jahrzehnts landen immer mehr Aufträge für Offshore-Wind-Schiffe oder Plattformen in asiatischen Ländern wie China oder Südkorea. Die dortigen Werften produzieren dank staatlicher Hilfe und billigem Stahl günstiger als deutsche.

    Zudem habe sich man bei Nordic Yards bewusst entschieden, anstelle von Konvertern auf den damals boomenden Kreuzfahrtschiffbau zu setzen, erklärte eine Sprecherin des Übertragungsnetzbetreibers Tennet gegenüber EnergieWinde. Tennet hätte nach den guten Erfahrungen in den Projekten mit Nordic Yards gern weiterhin in Deutschland gebaut, musste sich mangels Kapazitäten aber anderweitig umsehen.

    Doch wäre es aus Sicht von Branchenvertretern und Politikern fahrlässig, sich künftig allein auf asiatische Zulieferer zu verlassen. Vielmehr brauche Europa selbst starke Kapazitäten. Nur so ließen sich Abhängigkeiten vermeiden, nur so könne die Branche mit gut bezahlten Jobs ein Argument für den Ausbau der Offshore-Windenergie liefern.

    Die Windkraftpläne sind gigantisch. Der Weltmarkt ist groß genug für alle

    „Wenn wir die Ausbauziele allein in Deutschland und Europa wirklich schaffen wollen, müssen wir sämtliche Kapazitäten ausschöpfen, die zur Verfügung stehen“, sagt Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Windenergie, im Gespräch mit EnergieWinde. Windparks mit zusammen 30 Gigawatt sollen nach dem Plan der Bundesregierung bis 2030 in deutschen Gewässern stehen, bis 2045 sollen es sogar 70 Gigawatt sein – ausgehend von heute rund acht Gigawatt. Der Bedarf in anderen europäischen Ländern kommt hinzu.

    30 Gigawatt Offshore-Wind 2030, 40 im Jahr 2035 und 70 GW 2045: Das sind die Pläne der Ampelregierung im Koalitionsvertrag. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Von 7,8 auf 30 Gigawatt in acht Jahren: Die Ampel hat ehrgeizige Ziele für die Offshore-Windenergie.

    Mehr als 30 Zwei-Gigawatt-Konverterplattformen werden dafür laut der Bundesregierung in deutschen Windparks gebraucht. Mit rund zwei Milliarden Euro schlagen die Riesen zu Buche. Das ist annähernd doppelt so viel, wie die auf der Meyer Werft gebauten Aida-Schiffe kosten.

    Auch der außereuropäische Markt lockt. Die USA etwa haben ebenfalls ehrgeizige Offshore-Wind-Ziele, verfügen aber über geringe Kapazitäten und Know-how in ihren Werften. Das Verhältnis zwischen den USA und China ist angeschlagen, und zudem sind auch Asiens Werften ausgelastet. „Wir sollten in Deutschland nicht das Fachwissen vergessen, das sich die Branche in diesem Bereich aneignen und dank unserer Ingenieursexpertise für Innovationen weiter entwickeln kann. Das Potenzial ist groß“, sagt Windenergie-Expertin Würtz.

    Schiffsfinanzierung? Damit haben viele Banken schlechte Erfahrungen gemacht

    Knackpunkt sind allerdings nicht nur die europäischen Werftkapazitäten, es ist auch die Frage, wie Werften Großprojekte wie Konverterplattformen finanzieren. „Für die Investoren der Windparks mit ihren starken Bilanzen mag der Zugang zu Kapital leistbar sein. Für mittelständische Unternehmen sind die notwendigen Finanzierungsinstrumente am Markt aber nicht verfügbar“, sagt Reinhard Lüken, Geschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), gegenüber EnergieWinde.

    Die Banken sind zudem nach Jahren der Schifffahrtskrise vorsichtig geworden. „Die großen Volumina, die der Bau von Konverterplattformen erfordert, scheuen sie erst recht, zumal es noch an entsprechenden Performance-Daten aus der Vergangenheit fehlt“, sagt Lüken. Daher müsse der Bund praxisgerechte Garantieinstrumente schaffen, die allen Beteiligten einen finanziell sicheren Rahmen böten.

    Riese sticht in See: Die Reise von DolWin epsilon

     

    Konverterstation DolWin epsilon: Die gewaltige Plattform wird per Schiff von Singapur zur Endmontage nach Haugesund in Norwegen transportiert. Foto: TenneT

    Fast 12.000 Tonnen wiegt die Konverterplattform Dolwin epsilon, die der Übertragungsnetzbetreiber Tennet bei der Seatrium-Werft in Singapur in Auftrag gegeben hat. Nach mehr als drei Jahren Bauzeit ...

    ... verließ der Koloss im Oktober 2023 die Werft in Singapur. Die Plattform mit einer Kapazität von 900 Megawatt wurde dazu vom Schwertransportschiff „Mighty Servant 1“ huckepack genommen. Die Reise ...

    Konverterstation DolWin epsilon: Die gewaltige Plattform wird per Schiff von Singapur zur Endmontage nach Haugesund in Norwegen transportiert. Foto: TenneT

    ... führte einmal um die halbe Welt: Rund 60 Tage benötigte das Schiff für die 13.000 Seemeilen (24.000 Kilometer) rund um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika Richtung Europa. Ziel war ...

    ... Haugesund im Westen Norwegens. Auf der dortigen Aibel-Werft erfolgt die Endausrüstung von Dolwin epsilon. Zudem wird Hitachi als Subunternehmen von Aibel und Lieferant für die HGÜ-Technologie ...

    ... den Konverter und die Transformatoren installieren. Im Sommer soll die Plattform dann selbstschwimmend an ihren Standort in der Nordsee transportiert werden. Die gewaltigen Ausmaße ...

    Konverterplattform DolWin epsilon: Nach ihrer Reise von Singapur um die halbe Welt trifft der Gigant in Haugesund/Norwegen ein. Foto: Aibel/TenneT

    ... von Dolwin epsilon werden besonders im Vergleich zu den Wohnhäusern an der norwegischen Fjordküste deutlich. Sie wirkten wie Spielzeuge, als das Schwerlastschiff mit der Konverterplattform vorbeizog.

    Konverterstation DolWin epsilon: Die gewaltige Plattform wird per Schiff von Singapur zur Endmontage nach Haugesund in Norwegen transportiert. Foto: TenneT
    Konverterstation DolWin epsilon: Die gewaltige Plattform wird per Schiff von Singapur zur Endmontage nach Haugesund in Norwegen transportiert. Foto: TenneT
    Konverterplattform DolWin epsilon: Nach ihrer Reise von Singapur um die halbe Welt trifft der Gigant in Haugesund/Norwegen ein. Foto: Aibel/TenneT

    Die letzten Jahre haben zudem gezeigt, wie leicht Lieferketten reißen. Auch die Pandemie, während der ganze Facharbeitermannschaften irgendwo auf der Welt festsaßen, führt bei Unternehmen zur Überlegung, bestimmte Einheiten ihrer Produktion zurück nach Europa zu holen. „Wir müssen die Vorteile stärker bewerten, die entstehen, wenn wir die Produktion in Europa organisieren“, sagt VSM-Geschäftsführer Lüken.

    Eine möglichst innereuropäische Fertigung habe zudem Klimavorteile. Schiffe und andere Anlagen aus Asien hätten oft eine schlechtere CO2-Bilanz, hinzu komme der Transport um die halbe Welt.

    Japanisches Errichterschiff „Blue Wind“: Das Jack-up-Vessel wird beim Bau von Offshore-Windrädern eingesetzt.

    Japanisches Errichterschiff „Blue Wind“: Das Jack-up-Vessel wird beim Bau von Offshore-Windrädern eingesetzt.

    Nicht nur Konverter versprechen Aufträge für europäische Werften. Für den Ausbau der Windkraft auf See wird eine ganze Reihe von Spezialschiffen benötigt. „Wir sprechen von Produkten, die in den nächsten Jahrzehnten weltweit gebraucht werden, wodurch es schon jetzt zu Engpässen und steigenden Preisen kommt“, sagt Karina Würtz. Sogenannte Jack-up-Schiffe oder Multi-Purpose-Schiffe zum Transport von Rotorblättern für Windräder sind teilweise nur zu Tagessätzen von mehr als 100.000 Euro zu haben.

    Wie gewaltig der Bedarf schon heute ist, zeigt der Auftrag von Amprion an die Meyer Werft. Das eigentliche Fertigungsunternehmen Dragados aus Cádiz hatte Amprion gebeten, aufgrund des hohen Zeitdrucks und knapper Möglichkeiten Teilsektionen an einen Zulieferer abgeben zu dürfen. Da die Meyer Werft schon länger mit Offshore-Wind liebäugelte und die Vorgaben erfüllte, entschied sich Amprion für die Papenburger.

    Meyer Werft steigt in Offshore-Windenergie ein: Neben Kreuzfahrtschiffen werden die Papenburger künftig auch an Konverterplattformen mitarbeiten.

    Kreuzfahrtschiff im Baudock der Meyer Werft: Die Papenburger haben einen Großauftrag von Amprion ergattert.

    Bis 2027 wird die Meyer Werft für insgesamt vier Konverterstationen von Amprion mehrere Sektionen produzieren – ein Stahlvolumen im Umfang eines großen Kreuzfahrtschiffes.

    Rostock steht vor dem Comeback: mit Konvertern auf der Warnowwerft

    Wenige Wochen vor dem Amprion-Auftrag war aus Berlin noch ein für die Branche wichtiges Zeichen gekommen: Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte einen Teil der Werft in Rostock-Warnemünde für Offshore-Wind-Zwecke freigegeben. Dort will das Gemeinschaftsunternehmen Neptun Smulders Engeneering künftig Konverterplattformen bauen. Das Joint Venture setzt sich aus der zur Meyer-Gruppe gehörenden Neptun Werft und dem belgischen Stahlbau-Spezialisten Smulders zusammen.

    Meyer ist nicht der einzige deutsche Schiffbauer, der auf die gelben Riesen setzt. Auch die Lloyd-Werft in Bremerhaven will in das Geschäft einsteigen. Sie wird von der Bremer Lürssen-Werft gemeinsam mit dem Stahlbauunternehmen Rönner und dem Mischkonzern Zech betrieben. Ebenso hat German Naval Yards in Kiel Pläne für einen Einstieg ab 2027. Und auch die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft und ThyssenKrupp Marine Systems sollen sich mit Konvertern beschäftigen.

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    Der Bedarf ist riesig

    Karina Würtz, Stiftung Offshore-Windenergie

    Experten sehen für Werften auch im klassischen Schiffbau für den Offshore-Bereich große Möglichkeiten. „Allein der Bedarf an Service Operation Vessels zum Befördern und Beherbergen von Technikern in den Windparks ist riesig“, sagt Würtz. Das Know-how zum Bau solcher Crew-Schiffe ist ebenso vorhanden wie das für Installationsschiffe. So hat etwa die Lloyd-Werft 2014 zumindest einmalig ein Errichterschiff gebaut und modernisiert derzeit zwei Offshore-Schiffe der Bremer Rederei Harren.

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