Offshore-Wind-Häfen

  • Search20.12.2022

Nadelöhr für die Energiewende auf See

Deutschland will die Offshore-Windkraft in kürzester Zeit massiv ausbauen. Doch die Kapazität der Häfen genügt dafür aktuell nicht. Die Küstenländer hoffen auf neue Wege bei der Finanzierung.

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    Offshore-Windräder von Siemens Gamesa in Cuxhaven: Der Hafen soll um drei Liegeplätze erweitert werden. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro.

    Windrad-Komponenten am Kai in Cuxhaven: Deutschland droht im Wettstreit der Offshore-Wind-Häfen abgehängt zu werden.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Es ist eine stattliche Summe, auf die Cuxhaven wartet: Für 300 Millionen Euro soll der Seehafen drei neue Anleger erhalten. Sie sind dringend nötig, denn der Standort an der Elbmündung platzt aus allen Nähten. Schließlich beansprucht neben der Fischerei, der Hafenwirtschaft und der Touristik inzwischen eine weitere Industrie Platz: die Windenergie. Nun sollen 1257 Meter zusätzliche Kaimauer samt 28 Hektar Arbeitsfläche Abhilfe schaffen. Im Eiltempo hat Niedersachsen die Genehmigungen erteilt. Bei einem Baustart 2023 könnten bereits zwei Jahre später Windräder von den neuen Liegeplätzen verschifft werden.

    Die Eile ist überfällig nach dem langen Stillstand in der deutschen Windkraft. Es geht dabei nicht allein um die Frage, ob Deutschland seine Klimaziele erreicht, für die Wind auf See zentral ist. Es geht auch darum, wer das Geschäft macht. Denn Windparks in der deutschen Nordsee müssen nicht zwingend von deutschen Häfen gebaut und betrieben werden. Sie sind auch von Dänemark, den Niederlanden, Belgien oder Großbritannien erreichbar.

    Karte der für die Offshore-Windenergie wichtigen Häfen in Deutschland. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Deutschlands Startbedingungen in diesem Rennen sind in den vergangenen Jahren nicht besser geworden, im Gegenteil. Das politische Stop-and-go der Merkel-Regierungen hat Werften, Windradhersteller und Betreiber ins Straucheln gebracht, Jobs und Know-how gekostet. „Wir haben viele Kollegen verloren, die abgewandert sind, weil die Standorte verlorengegangen sind“, sagte kürzlich Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies beim Onlinetalk des Bundesverbands der Windparkbetreiber Offshore (BWO). Besonders heftig hat die Krise Cuxhavens Nachbarn Bremerhaven getroffen.

    Nun drängen die Küstenländer auf eine Trendwende. Dazu müssen sie der Branche das Vertrauen vermitteln, dass die Politik diesmal dauerhaft an der Windkraft festhält und nicht doch wieder den Stecker zieht. Die Häfen an der Nord- und Ostsee sind entscheidend dafür, denn sie sollen den drastischen Ausbau der Offshore-Windkraft stemmen. Aus heute knapp acht Gigawatt sollen 30 Gigawatt in acht Jahren und 70 Gigawatt bis 2045 werden. Doch nur wenn die Infrastruktur stimmt, können sich Hersteller und Betreiber ansiedeln, Lieferketten etablieren und neue Jobs entstehen, die den Standorten über Jahrzehnte Einnahmen sichern. Wer die Häfen hat, wird einen großen Anteil des zu erwartenden Booms bekommen.

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    Wir wollen die Wertschöpfung in der Region halten, deshalb müssen wir als norddeutsche Länder sehr laut sein

    Tobias Goldschmidt, Energieminister von Schleswig-Holstein

    Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt will diese Chance nicht verstreichen lassen. „Wir wollen die Wertschöpfung in der Region halten, deshalb müssen wir als norddeutsche Länder sehr laut sein, wenn es um das Design des Strommarktes geht“, sagte er im BWO-Talk.

    Der Knackpunkt ist dabei wie so oft das Geld. Schon 2013 forderten die Küstenländer im ersten sogenannten „Cuxhavener Appell“ die Bundesregierung auf, die Finanzierung von Offshore-Projekten staatlich abzusichern. Das ist nicht nur für Windparkbetreiber entscheidend, sondern auch für die Hersteller der Komponenten bis hin zu milliardenschweren Umspann- oder Konverterplattformen. „Wir haben Interessenten für Plattformen, aber es ist die Frage, ob uns die Finanzierung gelingt“, sagte Reinhard Meyer, Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern. Die unklaren Rahmenbedingungen führten dazu, dass Investoren die gewaltigen Anlagen derzeit eher im spanischen Cádiz oder in Dänemark bauen ließen.

    Kanzler Olaf Scholz bei Siemens Gamesa in Cuxhaven: Der Hafen muss ausgebaut werden, um den Offshore-Wind-Boom bewältigen zu können.

    Olaf Scholz beim Besuch des Werks von Siemens Gamesa am Hafen in Cuxhaven: Leistet der Bund Schützenhilfe beim Ausbau der Schwerlastkais?

    Unter den deutschen Häfen ist es Cuxhaven dabei noch am ehesten gelungen, sich zu einem Offshore-Wind-Zentrum zu entwickeln. Mit dem Windradbauer Siemens Gamesa hat sich dort 2017 ein großer Industriepartner angesiedelt. Die neuen Liegeplätze sollen den Standort weiter stärken.

    Doch Cuxhaven allein werde nicht ausreichen, um all die geplanten Windparks zu bauen, mahnt die Branche an. Nötig sei mindestens ein weiterer Nordseestandort. Dabei ist selbst die Finanzierung der 300 Millionen Euro für Cuxhaven noch ungeklärt.

    Grundsätzlich sind Häfen Ländersache. Der Finanzbedarf der niedersächsischen Häfen geht allerdings weit über die Liegeplätze in Cuxhaven hinaus. „Ich habe parallel mehrere hohe Investitionen, die zusammen Richtung eine Milliarde gehen und die ich so nicht im Haushalt des Landes verankert bekomme“, sagte Lies. Deshalb werden andere Finanzierungsformen gebraucht. Der Blick richtet sich dabei naturgemäß zuerst auf den Bund. Kanzler Olaf Scholz blieb bei einem Besuch in Cuxhaven im August allerdings vage, was eine Finanzspritze aus Berlin anging.

    Der Investitionsbedarf ist gewaltig. Lies mahnt neue Wege zur Finanzierung an

    Er wolle den Hafen allerdings auch gar nicht vom Bund geschenkt haben, sagte Lies. Vielmehr seien Instrumente nötig, die es ihm ermöglichten, den Ausbau so zu finanzieren, dass sie den Haushalt nicht blockierten. Dabei könnten etwa langfristige KfW-Kredite helfen. An den 300 Millionen Euro werde es am Ende aber sicher nicht scheitern, versicherte Lies.

    Vor allem müsse jetzt schnell eine umfassende Hafenstrategie her, erklärten die drei Minister im BWO-Talk. „Es muss alles parallel passieren, der Staat muss schnell in die Absicherung gehen, denn wenn wir das Ziel für 2030 sehen, können die Unternehmen nicht mehr warten“, sagte Lies. „Klare Vereinbarungen von Zeitschienen und -gerüsten können Sicherheit hineinbringen, aber auch Infrastrukturmaßnahmen wie die rechtzeitige Installation von Anbindungsleitungen können einen Hochlauf befördern“, sagt Tobias Goldschmidt.

    Droht ein Kampf der Häfen? Unwahrscheinlich – es gibt mehr als genug zu tun

    Deutschland verfügt grundsätzlich über eine ganze Reihe von Offshore-Wind-Häfen, die mit entsprechendem Rückenwind aus der Politik neue Arbeitsplätze schaffen könnten. Dazu zählen etwa Emden, Rostock und Sassnitz auf Rügen. In Schleswig-Holstein könnten Büsum und Brunsbüttel weitere Unternehmen anziehen. Allerdings eignen sich nicht alle Häfen für sämtliche Anforderungen der Industrie. Gerade im Bereich der Montage geht es um riesige Flächen.

    In einem Punkt sind sich die Küstenländer einig: „Es verbietet sich, einen Konkurrenzkampf zwischen den Häfen zu führen, da bei dem Umfang der anstehenden Aufgaben für alle etwas dabei ist“, sagte Goldschmidt.

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