Offshore-Wind-Leitungen

  • Search10.03.2024

Kampf um Kabel

Europa will Tausende Windräder ins Meer stellen und braucht dafür Zehntausende Kilometer Stromkabel. Doch der Markt ist überschaubar. Die Netzbetreiber müssen sich die knappen Kapazitäten weit im Voraus sichern.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    Kabelschiff von Hellenic Cables: Das Unternehmen produziert in Griechenland und Rumänien und hat unter anderem Hollandse Kuist Zuid verkabelt, den derzeit größten Offshore-Windpark der Welt.

    Zum Verlegen von Seekabeln sind Spezialschiffe nötig. Die schwere Fracht wird in gewaltigen Trommeln auf Deck gelagert.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Es sind Deals mit Weitsicht: Mitte Februar hat sich der Übertragungsnetzbetreiber Amprion riesige Kapazitäten des italienischen Kabelherstellers Prysmian für die nächsten Jahre gesichert. Gesamtwert der Verträge: fünf Milliarden Euro. Der bisher größte Auftrag in der 145-jährigen Geschichte des Kabelkonzerns umfasst 3400 Kilometer Landkabel und gut 1000 Kilometer Seekabel. Ende des Jahrzehnts soll darüber Offshore-Windstrom bis weit ins deutsche Festland fließen.

    „Wir haben uns die notwendigen Kabelressourcen für drei wichtige Energiewendeprojekte gesichert“, sagte Hendrik Neumann, CTO von Amprion, bei der Vertragsunterzeichnung. „Verträge wie die mit Prysmian sind essenziell, um unsere Offshore-Ausbauziele zu erreichen.“

    Amprion, Tennet, 50Hertz: Die Netzbetreiber ordern Kabel im Milliardenwert

    Amprion ist damit nicht allein. Auch der niederländisch-deutsche Konzern Tennet hat für die Kabel seiner jeweils 20 Gigawatt umfassenden Projekte in den Niederlanden und Deutschland Mitte 2023 Großaufträge vergeben. Die Verträge im Umfang von 5,5 Milliarden Euro sicherten sich die Kabelhersteller NKT aus Dänemark, Nexans aus Frankreich und ein Konsortium aus Jan de Nul, LS Cable und Denys.

    Und auch der Dritte im Bunde, 50Hertz, hat im vergangenen August Aufträge an Prysmian und NKT im Umfang von 4,5 Milliarden Euro vergeben. Es ist die größte Einzelinvestition des ostdeutschen Übertragungsnetzbetreibers. Dabei geht es um Tausende Kilometer für vier Offshore-Netzanbindungen in der Nord- und Ostsee und drei Höchstspannung-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) an Land.

    Der Markt für Stromkabel von Offshore-Windparks in Europa wird laut Statista von vier Herstellern dominiert. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Ob Konverterstationen und Installationsschiffe, Fundamente oder Kabel, es herrscht ein scharfer Wettbewerb um Produktionskapazitäten für Offshore-Komponenten. Wer keine kostspielige Verzögerung beim Bau riskieren will, weil die Hersteller ausgebucht sind, muss frühzeitig und umfangreich ordern. „Wir sprechen im Segment Kabel über eine sehr große Nachfrage und relativ wenige Anbieter, die in den kommenden Jahren Tausende Kilometer Kabel herstellen und verlegen werden. Da sind die Kapazitäten natürlich begrenzt“, erklärt Stefan Sennekamp von Amprion im Gespräch mit EnergieWinde.

    Fast alle Küstenländer haben große Offshore-Pläne. Das treibt den Kabelbedarf

    Der europäische Markt ist in der Hand von vier Konzernen: Prysmian, zu dem seit 2018 auch die Norddeutschen Seekabelwerke in Nordenham zählen, NKT und Nexans, die ebenfalls unter anderem in Deutschland produzieren, sowie Hellenic Cables mit Fabriken in Griechenland und Rumänien.

    Kunden gibt es viele. Von Portugal bis ins Baltikum, von Norwegen bis Italien – überall gibt es Pläne für die Offshore-Windenergie. Wenn in Europa bis zur Jahrhundertmitte Parks mit zusammen 300 Gigawatt installiert sein sollen, kommt es daher auf die geschickte Planung der Produktionsstätten an.

    Kabelschiff von Hellenic Cables: Das Unternehmen produziert in Griechenland und Rumänien und hat unter anderem Hollandse Kuist Zuid verkabelt, den derzeit größten Offshore-Windpark der Welt.

    Kabelschiff von Hellenic Cables: Das Unternehmen produziert in Griechenland und Rumänien und hat unter anderem Hollandse Kuist Zuid verkabelt, den derzeit größten Offshore-Windpark der Welt.

    Auch die USA bauen ihre Windkraft aus und greifen dazu Industriekapazitäten in Europa und Asien ab. Die Experten der US-Beratungsfirma 4C Offshore rechnen deshalb bereits ab 2025 mit globalen Engpässen bei Hochspannungskabeln. In ihrer Zehn-Jahres-Prognose gehen die Experten von einem Bedarf von 95.000 Kilometern aus.

    Hinzu kommt, dass die Kabelhersteller nicht ausschließlich für die Energiewende arbeiten. Sie produzieren in der Regel auch Internetkabel – in Zeiten der Digitalisierung ebenfalls ein boomendes Geschäft. Dass in absehbarer Zeit neue Unternehmen in den komplexen Markt drängen, ist nicht abzusehen. Denn die Herausforderungen sind groß: Unterschiedliche Meeresströmungen, sensible Meeresbiotope, Kriegsmunition auf dem Meeresgrund, kritische Militärzonen und die schwierige Rohstoffversorgung machen Seekabel zu einem technologisch höchst anspruchsvollen Produkt.

    Die NKT Victoria ist ein Kabelschiff des dänischen Herstellers NKT, das auch in deutschen Gewässern schon zum Einsatz kam.

    Die NKT Victoria ist ein Kabelschiff des dänischen Herstellers NKT, das auch in deutschen Gewässern schon zum Einsatz kam.

    Zwar wurde bereits 1954 ein Gleichstromkabel vom schwedischen Festland durch die Ostsee nach Gotland gelegt. Doch eine echte Auseinandersetzung mit den Anforderungen für Stromkabel im Meer setzte erst mit dem Start der Offshore-Windenergie ein. Entsprechend befindet sich die Technologie noch immer im Wandel.

    Zumal die Leistung von Offshore-Windparks kontinuierlich wächst. Die Kabel müssen immer größere Strommengen transportieren. Wurden früher für 900-Megawatt-Anbindungen noch ein Plus- und ein Minus-Kabel gelegt, kommt für den Sprung auf Zwei-Gigawatt-Systeme bei Amprion ein drittes Reservekabel hinzu. „Das bedeutet bei einer Strecke wie bei BalWin1 von etwa 150 Kilometern im Wasser und nochmals knapp 200 an Land, nicht nur gleich 350 Kilometer mehr Kabel, sondern die Verlegung davon ist ebenso deutlich anspruchsvoller, weil es nur wenige Schiffe gibt, die so viel Kabel an Bord nehmen können“, sagt Amprion-Sprecher Sennekamp.

    Kabelproduktion bei Prysmian: Das italienische Unternehmen produziert in Deutschland unter anderem in Nordenham und Schwerin.

    Kabelproduktion bei Prysmian: Das italienische Unternehmen hat in Deutschland Standorte unter anderem in Nordenham und Schwerin.

    Im Zwei-Gigawatt-System von Tennet kommt sogar noch ein Glasfaserkabel hinzu. Die Leitungen werden möglichst im Ganzen verlegt oder zumindest in großen Abschnitten mit wenigen Unterbrechungen. Dabei kommen unterschiedliche Techniken zum Einsatz: In sensiblen Gebieten wie dem Wattenmeer wird das Kabel mit einem umweltschonenden Vibrationspflug langsam in den Boden eingelassen. Andernorts nutzt man sogenannte Spülschwerter, die einen Graben in den Meeresgrund spülen, in den das Kabel hineingleitet.

    Bis zu 13 Zentimeter dick sind die mit Kunststoff ummantelten See- und Wattkabel. Sie bestehen aus einem Kupferleiter sowie einer Isolation aus vernetztem und chemisch hoch beständigem Polyethylen. Die Kabel werden etwa 1,5 Meter unter dem Grund verlegt. Zusätzlichen Schutz gegen Schiffsanker oder Treibgut bringt eine Armierung aus verzinktem Stacheldraht. Wie Gaspipelines oder Internetseekabel stellen Offshore-Seekabel eine sensible Infrastruktur dar und müssen entsprechend gesichert werden. Das treibt die Kosten allerdings zusätzlich in die Höhe.

    Kabelschiff Nexans Skagerrak in bretonischen Gewässern: Das französische Unternehmen zählt zu den größten Seekabelherstellern.

    Kabelschiff Nexans Skagerrak in bretonischen Gewässern: Das französische Unternehmen zählt zu den größten Seekabelherstellern. Es kam auch beim Projekt Nordlink zum Einsatz.

    Die milliardenschweren Verträge von Netzbetreibern und Kabelherstellern bieten zumindest für die deutschen Projekte vorerst Planungssicherheit. Das gilt nicht nur für die Kabel selbst, sondern auch für die Schiffe, mit denen sie verlegt werden. Sie müssen über Jahre im Voraus gebucht werden. Bei der Stiftung Offshore-Windenergie zeigt man sich entsprechend entspannt: „An einem Mangel der seeseitig erforderlichen Kabel zum Anschluss der Offshore-Windparks an den landseitigen Verknüpfungspunkt wird der Ausbau aller Voraussicht nach zumindest in Deutschland derzeit nicht scheitern“, erklärt Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Energie, gegenüber EnergieWinde.

    Auch den Kabelproduzenten geben die Verträge Sicherheit: Auf den Großauftrag von Amprion hin hat Prysmian ein neues Schiff für 230 Millionen Euro in Auftrag gegeben. Ende 2026 soll es fertig sein und einen Vorteil gegenüber älteren Schiffen bieten: Mit 185 Metern Länge und 19.000 Tonnen Gesamtkapazitäten verfügt es über genügend Platz für die gestiegene Kabelmenge.

    Go Top