Hafen Esbjerg

  • Search05.09.2023

Auf Kante genäht

Europas wichtigster Offshore-Wind-Hafen stößt an seine Grenzen. Die Betreiber wollen die Kapazität dennoch bis 2025 verdreifachen. Dazu soll vor Esbjerg neues Land aufgeschüttet werden. Doch das ist nicht der einzige Weg.

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    Windradbauteile an der Kaikante in Esbjerg: 2025 sollen von hier Komponenten für Parks mit zusammen 4,5 Gigawatt verladen werden.

     

    Von Heimo Fischer, Esbjerg

    Wenn Jesper Bank Besucher empfängt, setzt er sich gern mit ihnen ins Auto und fährt sie durch die weiten Hafenanlagen von Esbjerg. Knapp fünf Millionen Quadratmeter misst das Terrain. Zahlreiche Areale sind für Kunden aus der Windbranche reserviert. Im Hafen der dänischen Stadt lagern Teile von Türmen, Gondeln, Turbinen und Rotoren. Gewaltige Schiffe bringen sie weit raus in die Nordsee, in die Baufelder der Windparks. „Wir sind ausgebucht“, sagt der Vertriebsmanager des Hafens.

    Von der Energiebranche lebt Esbjerg seit den Sechzigerjahren. Damals begann das Land, Öl und Gas in der Nordsee zu fördern. Bohrinseln mussten gebaut, gewartet und versorgt werden. Die Spezialschiffe stachen von Esbjerg aus in See und bescheren der Stadt bis heute Wohlstand. Später brachte die Offshore-Windkraft dem Hafen zusätzliches Wachstum. An etwa vier Fünfteln aller in Europa auf See installierten Windräder war der Hafen von Esbjerg beteiligt.

    Die Windindustrie ist durch ein Wellental gegangen. Jetzt folgt ein steiler Anstieg

    Doch ab Mitte der 2010er-Jahre stockte der Ausbau plötzlich. Zahlreiche Nordseeanrainer legten eine Pause bei der Ausschreibung neuer Windparks ein. Auch in Deutschland bremste die Stop-and-Go-Politik der Großen Koalitionen die Technologie aus. „Dadurch gab es auch bei uns weniger Projekte“, sagt Bank.

    Jetzt aber gehen sieben EU-Staaten sowie Norwegen und Großbritannien das Thema erneut an. Und diesmal sind die Ziele mehr als ambitioniert. Im April einigten sie sich darauf, bis 2030 die Zielmarke von 120 Gigawatt Kapazität für Offshore-Strom zu erreichen. 2050 sollen es schon 300 Gigawatt sein. Es wäre ein gewaltiger Sprung. Deutschland etwa kommt aktuell auf eine Kapazität von gerade einmal rund acht Gigawatt. Die Pläne werden nur dann funktionieren, wenn die Infrastruktur auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette massiv ausgebaut wird.

    Verschiffte Offshore-Wind-Komponenten in Esbjerg, Kapazität in Megawatt pro Jahr. Infografik: Andreas Mohrmann

    Derzeit sei der Hafen von Esbjerg an drei dänischen und zwei deutschen Projekten beteiligt, sagt Bank. Darunter sind Gode Wind 3 sowie Borkum Riffgrund 3, also Projekte vor Ostfriesland. Der dänische Hafen deckt keineswegs nur die eigene Küste ab. Selbst der Bau von Windparks vor Schottland und England wird von Esbjerg aus unterstützt.

    Für Bank steht allerdings fest, dass es bald keine freien Kapazitäten mehr im Hafen geben wird. Zum Beleg stoppt er das Auto auf seiner Hafentour vor dem Neubau einer großen Halle. Die Lager müssen nicht nur deshalb wachsen, weil immer mehr Projekte in Europas Gewässern gebaut werden. Die Hunderte Tonnen schweren Windräder werden zugleich auch immer größer. Bald werden die Rotoren einen Durchmesser von einem Viertelkilometer haben. Ein einziges Blatt wird mehr als 100 Meter lang sein.

    Offshore-Windräder werden immer größer und leistungsstärker. Kamen sie vor 20 Jahren noch auf 2 Megawatt, sind es künftig schon 18 Megawatt. Infografik: Andreas Mohrmann

    Wenn über die Jahre Tausende davon verschifft werden, braucht der Hafen vor allem mehr Platz. In der Vergangenheit wurden deshalb viele Tonnen Sand verschoben, um dem Meer neues Land abzuringen. Da der Hafen ohnehin schon riesengroß ist, wird das nicht mehr die einzige Möglichkeit bleiben. „Wir wollen den zur Verfügung stehenden Platz optimal nutzen“, sagt Bank.

    Die Kapazität soll sich verdreifachen – auch dank der Digitalisierung

    Dabei helfen soll ein digitaler Zwilling des Hafens, also ein Computermodell, das über Jahrzehnte erhobene Logistikdaten nutzt, um die Abläufe effizienter zu gestalten. Blitzschnell lassen sich so Lösungen finden, die das Hafenmanagement sonst oft mühsam berechnen muss.

    Wie viel Platz benötigen 20 Gondeln oder 30 Turmsegmente? Wie müssen die Einzelteile gelagert werden, damit sie möglichst schnell und einfach verladen werden können? Wie breit müssen die Straßen und wie tief die Hafenbecken sein, um der technischen Entwicklung standzuhalten? Diese und andere Fragen sollen sich mit dem digitalen Zwilling jederzeit exakt beantworten lassen. „Auf diese Weise wollen wir die hier verschiffte Offshore-Windkapazität in drei Jahren auf 4,5 Gigawatt verdreifachen“, sagt Bank. Die zur Verfügung stehende Kapazität soll voll genutzt werden. In der Vergangenheit kam es vor, dass einzelne Projekte aus Platzmangel abgelehnt wurden, obwohl andere Kapazitäten des Hafens brachlagen. Ein Koordinierungsproblem.

    Jesper Bank, Chef der Wirtschaftsförderung in Esbjerg, erklärt die Bedeutung der Offshore-Windenergie für die Stadt.

    „Wir müssen zusätzliche Kapazitäten im Hafen erschließen“, sagt Vertriebsmanager Jesper Bank (hier auf einem Foto von 2014).

    Dass klimafreundliche Energien eine große Chance für Esbjerg sind, daran besteht für Bank kein Zweifel. Doch wie sich der Hafen darauf einstellen soll, ist in vielen Fällen noch unklar. Beispiel Wasserstoff: Zwar gibt es Planungen für Elektrolyseure, die große Mengen erneuerbaren Stroms in Wasserstoff umwandeln, der sich dann zum Beispiel speichern und in verflüssigter Form von Esbjerg aus per Schiff exportieren ließe. Doch wann es so weit ist und wie groß dieses Geschäft wird, steht in den Sternen. „Das sind sehr langfristige Projekte, auf die wir uns in den kommenden fünf bis acht Jahren einstellen werden“, sagt Bank.

    Anders sieht es bei Vorhaben aus, die Bank als Mikroprojekte bezeichnet. Er stoppt das Auto in einer abgelegenen Ecke des Hafens an einem Stahltor. Ein unauffälliges Gebäude ist zu sehen, dahinter steht ein Windrad. Aus dem grünen Strom, der hier erzeugt wird, produziert der Betreiber der Anlage Wasserstoff, der als Speichermedium genutzt werden soll, wenn es Elektrizität im Überschuss gibt. Steigen die Preise wieder, lässt er sich in einer Brennstoffzelle in Strom zurückverwandeln und verkaufen. „So ein Projekt ist schon heute wirtschaftlich“, sagt Bank. Es habe das Potenzial in kleinen Schritten zu wachsen. Es sind eben doch nicht immer Riesenschritte nötig.

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