Weltgrößte Wärmepumpe in Esbjerg

  • Search04.07.2023

Der heiße Riese

In der dänischen Hafenstadt löst die weltgrößte Wärmepumpe ein Kohlekraftwerk ab: 100.000 Menschen heizen auf einen Schlag klimafreundlich. Warum unser Nachbarland in der Wärmewende einen Vorsprung hat.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    In Esbjerg entsteht die derzeit größte Wärmepumpe der Welt. Sie zapft Nordseewasser an, um grüne Fernwärme zu liefern.

    Ab Oktober liefert die Großwärmepumpe grüne Wärme für Esbjerg – mit deutscher Technik.

     

    Von Heimo Fischer, Esbjerg

    250 Meter schraubt sich der Schlot des Steinkohlekraftwerks am Hafen von Esbjerg in die Luft, es ist der höchste in Dänemark. Seit drei Jahrzehnten versorgt der Meiler 25.000 Haushalte mit Wärme und stößt dabei 60.000 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Doch im kommenden März ist Schluss. Dann wird eine Anlage das Fernwärmenetz der Stadt auf Temperatur bringen, die sich auf den ersten Blick weit weniger imposant ausnimmt. Dabei ist auch sie ein Riese. Es ist die derzeit größte Wärmepumpe der Welt. CO2 zirkuliert darin nur als Kühlmittel für den Heizkreislauf.

    Esbjergs Bürgermeister Jesper Frost Rasmussen spricht gern über das Projekt. Wenn sein Zeitplan mal eng ist, auch vor acht Uhr morgens. Was neue Energien angeht, ist er ein Profi. Der Ingenieur hat für Bosch im Bereich Elektromobilität gearbeitet und war zehn Jahre Chef des kommunalen Energieversorgers DIN Forsyning, der die Wärmepumpe bauen lässt. Heute treibt Rasmussen das Projekt auf der anderen Seite des Schreibtischs als Bürgermeister voran.

    Streit um Wärmepumpen? In Dänemark kein Thema

    Im eigenen Land erregt er damit wenig Aufsehen. Diskussionen über den Sinn von Wärmepumpen gibt es dort im Gegensatz zu Deutschland nicht. „Wir wissen, dass wir Entscheidungen treffen müssen, um die Energieversorgung der Zukunft zu sichern“, sagt der Politiker der konservativ-liberalen Partei Venstre. Auf lokaler Ebene sei man sich sowieso darüber einig. Dass Klimaziele erreicht werden müssen, sei in Esbjerg seit Langem ausgemacht. Busse fahren elektrisch, Müllautos tanken Biokraftstoff. Die Wärmewende sei nun eine weitere wichtige Herausforderung, sagt Rasmussen.

    66 Prozent der Haushalte in Dänemark beziehen Fernwärme. Wichtigster Energieträger dabei ist Holz vor Stroh und Biomüll. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Allerdings ist der Abschied von fossilen Rohstoffen beim Heizen in Dänemark einfacher umzusetzen als in Deutschland. Denn rund zwei Drittel der Haushalte sind zum Teil schon seit Jahrzehnten an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Dadurch lassen sich Tausende Anschlüsse auf einmal von fossilen Energieträgern auf alternative Technologien umstellen – entweder nach und nach, indem der Anteil grüner Energieträger in einem Fernwärmenetz erhöht wird, oder auf einen Schlag, wenn wie in Esbjerg eine Wärmepumpe ein Kohlekraftwerk ersetzt.

    In Deutschland dagegen haben viele Wohnungen eigene Heizungssysteme, der Fernwärmeanteil liegt bei 14 Prozent. Lediglich die Stadtstaaten und der Osten erreichen Anteile von an die 30 Prozent.

    Öl- und Gasheizungen sind im Neubau seit 2013 tabu. Proteste gab es nicht

    Aber auch die Umstellung einzelner Heizanlagen scheint in Dänemark einfacher zu sein. Seit 2013 dürfen in Neubauten, die nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen sind, keine Öl- und Gasheizungen mehr installiert werden. Seit 2016 sind auch Ölheizungen in Bestandsgebäuden in der Regel nicht mehr erlaubt. Auch Erdgasheizungen sollen bald der Vergangenheit angehören. Proteste dagegen gibt es nicht.

    Die neue Groß-Wärmepumpe in Esbjerg liefert grüne Wärme für 25.000 Haushalte.

    Das Kraftwerksgelände: Vorn steht das Heizpelletlager, in der schwarzen Halle hinten läuft die Wärmepumpe, im weißen Turm daneben speichern 45.000 Kubikmeter Wasser die Energie.

    Die Technik für die neue Wärmepumpe in Esbjerg stammt allerdings nicht aus Dänemark, sondern von einem deutschen Konzern: Die Volkswagen-Tochter MAN Energy Solutions (MAN ES) liefert die aus zwei identischen Teilen bestehende Anlage. Das Projekt habe einen wegweisenden Charakter, auch für die Fernwärmegewinnung in Deutschland, teilte MAN ES mit, als das Projekt 2021 vorgestellt wurde.

    In Esbjerg führt der Weg zur Wärmepumpe über Schotterstraßen vorbei an Komponenten für Windräder, die in Reih und Glied am Kai liegen und bald verladen werden. In der Luft hängt der Geruch von Meer, Muscheln und Schiffsdiesel. Den Hafen von Esbjerg hat ursprünglich die Öl- und Gasindustrie großgemacht. In den vergangenen 15 Jahren jedoch hat sich die Stadt gewandelt und ist heute führend im Bereich der Offshore-Windenergie. Nach fünf Minuten Zickzackweg durch den immer wieder erweiterten Hafen ist die große schwarze Halle erreicht, in der Techniker mit Helmen, Warnwesten und Sicherheitsschuhen an Esbjergs Wärmewunder arbeiten.

    Hans Christian Damm Obel von DIN Forsyning erklärt die Funktionsweise der Groß-Wärmepumpe in Esbjerg.

    Labyrinth aus Rohren: Hans-Christian Damm Obel vom Versorger DIN Forsyning in der Wärmepumpe.

    Eine Wärmepumpe fürs Eigenheim ist selten größer als ein Kühlschrank. Die in Esbjerg füllt eine mehrgeschossige Halle mit der Fläche eines Fußballfelds. Hans-Christian Damm Obel, Sprecher von DIN Forsyning, führt die Treppen hinauf zur Besucherplattform. Zu sehen ist ein Labyrinth aus grünen, blauen und grauen Rohren. Hinter Baugerüsten aus Stahl steht eine Maschine, deren zylindrische Form an ein U-Boot erinnert. Das sei der Kompressor, das Herz der Anlage, erklärt Damm Obel. Faustgroße Schrauben halten sie zusammen. Aufgabe des Kompressors ist es, das Kältemittel CO2 unter hohem Druck zu verdichten.

    Um auf Temperatur zu kommen, zapft Esbjerg eine gewaltige Quelle an: das Meer

    Wärmepumpen arbeiten immer auf die gleiche Weise. Sie entziehen der Umgebung Wärme und nutzen sie zum Heizen. Manchmal erhalten sie die Wärme aus der Luft, in anderen Fällen tief aus der Erde. Die Wärmepumpe in Esbjerg nutzt das Wasser der Nordsee. Das ist zwar recht kalt, aber es reicht zum Heizen.

    Was wie Zauberei klingt, lässt sich physikalisch begründen. Einfach ausgedrückt, funktioniert es so: Pro Sekunde fließen an zwei Entnahmestellen 4000 Liter Meerwasser durch dicke Rohre in die Anlage. Riesige Wärmetauscher entziehen dem Wasser rund drei Grad Temperatur. Das abgekühlte Wasser fließt rund 700 Meter entfernt wieder in die Nordsee zurück. Die entzogene Wärme reicht, um das Fernwärmenetz auf etwa 90 Grad zu bringen.

    Wie das geht? Wärmepumpen arbeiten mit einem Trick und nutzen die Eigenschaften des zirkulierenden Kältemittels, im Fall der Esbjerger Anlage also des CO2. Beim Verdampfen nimmt es die Wärme des Wassers auf. In verschiedenen Maschinen wird es verdichtet und komprimiert. Dabei erhitzt es sich weiter. Der Effekt lässt sich mit einer Fahrradpumpe vergleichen, die ebenfalls heiß wird, wenn unter hohem Druck Luft in den Reifen gepresst wird.

    Angetrieben wird die Anlage von Elektromotoren. „Die Elektrizität kommt meist aus Windparks vor der dänischen Küste“, sagt Damm Obel. Pro Kilowattstunde Strom wird in der Anlage dreimal so viel Wärme erzeugt.

    Wärmepumpe, Müllverbrennung, Pelletofen: Esbjergs Wärme hat mehrere Quellen

    Bislang sichern die Müllverbrennung und das Kohlekraftwerk die Fernwärme von Esbjerg. Wenn das Kraftwerk stillgelegt ist, wird die Versorgung auf mehr als zwei Beinen stehen. Die Wärmepumpe übernimmt einen großen Teil davon. Sie bringt eine thermische Leistung von 70 Megawatt. In der Spitze ist aber an kalten Wintertagen viel mehr nötig. Deshalb wird die Wärmepumpe durch andere Energien ergänzt. Eine davon ist ein Holzschnitzel-Kraftwerk, das Pellets verbrennt und Wärme erzeugen kann. Der Kessel hat eine Leistung von 48 Megawatt, das entstehende Rauchgas geht aber nicht durch den Schornstein nach draußen, sondern wird von einem Brennwertkessel genutzt, der weitere zwölf Megawatt bringt.

    Wenn die Strompreise an der Börse gerade sehr hoch sind, lässt sich die Wärmepumpe herunterfahren und das Holzfeuer übernimmt einen Teil der Arbeit. In Zukunft sollen sich diese Abläufe automatisch steuern lassen.

    Esbjerg ist der wichtigste Hafen der Offshore-Windenergie in Europa. Hier werden Fundamente für die Verschiffung verladen.

    Verschiffung von Offshore-Windrädern in Esbjerg: Die Region erzeugt einen Großteil ihrer Energie aus Windparks an Land und auf See.

    Einen ähnlichen Zweck erfüllt der zur neuen Anlage gehörende Wärmespeicher – ein kreisrunder Tank gleich nebenan. Er fasst 45.000 Kubikmeter Wasser, 45 Millionen Liter. Sind die Strompreise bei geringem Verbrauch niedrig, lässt sich der Inhalt aufheizen. Steigen die Preise dann wieder, kann der Speicher für das Fernwärmenetz genutzt werden. So federt die Anlage zugleich Lastspitzen im Stromnetz ab.

    Weiterhin wird das Fernwärmenetz von einem elektrischen Kessel mit 40 Megawatt Leistung gespeist sowie von einem Heizwerk, das über zwei 50-Megawatt-Kessel verfügt, die mit Biodiesel laufen. Hinzu kommt für alle Fälle ein Erdgaskessel mit 50 Megawatt.

    Anführungszeichen

    Im Grunde wollen die Menschen nur, dass ihre Wohnungen warm sind. Wie wir das schaffen, ist unsere Sache

    Jesper Frost Rasmussen, Bürgermeister von Esbjerg

    Allein auf die neue Wärmepumpe muss sich die Bürgerschaft von Esbjerg also nicht verlassen. Sicherheit geht vor – was den Vorlieben der Dänen entspreche, sagt Bürgermeister Rasmussen. Denn im Grunde wollten die Menschen hier nur, dass ihre Wohnungen und Häuser im Winter warm sind. „Wie wir das schaffen, ist unsere Sache.“

    Go Top