Wärmepumpen

  • Search23.10.2022

„Es ist Zeit, mit den Mythen aufzuräumen“

Sie gelten oft als ineffizient und teuer. Dabei heizen Wärmepumpen selbst unsanierte Altbauten günstiger als Gaskessel, zeigt eine aktuelle Studie. Co-Autor Veit Bürger prophezeit den Durchbruch der Technologie.

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    Wärmepumpe vor einem Fachwerkhaus: Die Anlagen heizen auch unsanierte Altbauten vergleichsweise effizient.

    Luftwärmepumpe vor einem Fachwerkhaus: In der Praxis laufen die Anlagen auch in eher schlecht gedämmten Häusern effizient.

     

    Herr Bürger, seit Februar erleben wir einen Krieg, in dem Gas als Waffe eingesetzt wird. Trotzdem sind im ersten Halbjahr dreimal mehr Gasheizungen als Wärmepumpen eingebaut worden. War auch das eine Motivation für diese Studie?
    Veit Bürger: Nicht der Krieg war der Grund für diese Studie im Auftrag der Agora Energiewende und auch nicht die Absatzzahlen, die kannten wir damals noch gar nicht. Wir wollten vielmehr einen Input geben zu einem für die Wärmewende extrem wichtigen Beschluss der Bundesregierung: Ab dem 1. Januar 2024 sollen neue Heizungen mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien einsetzen. Das bedeutet einen absehbaren Boom für Wärmepumpen, der vorbereitet werden muss. Wir wollen mit dieser Studie daran erinnern, wie wichtig eine gesetzliche Regelung ist, um dem Heizungsmarkt, aber auch den Menschen Planungssicherheit zu geben.

    Sie widersprechen darin einer Reihe verbreiteter Aussagen. Wärmepumpen, hört man oft, sind nur bei hoch effizienten Häusern mit Fußbodenheizung sinnvoll. Sie sagen, zwei Drittel der Gebäude in Deutschland sind schon jetzt für Wärmepumpen geeignet, bei weiteren 30 Prozent reichen überschaubare Sanierungen. Haben Sie neue Erkenntnisse? Oder haben die Skeptiker übertrieben?
    Bürger: Wir haben lediglich komprimiert und ausgewertet, was unsere Mitautoren vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in den vergangenen Jahren an Monitoringdaten zusammengetragen haben. Diese Daten dokumentieren, wie Wärmepumpen nicht auf dem Teststand, sondern in der Realität laufen. Also in ungedämmten Altbauten, in gedämmten Häusern, mit ganz unterschiedlichen Arten von Heizkörpern. Die Auswertung zeigt: Der noch immer weitverbreitete Mythos, Wärmepumpen funktionieren nur mit einer Flächenheizung in der Wand oder im Boden, stimmt heute nicht mehr. Es ist höchste Zeit, damit aufzuräumen, denn ohne Wärmepumpen in Altbauten zu nutzen, lässt sich die 65-Prozent-Anforderung nicht umsetzen.

    Veit Bürger vom Öko-Institut hat die Effizienz von Wärmepumpen mit Erdgas-Heizungen verglichen. Ergebnis: Das Heizen mit Strom ist selbst in nicht sanierten Gebäuden günstiger als mit Erdgas.

    „Viele Installateure und Schornsteinfeger sind nicht auf der Höhe der Zeit“, sagt Veit Bürger, stellvertretender Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz beim Freiburger Öko-Institut.

    Zeigt sich in diesen Mythen ein Informationsdefizit?
    Bürger: Tatsächlich sind viele Installateure und Schornsteinfeger nicht auf der Höhe der Zeit bei Wärmepumpen. Auch bei Hauseigentümern, Wohnungsgesellschaften und sogar bei Energieberatern herrscht oft ein altes Denken vor, das früher seine Berechtigung hatte. Als ich vor 20 Jahren beim Öko-Institut anfing, waren Wärmepumpen tatsächlich ineffizient, der Strommix war verglichen mit heute viel schmutziger. Aber seither hat sich viel getan.

    Viel getan hat sich auch bei den Kosten. Angebote von weit über 50.000 Euro scheinen heute keine Seltenheit. Womit müssen Besitzer eines durchschnittlichen Einfamilienhauses beim Einbau einer Wärmepumpe grob rechnen?
    Bürger: Die derzeit hohen Preise spiegeln auch die aktuellen Knappheiten wider. Zum einen bekommen Sie unter sechs Monaten heute keine Wärmepumpe, oft dauert es ein gutes Jahr. Zum anderen brauchen Sie jemanden, der sie Ihnen einbaut, was noch einmal dauern kann. Eine enorme Nachfrage trifft auf ein derzeit kleines Angebot an Hardware und Fachleuten – die klassische Voraussetzung für hohe Marktpreise.
    Einen Richtwert kann ich hier nicht nennen, dafür sind die Gegebenheiten zu individuell und der Markt zu volatil. Aber völlig klar ist: Damit sich der Wärmemarkt schnell verändert, braucht er Planungssicherheit. Nur dann werden Hersteller, die heute auch noch Gaskessel bauen, schnell genug auf die Produktion von Wärmepumpen umstellen und nur dann werden Installateure ihre Mitarbeiter schnell genug zu entsprechenden Schulungen schicken. Alles das sind Investitionen, und damit die getätigt werden, braucht es ein eindeutiges politisches Signal. Deswegen muss die 65-Prozent-Anforderung zügig gesetzlich festgeschrieben werden.

    Wärmepumpe vs. Gaskessel: Das Heizen mit Strom ist selbst mit wenig effizienten Wärmepumpen und in nicht sanierten Häusern günstiger als das Heizen mit Erdgas. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Egal ob Neu- oder Altbau: Mit Wärmepumpen heizen Verbraucher laut der Studie von Agora Energiewende günstiger als mit Gaskesseln.

    Ihre Studie klingt beruhigend, wenn sie sagt, dass die Sanierung des Hauses in vielen Fällen auch nach dem Einbau einer Wärmepumpe geschehen kann. Bauexpertinnen wie Lamia Messari-Becker hingegen warnen, ohne vorherige Dämmung würde der massenweise Einbau von Wärmepumpen das Stromnetz an kalten Wintertagen überfordern. Wer hat recht?
    Bürger: Natürlich hat Frau Messari-Becker damit recht, dass eine Vielzahl zusätzlicher Wärmepumpen die Stromverteilnetze belastet. Das gleiche gilt übrigens auch, wenn wir verstärkt Ladesäulen für E-Autos installieren sowie beim Zubau von PV-Anlagen auf unseren Dächern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dazu Leitungen verstärkt und Transformatoren ausgetauscht werden müssen.
    Aber in diesen anstehenden Netzinvestitionen ein Argument gegen den Einbau von Wärmepumpen zu sehen, halte ich für falsch. Denn was ist die Alternative? Wenn ein Haus sich nicht für den Fernwärmeanschluss eignet, weil in der Nähe kein Wärmenetz vorhanden ist, wenn ich mich gleichzeitig gegen Wärme aus Biomasse entscheide, weil wir gar nicht genug Holz für einen breiten Einsatz haben, dann bleibt nichts anderes als eine Wärmepumpe.

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    Es ist ein weiterer Mythos, dass eine Wärmepumpe in Altbauten bei sehr kalten Außentemperaturen automatisch zu einer reinen Stromheizung wird. Das stimmt nicht

    Veit Bürger

    Private Häuser in Deutschland sind im Durchschnitt gut 25 Jahre alt. Ihre energetische Sanierung hinkt chronisch hinterher. An wie vielen Tagen im Jahr wäre eine Wärmepumpe für einen durchschnittlichen Altbau eine reine Stromheizung?
    Bürger: Es ist ein weiterer Mythos, dass eine Wärmepumpe in Altbauten bei sehr kalten Außentemperaturen automatisch zu einer reinen Stromheizung wird. Das stimmt nicht. Die Monitoringdaten zeigen, dass auch bei wenig gedämmten Gebäuden der Heizstab nur sehr selten oder sogar überhaupt nicht läuft. Moderne Wärmepumpen im Bestand erreichen demnach bei der wichtigsten Kenngröße, der Jahresarbeitszeit, die eingesetzten Strom und erzeugte Wärme ins Verhältnis setzt, in Abhängigkeit vom Wärmepumpentyp – Luft-Wasser oder Sole-Wasser – durchschnittliche Werte von 3,3 bis 4,1. Bei diesen Werten ist der Heizstab berücksichtigt. Das sind also immer noch sehr effiziente Heizsysteme – auch wenn vielleicht an drei Tagen im Jahr der Heizstab läuft.

    Die Jahresarbeitszahl (JAZ)

    Bedeutung

    Die Jahresarbeitszahl (JAZ) ist ein Indikator für die Effizienz einer Wärmepumpe im realen Betrieb. Sie beschreibt das Verhältnis der erzeugten Heizungswärme zur eingesetzten Energie (Strom) und ist ein Mittelwert über die Dauer eines Jahres.

    Beispiel

    Eine Jahresarbeitszahl von drei bedeutet, dass die Wärmepumpe mit einer Kilowattstunde elektrischer Energie im Jahresdurchschnitt drei Kilowattstunden Wärme bereitstellt.

    Im vergangenen Jahr sind in Deutschland 154.000 Wärmepumpen installiert worden. Ab 2024 sollen es laut Bundesregierung 500.000 pro Jahr sein. Auch damit bräuchte man allein für die 16 Millionen Einfamilienhäuser gut 30 Jahre.
    Bürger: Die größte Herausforderung ist jetzt, einen schnellen Markthochlauf zu organisieren: von vermutlich 200.000 Wärmepumpen in diesem, auf die halbe Millionen im übernächsten Jahr. Bei der Herstellung ist das auch realistisch. Die meisten Hersteller investieren enorm in neue Werke, in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Der Flaschenhals ist eher die Installation. Das liegt zum einen an fehlenden Fachkräften. Die Zahl der Betriebe schrumpft, Firmen haben Nachwuchsprobleme. Zum anderen liegt der Aufwand für den Einbau einer Wärmepumpe in einem Bestandshaus um ein Vielfaches höher. Einen alten Gaskessel durch einen neuen zu ersetzen, dauert einen Tag. Eine Gas- oder Ölheizung durch eine Wärmepumpe zu ersetzen, dauert im Schnitt etwa vier Tage. In einem Markt mit schon jetzt fehlenden Fachkräften ist das ein Problem. Andererseits wäre das Ziel von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr schon erreicht, wenn jeder Betrieb im Schnitt zehn Wärmepumpen im Jahr installiert. Eigentlich eine zu bewältigende Zahl.

    Kanzler Olaf Scholz schraubt eine Wärmepumpe von Viessmann bei einem Werksbesuch zusammen: Wärmepumpen sind einer Studie zufolge auch für mäßig gut sanierte Altbauten geeignet.

    Olaf Scholz im Werk des Wärmepumpenbauers Viessmann in Hessen: Nach Plänen der Ampel müssen neu eingebaute Heizungen ab 2024 zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen.

    Aber diese Zahl muss wachsen. Wie soll das gehen?
    Bürger: Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, wie in vielen anderen Bereichen, in denen Fachkräfte fehlen. Ein weiterer Hebel läge darin, die Installationsgeschwindigkeit zu erhöhen, also den Zeitbedarf zu verkürzen, den die Installation einer Wärmepumpe benötigt. Wenn Sie heute ein Ausbildungszentrum für Wärmepumpen besuchen, dann geht es dort hauptsächlich um die Qualität der Installation. Künftig muss es aber auch um Geschwindigkeit gehen, also die gezielte Ausbildung, Wärmepumpen schneller zu installieren. Da hilft die Zeit: Die zweihundertste Wärmepumpe ist schneller installiert als die zweite. Aber auch der Vorfertigungsgrad steigt. Viele Hersteller achten verstärkt darauf, Wärmepumpen zu bauen, die schneller eingebaut werden können.

    Im europäischen Vergleich liegt Deutschland beim Einbau von Wärmepumpen um ein Vielfaches zurück. Was machen Länder wie Schweden und sogar ein Gasland wie die Niederlande besser?
    Bürger: Schweden hat bereits vor vielen Jahren mit einem hohen CO2-Preis dafür gesorgt, dass sich viele Haushalte für eine Wärmepumpe entschieden haben. Gar nicht mal, weil die Schweden so große Klimaschützer sind, sondern weil eine Gas- oder Ölheizung durch den CO2-Preis schon lange viel teurer ist als bei uns. Die Niederlande haben einen gesetzlichen Weg gewählt und aus Klimaschutzgründen, aber auch wegen der Beben in ihren Erdgasfördergebieten quasi eine Pflicht zur Wärmepumpe beschlossen. Konkret hat die Regierung dort angekündigt, dass ab 2026 beim Austausch eines Gaskessels die Installation einer vollelektrischen oder Hybrid-Wärmepumpe verpflichtend wird, sofern das Gebäude nicht an ein Wärmenetz oder eine andere Alternative zu Erdgas angeschlossen werden kann.

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    Bei Problemfeldern wie Gasetagenheizungen, für die es heute noch keine Lösung gibt, muss es Ausnahmeregelungen geben, aber die sollten so kurzgefasst werden, dass Druck für technische Lösungen entsteht

    Veit Bürger

    Ihre Studie warnt wiederholt davor, dass heute noch verbaute Öl- und Gasheizungen Herstellerkapazitäten blockieren und Eigentümer sie womöglich weit kürzer betreiben können, als technisch möglich, sie also zu stranded assets werden können. Trotzdem sucht man in den politischen Empfehlungen der Studie ein vorgezogenes Einbauverbot für Öl- und Gaskessel vergeblich.
    Bürger: Die 65-Prozent-Anforderung ab Januar 2024 ist im Grunde ein Einbauverbot für Öl- und Gasheizungen durch die Hintertür. Jedenfalls wenn dabei Ausnahmen streng gehandhabt werden. Bei Problemfeldern wie Gasetagenheizungen, für die es heute noch keine Lösung gibt, muss es Ausnahmeregelungen geben, aber die sollten so kurzgefasst werden, dass Druck für technische Lösungen entsteht. Zentral ist, dass unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit nicht falsche Lösungen wie etwa Wasserstoff anerkannt werden. Wer sich jetzt eine wasserstoffkompatible Gastherme kaufen will, der würde sich in einen technologischen Lock-in begeben, obwohl es höchst fraglich ist, dass es grünen Wasserstoff jemals in ausreichenden Mengen und zu günstigen Preisen geben wird. Solche synthetischen Gase sollten aus meiner Sicht heute noch klar ausgeschlossen werden, schon um Verbraucher vor Fehlinvestitionen zu schützen.

    Bohrung für eine Erdwämesonde im Garten eines Hauses: Wärmepumpen können Energie aus der Außenluft, aus dem Grundwasser oder aus dem Untergrund ziehen.

    Bohrung für eine Erdwämesonde im Garten eines Hauses: Wärmepumpen können Energie aus der Außenluft, aus dem Grundwasser oder aus dem Untergrund ziehen.

    Der Gebäudesektor hat 2021 im zweiten Jahr in Folge sein Klimaziel verfehlt. Können Wärmepumpen das 2022 verhindern?
    Bürger: Wenn in diesem Jahr grob 200.000 Wärmepumpen installiert werden, dann spart das CO2, aber es wird nur ein kleiner Teil dessen sein, was nötig ist. Wenn aber bis zum Jahr 2030 die angestrebten sechs Millionen Wärmepumpen laufen, dann wird das einen sehr spürbaren Beitrag zum Klimaziel im Gebäudesektor leisten. Es ändert aber nichts daran, dass in der Gebäudesanierung noch sehr viel zu tun ist und auch der Fernwärmeausbau vorankommen muss.

    Neben den sechs Millionen Wärmepumpen, sollen im Jahr 2030 auch mindestens 15 Millionen Elektroautos fahren. Und der Anteil der Erneuerbaren an diesem wachsenden Strombedarf soll bei 80 Prozent liegen. Für wie realistisch halten sie eine derart beschleunigte Energiewende?
    Bürger: Mein Eindruck ist, dass die aktuelle Bundesregierung im Klimaschutz nicht wie frühere nur über Ziele spricht, sondern auch über die Maßnahmen, durch die diese Ziele erreicht werden können. Nehmen wir nur mal den Wärmesektor. Da wurden sehr konkrete Instrumente eingebracht, etwa die 65-Prozent-Anforderung, die kommunale Wärmeplanung und Mindestenergieeffizienzstandards für Gebäude. Was sich davon gesellschaftlich umsetzen lässt, werden wir sehen, aber bei der Strom- und der Wärmewende – anders als bei der Verkehrswende – bereitet die Bundesregierung viel vor. Und das stimmt mich erst mal hoffnungsfroh.

    Die Fragen stellte Gregor Kessler.

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