Dachdecker inspizieren einen Altbau: Schon mit vergleichsweise geringem Aufwand lässt sich die Klimabilanz stark verbessern.
Alexander Rudolphi ist Mitgründer, Präsidiumsmitglied und Ex-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit ökologischen Bauverfahren und der Sanierung des Gebäudebestands. Anfangs habe man ihn deshalb einen „Ökospinner“ genannt. Seit dem Pariser Klimagipfel von 2015 werde das Thema in den Medien jedoch intensiver diskutiert. Die breite Masse habe es allerdings erst durch den russischen Überfall auf die Ukraine erreicht: Plötzlich interessiere sich jeder dafür, wie viel Energie seine Wohnung verbraucht – und wie sich der Verbrauch drosseln lässt.
Herr Rudolphi, der Gebäudesektor war 2021 neben dem Verkehr der einzige, der die vorgegebenen Klimaziele verfehlt hat. Und das, obwohl Neubauten immer weniger CO2 verursachen. Woran liegt das?
Alexander Rudolphi: Das hat eine ganze Reihe von Ursachen. Die vielleicht wichtigste: Auf Neubauten kommt es im Klimaschutz gar nicht so sehr an. Ein nach heutigen Standards gebautes Haus verbraucht vielleicht 50 oder 60 Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter und Jahr. Der Unterschied zu einem Nullenergiehaus ist also nicht wirklich groß. Der eigentliche Hebel liegt im Gebäudebestand – in den ca. zehn Millionen Wohnungen in Vorkriegsbauten, aber vor allem auch in den etwa 17 Millionen schlecht oder gar nicht gedämmten Wohnungen der Fünfziger- bis Siebzigerjahre – also vor der ersten Wärmeschutzverordnung. Da müssen wir ran, wenn wir etwas für das Klima tun wollen. Ein weiterer Grund liegt im sogenannten Rebound-Effekt: Dämmtechnisch haben sich die Neubauten in den letzten 20 Jahren um ca. 18 Prozent bezogen auf den Quadratmeter verbessert. In der gleichen Zeit ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf um ca. 18 Prozent auf fast 50 Quadratmeter gestiegen. Aus diesem Grund sind Anforderungen der Suffizienz wie flächensparendes Bauen heute so wichtig.