Offshore-Wind-Ausschreibung

  • Search15.08.2024

Auktion im Windschatten

Weniger Bieter, niedrigere Gebote: Bei der jüngsten Offshore-Wind-Auktion nimmt der Bund deutlich weniger ein als zuletzt. Energieexperte Dominik Hübler ordnet die Ergebnisse ein – und erklärt, was man am Verfahren ändern könnte.

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    Dominik Hübler (Nera) ist Experte für die Offshore-Wind-Ausschreibungssystem weltweit. Im Interview mit EnergieWinde erklärt er die Risiken, die sich aus dem deutschen System ergeben.

     

    Dominik Hübler analysiert für die internationale Energieberatungsagentur Nera Economic Consulting die Auktionsverfahren für Offshore-Windparks weltweit und berät die Branche. Im Interview ordnet er die Ergebnisse der deutschen Ausschreibung vom August dieses Jahres ein. Dabei gingen zwei Flächen an den Energiekonzern RWE und eine an die Investmentgesellschaft Luxcara. Im Gegensatz zu vorangegangenen Auktionen war das Interesse diesmal mit nur fünf Bietern gering.

    Herr Hübler, wenn zuletzt Flächen für Offshore-Windparks versteigert wurden, gingen die Gebote stets in die Milliarden. Diesmal ist die Gesamtsumme nicht bekannt, aber man weiß, dass RWE für zwei Flächen mit 250 Millionen Euro deutlich weniger zahlt. Woran liegt das?
    Dominik Hübler: Die aktuellen Flächen sind weniger attraktiv. Auf ihnen lässt sich nicht so viel Strom erzeugen wie auf anderen, die zuletzt unter den Hammer kamen. Der Grund dafür sind die Abschattungseffekte: Weil das deutsche Seegebiet vergleichsweise klein ist, die deutschen Ausbauziele aber besonders hoch sind, müssen die Windenergieanlagen in einem relativ engen Abstand zueinander gebaut werden. Das führt dazu, dass sie sich gegenseitig den Wind nehmen. Das verringert die Stromausbeute und damit auch die potenziellen Erträge.

    Um welche Größenordnung geht es da?
    Hübler: Nach Zahlen des BSH sind es pro Jahr 500 bis 750 Stunden mit voller Auslastung weniger als bei den Flächen, die im Juni versteigert wurden. Wenn man das in Relation setzt zu einer Fläche, für die EnBW im Juni eine Milliarde Euro aufgerufen hat, lässt sich die Differenz in etwa erklären.

    Es gab diesmal aber nicht nur niedrigere Gebote, auch die Zahl der Bieter, die überhaupt zur Auktion antraten, war kleiner.
    Hübler: Es scheint so zu sein, dass viele potenzielle Teilnehmer die Mühe des qualitativen Ausschreibungsverfahrens gescheut haben, das diesmal zur Anwendung kam. Dabei werden Kriterien wie die Ausbildungsplatzquote beim Bieter bewertet. Offenbar ist es aber für internationale Ölunternehmen nicht übermäßig attraktiv, den Nachweis zu erbringen, wie viele Leute auf ihren Plattformen in Indonesien Lehrlinge sind. Die qualitativen Kriterien bedeuteten viel Aufwand, die Flächen waren aber eher unattraktiv: Angesichts dieser Konstellation dürfte der eine oder andere abgesprungen sein.

    Dabei sind Sie doch grundsätzlich ein Fan von qualitativen Kriterien.
    Hübler: Ja – wenn sie gut gemacht sind. Nicht wenn es darum geht, Arbeitsverträge durchzuzählen oder Kriterien gerecht zu werden, die im Zweifel auch die Wettbewerber erfüllen, sodass sie wenig echte Unterscheidungsmöglichkeiten bieten.

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    Die deutschen Kriterien sind sehr rückwärtsgewandt. Und den Ausschlag geben sie ohnehin nicht – wichtiger ist, wie viel die Bieter zu zahlen bereit sind

    Dominik Hübler

    Wie könnte man es stattdessen machen?
    Hübler: Man sollte sich mal das holländische System anschauen. Auch dort bedeuten die qualitativen Kriterien einen hohen Aufwand, allerdings haben die Bieter auch etwas davon. Die Holländer honorieren in ihren Ausschreibungen nämlich innovative Verfahren bei der Realisierung der Offshore-Windparks, beispielsweise Baumethoden, die Flora und Fauna im Meer schützen, oder Verfahren zur besseren Integration der Windparks ins Stromnetz. Die deutschen Kriterien sind dagegen sehr rückwärtsgewandt. Und den Ausschlag geben sie ohnehin nicht – wichtiger ist, wie viel die Bieter zu zahlen bereit sind.

    Das heißt, man könnte die qualitativen Kriterien genauso gut weglassen, weil sie ohnehin nichts bringen?
    Hübler: Schlimmer noch: So, wie sie bislang gestaltet sind, schaden sie dem Ganzen eher, weil sie Bieter abschrecken.

    Alle deutschen Offshore-Windparks mit Name, Leistung und Jahr der Inebtriebnahme im Überblick. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Sie haben kürzlich an einer Studie für Agora Energiewende mitgewirkt, die den Ausbau der Offshore-Windenergie analysiert und mögliche Risiken aufzeigt. Welche sind das?
    Hübler: Ein zentrales Risiko ist, dass ein siegreicher Bieter seinen Windpark am Ende gar nicht baut. Der Grund dafür liegt im deutschen Ausschreibungssystem: Nur zehn Prozent der Gebotssumme werden gleich zu Anfang fällig, die übrigen 90 Prozent erst in der Betriebsphase der Parks. Wenn ein Bieter beispielsweise zu dem Schluss kommt, dass sich die Rahmenbedingungen so verändert haben, dass sich der Bau eines Parks nicht mehr lohnt, kann er sich den Großteil der Gebotssumme also sparen. Die Pönale, also die Vertragsstrafe, die bei einem Abbruch gezahlt werden muss, war in der jüngsten Auktion zwar deutlich höher als zuletzt, könnte aber im Vergleich zu einem womöglich wenig rentablen Betrieb das kleinere Übel sein. Das führt zu einem Verhalten, dass wir optionsbasiertes Bieten genannt haben.

    Optionsbasiert?
    Hübler: Die Bieter sehen ihren Zuschlag nicht zwangsläufig als Bauauftrag, sondern eher als Option. Wenn es schiefläuft, haben sie die Chance, relativ günstig abzubrechen.

    Wäre es besser, wenn die Bieter einen höheren Teil der Gebotssumme gleich zu Anfang zahlen müssten?
    Hübler: Das hängt davon ab, was man erreichen will. Wenn mehr Geld schon fällig wird, bevor der Windpark Erträge liefert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich gebaut wird, weil es mehr zu verlieren gibt. Zugleich verteuert es die Finanzierungskosten, sodass die Zahlungsbereitschaft in den Auktionen und damit die Einnahmen für den Staat tendenziell sinken werden. Es ist eine Abwägung zwischen Sicherheit und Einnahmenmaximierung – und aktuell scheint der deutsche Staat eher an hohen Einnahmen interessiert zu sein.

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    Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass Betreiber ihre Projekte abbrechen, desto geringer ist die Bereitschaft von Zulieferern, zum Beispiel in den Bau einer Turbinenfabrik zu investieren

    Dominik Hübler

    Worin sehen Sie weitere Risiken für den Offshore-Wind-Ausbau?
    Hübler: Ein anderes großes Problem, das allerdings nicht allein Deutschland, sondern ganz Europa betrifft, ist die Lieferkette. Im Moment haben wir mehr Projekte als die Lieferkette leisten kann. Wir brauchen also größere Fertigungskapazitäten. Das bringt uns aber direkt zurück zum Punkt von eben: Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass Betreiber ihre Projekte abbrechen, desto geringer ist die Bereitschaft von Zulieferern, zum Beispiel in den Bau einer Turbinenfabrik zu investieren. Auch deshalb gibt es die Diskussion, ob man einen Teil der Auktionserlöse nutzen sollte, um die Lieferkette zu stärken. Interessant ist dabei auch ein Modell, das die Briten derzeit diskutieren.

    Nämlich?
    Hübler: Dort überlegt man, vor die eigentliche Auktion eine Vor-Auktion zu setzen, in der Bieter belohnt werden, die besonders kurze, CO2-arme, grüne Lieferketten sicherstellen. Diese Bieter erhalten eine gewisse Fördersumme, mit der sie dann in der nächsten Runde antreten können, wenn es um den eigentlichen Windpark geht, ohne dass sie Nachteile aus den Mehrkosten haben, weil sie lokale Zulieferer einsetzen.

    Bauteile für einen Offshore-Windpark warten in einem niederländischen Hafen auf die Verschiffung zum Bauplatz in der deutschen Nordsee.

    Bauteile für Offshore-Windparks: „Im Moment haben wir mehr Projekte als die Lieferkette leisten kann“, sagt Dominik Hübler.

    Auch die EU will mit dem Wind Power Action Plan und dem Net Zero Industry Act die europäische Windindustrie stärken. Was bedeuten die Vorgaben aus Brüssel für das deutsche Auktionssystem?
    Hübler: Die Vorgaben lassen einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung in nationales Recht. Es müssen beispielsweise 30 Prozent aller Ausschreibungen für erneuerbare Technologien mit qualitativen Kriterien versehen werden. Welche Technologien die Länder dafür auswählen, bleibt ihnen überlassen. Im Ergebnis werden wir einen Flickenteppich sehen. Aus Sicht der Länder ist das sinnvoll, weil sie unterschiedliche Schwerpunkte haben, die ihnen wichtig sind. Für die Zulieferer ist es aber natürlich schwierig, weil sie sich auf viele unterschiedliche Systeme einstellen müssen. Die Betreiber wiederum können sich gezielt die Länder suchen, deren Modell zu ihren eigenen Stärken passt.

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    Statt die in Deutschland geplanten 70 Gigawatt komplett in der deutschen See zu bauen, könnte man einen Teil davon in dänischen oder polnischen Meeresgebieten umsetzen

    Dominik Hübler

    Wäre es nicht insgesamt sinnvoller, wenn die EU-Länder ihre Systeme enger aufeinander abstimmen und kooperieren würden?
    Hübler: In einigen Bereichen hätte das sicherlich Vorteile. Ein Beispiel sind die eingangs erwähnten Abschattungseffekte. Statt die in Deutschland geplanten 70 Gigawatt komplett in der deutschen See zu bauen, könnte man auch einen Teil davon in dänischen oder polnischen Meeresgebieten umsetzen, auf denen deutlich mehr Platz ist. Die Stromausbeute wäre höher, die Strompreise in Europa würden tendenziell sinken. Die Parks könnten trotzdem direkt per Kabel ans deutsche Netz angebunden werden, oder auch über das dänische Festland.

    Was hätten Dänemark und Polen davon?
    Hübler: Die Gastgeberländer würden natürlich die Pachtgebühr für den Meeresboden kassieren, auf dem die Parks stehen.

    Die Frage stellte Volker Kühn.

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