Offshore-Wind-Auktion

  • Search27.06.2024

Die Drei-Milliarden-Euro-Frage

Mit der Versteigerung von Offshore-Wind-Flächen erlöst der Bund erneut gewaltige Summen – sofern die Parks denn tatsächlich kommen. Was bedeutet das für den Ausbau der Windkraft auf See? Eine Einordnung.

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    Offshore-Windpark in der Nordsee: EnBW und Total zahlen zusammen rund 3,1 Milliarden Euro für die von der Bundesnetzagentur ausgeschriebenen Flächen.

    TotalEnergies und EnBW haben für drei Milliarden Euro zwei Flächen zum Bau von Offshore-Windrädern in der Nordsee ersteigert.

     

    Von Volker Kühn

    Schwergewichtsboxen ist nichts gegen das Verfahren, nach dem die Bundesnetzagentur Flächen für Windparks auf See versteigert. Während es beim Boxen über höchstens zwölf Runden geht, standen sich die Kontrahenten in der jüngsten Offshore-Wind-Auktion in bis zu 55 Runden gegenüber. Wobei das Publikum nichts von dem Spektakel hatte: Geboxt wurde hinter verschlossenen Türen. Wann einzelne Bieter Wirkungstreffer setzten und wann andere das Handtuch warfen, blieb – mit einer Ausnahme – im Verborgenen.

    Nur die Gewinner der beiden Meeresgebiete rund 120 Kilometer nordwestlich von Helgoland wurden am Ende präsentiert:

    • Die Fläche N-12.3 ging für etwas mehr als eine Milliarde Euro an EnBW. Dort sollen Windräder mit einer Kapazität von zusammen einem Gigawatt ans Netz gehen.
    • Die Fläche N-11.2 mit 1,5 Gigawatt sicherte sich ein Konsortium aus TotalEnergies und RWE für knapp zwei Milliarden Euro – wobei der deutsche Konzern unmittelbar nach der Bekanntgabe der Gewinner ausstieg und die Fläche den Franzosen allein überließ. Die Gebotshöhen seien „nicht mit unseren Kriterien für wirtschaftliche Investitionen vereinbar“, begründete RWE den Schritt.

    Dabei lagen die Gebote deutlich unter denen der Rekordauktion vom Juni 2023. Dass sich die Versteigerung dennoch über ähnlich viele Runden wie damals hinzog, lag an einer Änderung der Auktionsregeln, auf die der Energieexperte Dominik Hübler hinwies: Sobald nur noch zwei Bieter im Ring standen, mussten sie ihr Gebot von Runde zu Runde um „nur“ 15.000 Euro je ausgeschriebenem Megawatt erhöhen, statt zuvor um 30.000 Euro. „Das könnte man dann Mittelgewichtsboxen nennen“, sagte Hübler am Mittwoch in einer Online-Analyse des Branchenverbands BWO, in der er die Boxmetapher prägte.

    Die Übersicht zeigt die Ergebnisse der Versteigerung von Flächen für Offshore-Windparks in Deutschland im Juni 2023 und im Juni 2024. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Doch ganz gleich, wie man die Gewichtsklasse bewertet: Fest steht, dass der Bund erneut erkleckliche Summen mit der Offshore-Wind-Auktion einnimmt. Das Geld soll vor allem in die Senkung der Stromkosten fließen. Ein kleinerer Teil ist für den Meeresnaturschutz und die Förderung der umweltschonenden Fischerei reserviert. Wobei die Auktionserlöse angesichts knapper Kassen auch in anderen Bereichen Begehrlichkeiten auslösen, wie sich gezeigt hat, etwa zur Subventionierung des Agrardiesels.

    Sind die hohen Gebote ein Beleg für den Erfolg der Auktion? Das ist umstritten

    Über die Bewertung der Ausschreibungsergebnisse gehen die Meinungen auseinander. Für Klaus Müller, den Präsidenten der Bundesnetzagentur, belegen die Milliardengebote die Attraktivität des deutschen Offshore-Windmarkts. Darauf weist auch die hohe Zahl der Bieter hin, die in beiden Auktionen an den Start gingen. Im einen Fall waren es sieben, im anderen neun Bieter und damit jeweils mehr als bei Auktionen in Norwegen, Estland und den Niederlanden in diesem Jahr. Auch Hübler wies in seiner Analyse auf den attraktiven deutschen Markt mit seiner starken Industrie, der guten Infrastruktur und der hohen Nachfrage nach Grünstrom hin.

    Allerdings stieg zumindest bei einer der beiden versteigerten Flächen eine ganze Reihe von Bietern vergleichsweise früh aus dem Verfahren aus, wie Hüblers Analyse zeigt. Auf der Fläche N-12.3 standen sich über 39 Ausschreibungsrunden nur zwei Teilnehmer gegenüber, die sich gegenseitig hochboten. Alle anderen hatten längst das Handtuch geworfen. Offenkundig löste die Höhe der Gebote nicht nur bei RWE Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Projekte aus.

    Dominik Hübler ist Direktor des Beratungsunternehmens Nera Economic Consulting. Das Ergebnis der Offshore-Windauktion bezeichnet er als „Blutbad“.

    Dominik Hübler analysiert für die internationale Energieberatung Nera die Auktionsmodelle weltweit und berät die Branche.

    Entsprechend fiel nicht zum ersten Mal die Kritik von Vertretern der Offshore-Windindustrie aus. Da die Höhe der Gebote im deutschen Auktionsdesign nicht gedeckelt ist, seien kapitalstarke Konzerne etwa aus der Öl- und Gasbranche im Vorteil. Auch die Zahl der Flächen, die ein einzelner Bieter gewinnen kann, ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern nicht begrenzt. Kritiker sehen darin die Gefahr, dass sich ein Oligopol herausbildet, in dem sich wenige Unternehmen den Markt aufteilen.

    Eine Befürchtung, die Energieexperte Hübler nur bedingt teilt: Europaweit gebe es noch eine große Akteursvielfalt in der Offshore-Windenergie.

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    Wenn es allein darum geht, so viel Geld wie möglich aus den Offshore-Wind-Auktionen herauszukitzeln, ist das jetzige System fantastisch

    Dominik Hübler

    Dennoch äußerte Hübler Verständnis für die Kritik: „Wenn es allein darum geht, so viel Geld wie möglich aus den Offshore-Wind-Auktionen herauszukitzeln, ist das jetzige System fantastisch“, sagte er und verwies auf den energiepolitischen Sprecher der FDP, Michael Kruse, der sich in der Vergangenheit entsprechend geäußert habe. Allerdings müsse man abwägen, ob das System auch das beste sei, um die klimapolitischen Ziele Deutschlands zu erreichen.

    Die Bieter müssen die Kosten refinanzieren – etwa über höhere Strompreise

    Kritik am Auktionsverfahren kommt unter anderem vom Herstellerverband VDMA Power Systems. Er warnt vor einem wachsenden Druck auf die Wertschöpfungskette, wenn die Betreiber der Parks die hohen Gebotskosten an ihre Zulieferer durchreichen. Zudem stiegen die Produktionskosten der Betreiber, was den Windstrom unnötig verteuere. „Das Ausschreibungsdesign darf die Kosten der Offshore-Windenergieprojekte nicht unnötig erhöhen – es muss auf wirtschaftliche Projektrealisierung anstelle von staatlicher Gewinnmaximierung ausgerichtet werden“, erklärte Gerd Krieger, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands.

    Ähnlich äußert sich BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm. Er warnt zudem vor der Gefahr, dass die Parks nicht wie geplant gebaut werden: „Wenn Risiken aufseiten der Bieter maximiert werden und unvorhergesehene Dinge passieren, kann das dazu führen, dass Projekte nicht realisiert werden“, sagte Thimm.

    Unterstützung erhielt die Branche jüngst aus der SPD-Bundestagsfraktion. Sie macht sich in einem Positionspapier für eine Reform des Auktionsdesigns stark, in der nicht mehr allein der Preis über den Ausgang entscheidet. Vielmehr sollten sogenannte qualitative Kriterien stärker gewichtet werden. Belohnt würden dann etwa besonders umweltschonende Verfahren zum Bau der Parks oder technologische Innovationen. „Es muss klar sein: Wer über die begehrten Flächen in der Nordsee verfügen will, soll einen Beitrag leisten zur ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Nachhaltigkeit“, erklärte der SPD-Abgeordnete Bengt Bergt.

    In Deutschland zählt der Preis. Die Niederlande haben andere Kriterien

    Teure Bieterschlachten sieht auch die EU kritisch, die den Rahmen für die Windenergie mit einem Aktionsplan jüngst neu abgesteckt hat.

    Als Vorbild gilt vielen in der Branche das niederländische Auktionsmodell. In der jüngsten Versteigerung zahlten die siegreichen Bieter dort deutlich weniger als in Deutschland. Gleichzeitig verpflichteten sie sich aber, die Meeresumwelt aufzuwerten und technologische Innovationen wie etwa schwimmende Solaranlagen in den Parks einzusetzen.

    Es ist ein Verfahren, das man als einen Mix aus Mittelgewichtsboxen und Erfinderwettbewerb bezeichnen könnte.

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