Offshore-Wind in der EU

  • Search14.03.2024

„Es bricht eine Welle der Regulierung über uns herein“

Mit dem Windenergie-Aktionsplan will die EU den Offshore-Ausbau vorantreiben. Teure Bieterschlachten wie 2023 hält sie für riskant. Was die Vorgaben für Deutschland bedeuten, hat die Kanzlei Chatham Partners analysiert.

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    Die EU forciert den Ausbau der Offshore-Windenergie. In ihrem Aktionsplan macht sie eine Reihe von Vorgaben, an die das deutsche Recht angepasst werden muss.

    Die EU forciert den Ausbau der Offshore-Windenergie. Deutschland muss die Brüsseler Vorgaben in nationales Recht umsetzen.

     

    Von Volker Kühn

    Wer in Deutschland Offshore-Windparks bauen will, muss viel Geld mitbringen. Der Staat vergibt die Bauflächen auf See nach einem Verfahren, bei dem in der Regel derjenige den Zuschlag erhält, der die höchste Summe zahlt. 2023 kamen so gut 13 Milliarden Euro zusammen – ein derart hoher Betrag, dass in der Branche von einem „Blutbad“ die Rede war.

    In Zeiten knapper Kassen dürfte dem Staat der Geldregen gelegen kommen. Der Industrie hingegen bereitet das Verfahren Bauchschmerzen. Es verteuere den Strom unnötig, weil die Windparkbetreiber die Summen über den Strompreis wieder einspielen müssten, heißt es. Auch die Zulieferer litten unter dem Kostendruck. Letztlich sei der Offshore-Wind-Ausbau insgesamt gefährdet.

    Mit Spannung blickt die Branche daher derzeit nach Brüssel, wo der Rahmen für die Offshore-Windenergie in den Mitgliedsstaaten neu gesteckt wird. „Es bricht eine Welle der europäischen Regulierung über uns herein“, sagt Felix Fischer von der Energierechtskanzlei Chatham Partners.

    Er und seine Kollegen haben sich angeschaut, was die EU-Pläne für Deutschland bedeuten. Oder besser gesagt: was sie bedeuten könnten. Denn die EU lässt den Mitgliedsstaaten einigen Freiraum, wie sie die Schritte in nationales Recht umsetzen, die Brüssel im Rahmen des European Green Deal beschlossen hat. Manches in den Vorgaben wie der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED III oder dem Windkraft-Aktionsplan ist zudem Interpretationssache, wie in einer Diskussionsrunde von Chatham Partners und dem Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO) am Donnerstag deutlich wurde.

    Der Windenergie-Aktionsplan der EU von 2023

    Ziel des im Herbst beschlossenen Aktionsplans ist es, den Ausbau der Windenergie in Europa deutlich zu beschleunigen. Hürden, die dem im Weg stehen, sollen beseitigt werden. Dazu zählen etwa gestörte Lieferketten und die Abhängigkeit von Rohstoffen aus Drittstaaten.

    Mit dem Aktionsplan hat die EU aber auch Hürden im Visier, die aus den Offshore-Wind-Vergabeverfahren der Mitgliedsstaaten resultieren. Ein Problem scheint Brüssel insbesondere in den hohen Kosten zu sehen, die auf Windparkbetreiber bei den deutschen Versteigerungen zukommen können. „Man könnte den Eindruck bekommen, es geht ein mahnender Finger in Richtung Deutschland, wenn man sich die Auktionsergebnisse des letzten Jahres anschaut“, sagt Thomas Hinrichsen von Chatham Partners.

    Offshore-Wind-Auktionen

    Zweiteiliges Verfahren

    Das Wind-auf-See-Gesetz (WindSeeG) unterscheidet bei der Versteigerung von Flächen für Offshore-Windparks zwischen bereits erkundeten und noch nicht untersuchten Flächen. Sie werden separat vergeben.

    Nicht voruntersuchte Flächen

    In Meeresgebieten, die noch nicht auf ihre Tauglichkeit für den Bau von Windparks untersucht wurden, nennen die Bieter zunächst einen Mindestpreis, zu dem sie ihren Strom verkaufen würden. Verzichten mehrere Bieter auf einen solchen Mindestpreis („Null-Cent-Gebote“), folgt ein „dynamisches Gebotsverfahren“: In festgelegten Preisstufen legen die Teilnehmer Geld auf den Tisch, bis nur noch einer übrig ist.

    Voruntersuchte Flächen

    Auch auf bereits vom Staat voruntersuchten Flächen geht es in erster Linie ums Geld: Die Bieter müssen eine Summe aufrufen, die sie für den Bau ihres Windparks zu zahlen bereit sind, oft ist von einem „Eintrittsgeld“ die Rede. Das Höchstgebot wird mit 60 Punkten bewertet. Weitere 35 Punkte entfallen daneben auf vier weitere Kriterien, in denen es um die Kapazität eines Parks geht, um umweltverträgliche Bauverfahren, den CO2-Fußabdruck beim Bau und den Ausbildungsquotienten der Betreiber.

    Insgesamt umfasst der Windenergie-Aktionsplan 15 Punkte. Mit den Auktionen beschäftigt sich Maßnahme Nummer vier, die wiederum vier wesentliche Punkte enthält:

    • Präqualifikationskritierien: Der Plan definiert eine Reihe von Kriterien, die Windparkbetreiber erfüllen sollten, um an Auktionen teilnehmen zu dürfen. Kann ein Unternehmen beispielsweise nicht nachweisen, dass es grundsätzlich in der Lage ist, einen Offshore-Windpark in der vorgesehenen Zeit zu bauen, sollte es vom Verfahren ausgeschlossen werden. Auch Punkte wie die Cybersicherheit und eine verantwortungsvolle Unternehmensführung nennt der Aktionsplan als Ausscheidungskriterien.
    • Nicht preisbezogene Zuschlagskriterien: Die Auktionen sollen nach dem Willen der EU nicht allein auf die Höhe der Gebote abzielen, sondern Anreize setzen, um etwa nachhaltig und umweltschonend zu bauen, die Lieferkette zu stärken oder innovative Technologien zu entwickeln. Für solche qualitativen Auktionskriterien macht sich die Branche in Deutschland seit Langem stark. Zudem sollen Abhängigkeiten von Drittstaaten vermieden werden
    • Vermarktung des Stroms: Die EU nennt zwei Wege, die aus ihrer Sicht die Erlöse von Windparkbetreibern stabilisieren und so die Bauwahrscheinlichkeit erhöhen können: Differenzverträge, englisch Contracts for Difference (CfD), und Direktlieferverträge zwischen Betreibern und Abnehmern, englisch Power Purchase Agreements (PPA). Nachdem die EU zunächst festgelegt hatte, dass CfD verpflichtend in Auktionen vorgesehen werden müssen, weichte sie dies Ende vergangenen Jahres auf: Erlaubt seien auch „vergleichbare Instrumente mit derselben Wirkung“. Wann Instrumente dies erfüllen, bleibe allerdings unklar, erklärt Chatham-Experte Hinrichsen. Die Mitgliedsstaaten sollen zudem in ihren Auktionen die Möglichkeit vorsehen, dass zumindest ein Teil des erzeugten Stroms über PPA vermarktet wird.
    • Realisierungswahrscheinlichkeit: Um sicherzustellen, dass die ausgeschriebenen Offshore-Windparks tatsächlich gebaut werden, schlägt die EU verschiedene Maßnahmen vor. Dazu zählen Strafzahlungen für den Fall, dass nicht gebaut wird, und eine Preisindexierung: Sollten die Baukosten etwa durch die Inflation steigen, könnten die Betreiber einen Ausgleich dafür bekommen. Vor allem aber warnt die EU die Mitgliedsstaaten, negative Folgen hoher Gebote im Blick zu behalten: Diese oft als „Eintrittsgeld“ bezeichneten Kosten könnten Betreiber abschrecken oder zum Ausfall geplanter Projekte führen – der mahnende Zeigefinger an Deutschland.

    „Wenn man den Windkraft-Aktionsplan liest, bekommt man den Eindruck, dass die EU – wahrscheinlich auch zu Recht – Zweifel daran hat, dass bestimmte Projekte realisiert werden können“, sagt Hinrichsen mit Blick auf die deutschen Rekordauktionen. Dennoch seien viele Vorgaben des Aktionsplans nicht bindend, sondern recht allgemein. Wie genau die Mitgliedsstaaten sie umsetzen, bleibe weitgehend ihnen überlassen. Mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Brüssel rechnet er noch vor der Europawahl im Juni.

    Die Auswirkungen der EU-Vorgaben auf die deutsche Gesetzgebung

    Deutschland hat den Rahmen für den Offshore-Ausbau im Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) abgesteckt. Zumindest in Teilen dürften die EU-Vorgaben eine Anpassung nötig machen. Das betrifft etwa die geforderten Präqualifikationskriterien, mit denen definiert wird, wer an Ausschreibungen teilnehmen darf. Im zweistufigen deutschen Verfahren sind solche Eintrittshürden auf zentral voruntersuchten Flächen nicht vorgesehen, wie Chatham-Partnerin Marieke Lüdecke erläutert. Auch auf nicht voruntersuchten Flächen existierten sie nur in begrenzter Form.

    Ähnlich sieht es mit nicht preisbezogenen, also qualitativen Zuschlagskriterien aus. Auch hier erfüllt das WindSeeG die EU-Vorgaben nur eingeschränkt. Zum Teil sei es Auslegungssache, inwieweit deutsche Recht und europäische Pläne zusammenpassen, sagt Lüdecke.

    Alle deutschen Offshore-Windparks mit Name, Leistung und Jahr der Inebtriebnahme im Überblick. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Wie groß der konkrete Anpassungsbedarf ist, bleibt allerdings auch aus einem anderen Grund unklar. Denn die Mitgliedsstaaten können von der Anwendung der geforderten Kriterien absehen, wenn dadurch „unverhältnismäßig hohe Kosten“ entstehen. Das ist bei einer Abweichung von 15 Prozent gegeben. Worauf sich diese 15 Prozent beziehen, lässt der Aktionsplan aber offen. Zudem fordert die EU die Anwendung ihrer Vorgaben bislang nur bei mindestens 30 Prozent oder sechs Gigawatt des Ausschreibungsvolumens der Mitgliedsstaaten. Darunter fallen allerdings alle Formen der erneuerbaren Energien, nicht allein Offshore-Wind.

    Bei den Vorgaben zur Vermarktung des Stroms ist die Frage, ob das deutsche Verfahren mit seinem sogenannten Marktprämienmodell, das auf nicht voruntersuchten Flächen gilt, ein „vergleichbares Instrument mit derselben Wirkung“ wie die von der EU geforderten CfD ist. Im Marktprämienmodell nennen die Bieter in Offshore-Wind-Auktionen einen Betrag je Kilowattstunde, zu dem sie ihren Strom verkaufen würden. Liegt der Preis an der Strombörse unter diesem Betrag, zahlt der Staat die Differenz. Ist der Börsenpreis höher, dürfen die Betreiber die Mehrerlöse behalten. Bei CfD dagegen gehen Mehrerlöse an den Staat bzw. die Übertragungsnetzbetreiber.

    Auf den ersten Blick passen beide Modelle nicht zusammen, doch auch das ist Interpretationssache. Es wäre durchaus denkbar, Argumente für eine Übereinstimmung zu finden oder lediglich geringe Anpassungen an der Marktprämie vorzunehmen, sodass sie als vergleichbares Instrument gilt.

    30 Gigawatt Offshore-Wind 2030, 40 im Jahr 2035 und 70 GW 2045: Das sind die Pläne der Ampelregierung im Koalitionsvertrag. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Interpretieren lässt sich auch der eher vage Appell der EU an die Mitgliedsstaaten, die Auswirkungen hoher Eintrittsgelder (negativer Gebote) auf die Realisierungswahrscheinlichkeit der Windparks zu prüfen. Im Wind-See-Gesetz soll die Androhung von Strafzahlungen in Höhe von zehn Prozent der Gebotssumme den nötigen Anreiz zur Realisierung setzen. Sowohl über die Höhe der Zahlung als auch ihre konkrete Ausgestaltung lasse sich aber diskutieren, sagt Marieke Lüdecke.

    Und noch zwei weitere Punkte könnten der Vorgabe widersprechen, für eine hohe Realisierungswahrscheinlichkeit zu sorgen:

    • Die Zuschlagsmenge in den Auktionen ist nicht begrenzt. Theoretisch wäre es möglich, dass ein einzelner Bieter den Zuschlag für sämtliche ausgeschriebenen Flächen einer Auktion erhält. Darin sehen Beobachter ein Klumpenrisiko: Sollte das Unternehmen aus irgendeinem Grund ausfallen, würde der Ausbau weiter zurückgeworfen, als wenn es nur um eine einzelne Fläche ginge.

    • Die Gebotssumme ist nicht gedeckelt, wodurch es zu Bieterschlachten wie im vergangenen Jahr kommen kann. Sollten die siegreichen Unternehmen die Gefahr sehen, dass sich die Gebote etwa aufgrund der Strompreisentwicklung nicht refinanzieren lassen, könnten sie vom Bau absehen und die Strafzahlung in Kauf nehmen.

    Trotz des Interpretationsspielraums in vielen Details bleibt die Absicht des EU-Gesetzgebers aus Sicht des Branchenverbands BWO klar: Es gehe darum, den Ausbau voranzutreiben und die Klimaziele abzusichern. Dem müsse Deutschland durch eine entsprechende Umsetzung der Vorgaben gerecht werden.

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