Power Purchase Agreements (PPAs)

  • Search20.01.2023

Grünstrom ohne Staatsgeld

Lange Lieferverträge garantieren Unternehmen Ökostrom zu planbaren Kosten und ermöglichen den Bau von Wind- und Solarparks ohne staatliche Förderung. Zudem könnten solche PPAs flexiblen Stromtarifen den Weg ebnen.

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    Windräder im Sonnenuntergang: Alte Anlagen, die keine EEG-Förderung mehr erhalten, können oft mithilfe eines PPA weiterbetrieben werden.

    Windräder im Harz: Nach dem Auslaufen der EEG-Vergütung bescheren PPAs alten Anlagen oft ein zweites Leben.

     

    Von Angelika Nikionok-Ehrlich

    Bislang lief der Ökostromausbau in Deutschland weitgehend mit staatlicher Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Anfangs zahlte der Staat dabei feste Vergütungssätze je produzierter Kilowattstunde. Seit 2014 wird die Höhe in Auktionen festgelegt, an denen jeder teilnehmen muss, der etwa einen Wind- oder Solarpark bauen will. Wer die geringste Förderung aufruft, erhält den Zuschlag.

    Seit einigen Jahren etabliert sich daneben ein zweiter Weg jenseits staatlicher Förderung: sogenannte Power Purchase Agreements, kurz PPAs. Es waren Techkonzerne wie Google, Facebook und Microsoft, die das Modell 2018 nach Europa brachten. PPAs sind Verträge zwischen einem Stromlieferanten und einem Stromkunden. In den oft langfristigen Vereinbarungen werden Dauer, Preise und Bedingungen der Stromlieferung festgelegt. Dabei gibt es verschiedene Formen der PPAs (siehe Kasten unten).

    „Besonders in Deutschland sind Stromlieferverträge zu einem Synonym der Grünstromversorgung von Industriekunden, Stadtwerken und Weiterverteilern geworden“, heißt es beim Stromversorger Statkraft.

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    Seit 2021 ist richtig viel Bewegung im PPA-Markt

    Michael Claußner, Strommarktanalyst

    Noch ist der Anteil von PPAs im Stromhandel vergleichsweise klein. Während etwa in der Windenergie derzeit eine Leistung von rund 46,4 Gigawatt auf dem klassischen Weg vermarktet wird, entfallen auf PPAs rund 9,6 Gigawatt. Doch das Interesse steigt.

    „Seit 2021 ist richtig viel Bewegung im PPA-Markt“, sagt Michael Claußner, Berater beim Strommarktanalysten Energy Brainpool, im Gespräch mit EnergieWinde. Gründe seien „der Strompreisanstieg, die damit verbundene zunehmende Errichtung von Solarparks ohne staatliche Förderung und das Auslaufen der EEG-Förderung für vorrangig ältere Windkraftanlagen“.

    Power Purchase Agreement (PPA)

    On-site-PPAs

    Hierbei bezieht der Kunde den Strom direkt aus der Anlage. Das trifft meist dann zu, wenn ein Windpark einen Industriebetrieb in der Nachbarschaft versorgt. Bei Langfristverträgen mit großen Unternehmen spricht man auch von Corporate PPAs.

    Offsite-PPAs

    In diesem Modell wird der Strom über das Netz geliefert (Physical PPA), die Ökostromanlage muss sich also nicht in der Nähe befinden.

    Sleeved PPA

    Hier hat der Käufer keine direkte Vereinbarung mit dem Ökostromproduzenten, es ist ein Händler zwischengeschaltet.

    Virtuelles PPA

    Dieses Modell, auch finanzielles oder synthetisches PPA genannt, ist eine finanzielle Vereinbarung, die ebenfalls dem Kunden und dem Ökostromproduzenten einen langfristig festen Preis garantiert. Allerdings wird der Strom auf dem Markt durch einen Contract for Difference (CfD) gehandelt, über das PPA wird der Ausgleich von Preisdifferenzen zwischen Abnehmer und Anlagebesitzer geregelt.

    Guarantees-of-Origin-PPAs

    Hier erfolgt die Versorgung mittels Herkunftsnachweisen, die dem aus dem Netz bezogenen Strom gegengerechnet werden. Diese PPAs sind kombinierbar mit anderen.

    Den Projektierern und Betreibern von Ökostromanlagen geht es vornehmlich um die Absicherung ihrer Investitionen durch langfristig kalkulierbare Erträge. Diese Sicherheit senkt zudem die Finanzierungskosten der Anlagen: Wer garantierte Erträge vorweisen kann, zahlt bei der Bank weniger Zinsen für Kredite.

    PPAs können daneben die Lebensdauer von Windparks verlängern, indem sie ein Finanzierungsmodell für alte Anlagen schaffen, die nach 20 Jahren keine Förderung über das EEG mehr erhalten. „Es ist wichtig, dass ausgeförderte, aber noch voll funktionstüchtige Windräder weiterhin klimafreundlichen Strom erzeugen. Jede Kilowattstunde Ökostrom zählt“, betont Oliver Hummel, Vorstand des Ökostromanbieters Naturstrom. Pressesprecher Tim Loppe nennt gegenüber EnergieWinde als weiteren Vorteil von PPAs, „dass wir ein runderes Ökostromprodukt als früher anbieten können, wo wir aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen fast ausschließlich Wasserkraft-Strom genutzt hatten. Zusammen mit Solar- und Windenergie haben wir seit gut zwei Jahren einen bunteren Mix.“

    Vorteil von PPAs: Erst durch sie darf Ökostrom als Ökostrom gekennzeichnet werden

    Hintergrund ist, dass Strom, der über das EEG gefördert wird, nicht als Ökostrom vermarktet werden darf. Für Strom aus PPA-Verträgen werden dagegen Herkunftsnachweise ausgestellt, die ihn explizit als Ökostrom kennzeichnen. Solche Nachweise sind gerade bei Unternehmen sehr gefragt, weil sie damit ihre Klimaanstrengungen belegen können.

    Das macht sich der Anbieter Naturstrom für seine Haushaltskunden zunutze. Er liefert ihnen als Standardprodukt „echten“ Ökostrom, für den Naturstrom nach eigenen Angaben PPAs mit neu errichteten Solaranlagen und den Betreibern von rund 300 ausgeförderten Windrädern geschlossen hat.

    Diese Windräder in Brandenburg erzeugen zwar Ökostrom, doch als Ökostrom vermarktet werden darf er nicht, solang die Windräder über das EEG gefördert werden. #doppelvermarktungsverbot

    Der Strom dieser Windräder in Brandenburg ist eindeutig Ökostrom. Wenn er über das EEG vergütet wird, darf er aber nicht als solcher vermarktet werden.

    Auch der Stahlkonzern Salzgitter AG wird in den kommenden Jahren aus solchen „Post-EEG-Anlagen“ versorgt. Er hat dazu ein PPA mit dem Versorger Engie abgeschlossen.

    Die Beispiele zeigen, dass es sowohl auf Kunden- als auch auf Lieferantenseite sowohl kleinere als auch große Akteure gibt. „PPA-Händler sind zunehmend auch Regionalversorger und Stadtwerke“, sagt Analyst Claußner.

    Motive der PPA-Kunden: Versorgungssicherheit, kalkulierbare Preise, Klimaschutz

    Den Kunden sind mehrere Aspekte wichtig. „Hauptmotiv für PPA-Verträge mit zehn oder mehr Jahren Laufzeit ist neben der Versorgungssicherheit die langfristige Planbarkeit der Energiekosten“, sagt Folker Trepte, Leiter des Fachbereichs Energiewirtschaft bei PwC Deutschland. Das gelte insbesondere für die energieintensive Industrie, so Trepte im Gespräch mit EnergieWinde. Angesichts der hohen Energiepreise zeigten aber auch Dienstleister Interesse. „Das Motiv ist also die Wirtschaftlichkeit und nicht ausschließlich der Klimaschutz“, konstatiert er.

    Wobei das Klima eine immer wichtigere Rolle spielt, etwa für den Chemieriesen Covestro. Der international aufgestellte Kunststoffproduzent hat unter anderem in China PPAs über die Lieferung von Offshore-Windstrom geschlossen. „Covestro will bis 2035 klimaneutral werden und stellt dafür die Produktion weltweit konsequent auf erneuerbare Energien um“, betont Vorstandschef Markus Steilemann.

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    Wir streben Laufzeiten von mindestens zehn Jahren an, um die langfristige Belieferung und Finanzierung zu sichern

    Frank Rothbarth, Covestro

    „Unser primäres Ziel beim Abschluss von PPAs ist, die direkte Energieversorgung unserer Standorte auf breiter Basis mit erneuerbarer Energie der höchsten Nachhaltigkeitskategorie sicherzustellen“, sagt Frank Rothbarth, bei Covestro für PPAs zuständig, gegenüber EnergieWinde. Doch natürlich ist auch die Planungssicherheit attraktiv: „Wir streben Laufzeiten von mindestens zehn Jahren an, um die langfristige Belieferung und Finanzierung zu sichern“, so Rothbarth. Als Beispiele nennt er die von Covestro angekündigten PPAs mit Ørsted über zehn und EnBW über 15 Jahre. (Transparenzhinweis: Ørsted steht hinter dem journalistischen Angebot von EnergieWinde).

    PPAs ermöglichen den Bau von Offshore-Windparks ohne staatliche Förderung

    Für die Betreiber von Wind- und Solarparks ist der Abschluss von PPAs eine Möglichkeit, die Finanzierung von Projekten zu stemmen, die ohne staatliche Förderung auskommen (Null-Cent-Gebote). Ørsted etwa kann durch PPAs den Offshore-Windpark Borkum-Riffgrund 3 bauen, der 2025 ans Netz gehen soll.

    Windpark in Ostfriesland: Der Weiterbetrieb alter, noch funktionstüchtiger Anlagen lohnt sich oft nur über Power Purchase Agreements (PPAs).

    Windpark in Ostfriesland: Die Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ bremst die Verbreitung von PPAs.

    Unsicherheit hat laut den Marktbeobachtern die im Zusammenhang mit der Strompreisbremse beschlossene Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne ausgelöst. Die Bremse ist zunächst bis zum 30. Juni befristet, mit der Option auf eine Verlängerung bis höchstens 30. April 2024. „Negative Auswirkungen auf den PPA-Markt“ befürchtet PwC-Berater Trepte, weil PPAs für Bestandsanlagen nicht berücksichtigt werden. Dies räumt sogar die Bundesregierung ein. „Richtig ist, dass neue PPAs für Bestandsanlagen während der Abschöpfung risikobehaftet sind und unter Umständen ökonomisch nicht mehr attraktiv sind“, heißt es dazu.

    Insgesamt werden die Perspektiven des PPA-Marktes von den Experten als gut eingeschätzt. „Der Markt wird sich für alle drei Technologien [Windenergie an Land und auf See, Solarenergie] weiterentwickeln, insbesondere angesichts der höheren Ausbauziele,“ erwartet Trepte.

    Bringen PPAs flexible Stromtarife voran? Durchaus möglich

    Michael Claußner von Energy Brainpool unterstreicht zudem einen bisher wenig beachteten Aspekt: „PPAs mit volatiler Erzeugung im Portfolio zu haben, macht es für Energieversorger interessant, ihren Kunden über die flexible Stromtarifbildung Anreize dafür zu setzen, den Verbrauch ein Stück weit an das Wind- und Solarstromangebot anzupassen. Diese Flexibilität wollen wir ja, das ist als Marktdesignelement sinnvoll.“

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