Strom-Lieferverträge (PPA)

  • Search17.12.2021

Privatwirtschaft beflügelt Offshore-Wind

Google, Amazon, Rewe, BASF, Fraport – immer mehr Konzerne schließen Power Purchase Agreements ab: langfristige Lieferverträge über Strom aus Offshore-Windparks. Der Run auf die grüne Energie verleiht der Klimawende einen Schub.

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    Offshore-Windpark in der Nordsee: Mit Power Purchase Agreements (PPA) sichern sich Konzerne langfristig Ökostrom.

    Windräder in der Nordsee: PPA machen die Strompreise für Großkunden kalkulierbar. Zugleich ermöglichen sie den Betreibern die Finanzierung ihrer Windparks.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Kräftiger Wind sorgt gewöhnlich für Sorgenfalten bei Flughafenbetreibern. Wenn aber 2026 Böen über die Nordsee peitschen, wird man sich bei der Frankfurter Fraport AG ausnahmsweise freuen. Ab dann versorgt sich der Flughafen nämlich mit Offshore-Windstrom. 15 Jahre lang wird der Energieversorger EnBW rund 85 Megawatt aus seinem Offshore-Windpark He Dreiht an den Flughafenbetreiber liefern. 80.000 Tonnen CO2 sollen so pro Jahr eingespart werden. Ein gewaltiger Klimaeffekt – auf den derzeit viele Konzerne setzen.

    Dass Unternehmen ihre Stromversorgung in Zeiten steigender Energiepreise über langfristige Verträge absichern, ist nicht neu: Power Purchase Agreements, kurz PPAs, nennt man Direktlieferverträge, mit denen über eine Laufzeit von 15 Jahren oder sogar noch länger feste Preise mit Stromlieferanten ausgehandelt werden. Das geschieht nicht nur, um die Versorgung zu garantieren, sondern auch, um die Kosten kalkulierbar zu halten.

    Neu ist allerdings, dass Konzerne wie Google, BASF oder Rewe mit Green PPAs ihre Stromversorgung auf Erneuerbare umstellen. Während die Politik den Ökostromausbau lange verschleppt hat, verleiht die Wirtschaft der Klimawende mit ihrer Nachfrage und ihrer Finanzierungsbereitschaft so neuen Schwung.

    Kalkulierbare Preise, sichere Versorgung: Immer mehr Konzerne setzen auf PPA

    „Den Unternehmen ist klar, dass die Umstellung auf Ökostrom den größten Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität darstellt“, sagt Robert Werner, Geschäftsführer des Hamburg Instituts. Sein Unternehmen berät bei der Einführung klimaneutraler Technologien und forscht zugleich in diesem Bereich.

    In vielen Unternehmen entstehen die meisten CO2-Emissionen im Strom- und Wärmebereich. Auch am Frankfurter Flughafen, sofern man die Emissionen der Flugzeuge außer Acht lässt. Bevor die Pandemie den Luftverkehr ausbremste, fertigte der Flughafen rund 70 Millionen Passagiere im Jahr ab – Rang vier in Europa, Rang 15 weltweit. Wirtschaftlich beeindruckend, aber klimatechnisch problematisch. Der Flughafen mit seiner Fläche von 25 Quadratkilometern ist täglich 24 Stunden in Betrieb. An direkten Emissionen etwa aus der Verbrennung von Heizöl und Kraftstoffen fielen im vergangenen Jahr 21.900 Tonnen CO2 an, 2019 waren es sogar 37.100 Tonnen.

    Flughafen Frankfurt: Der Betreiber Fraport hat mit EnBW einen Liefervertrag (PPA) über Strom aus dem Offshore-Windpark He Dreiht geschlossen.

    Passagiermaschinen in Frankfurt: Der Energiebedarf des Flughafens ist gewaltig – selbst wenn man die Flugzeuge nicht mit einberechnet.

    Noch größer sind die Emissionen durch den Bezug von Strom und Fernwärme: 107.400 Tonnen CO2 2020, nach 133.200 im Jahr zuvor. Um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen, den Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, liegt der Fokus deshalb auf der Umstellung auf grünen Strom.

    Fraport reiht sich mit seinem PPA in eine exquisite Riege von Großunternehmen ein. So hat der Energiekonzern Ørsted (der auch EnergieWinde betreibt) bereits 786 Megawatt Strom aus seinem geplanten Nordsee-Windpark Borkum Riffgrund 3 vermarktet. Neben Covestro, Amazon, BASF und REWE sicherte sich Google kürzlich über einen PPA mit Ørsted 50 Megawatt, die ab 2025 aus dem insgesamt 900 Megawatt starken Windpark fließen sollen. Während Google damit einen Teil seiner deutschen Rechenzentren mit grünem Strom versorgen kann, sorgen die finanziellen Mittel dafür, dass Ørsted den Bau des Parks planmäßig realisieren kann.

    Den Kunden geht es um ihre Klimabilanz – und um ihr grünes Image

    Dass Konzerne versuchen, sich mit Green PPAs langfristig Ökostrom zu sichern, liegt nicht allein an den Vorgaben und Klimaplänen von Bund und EU. „Es ist vor allem der Kunde, der immer stärker einfordert, dass seine Waren klimaneutral hergestellt werden und Unternehmen umweltbewusst handeln“, sagt Hamburg-Institut-Chef Werner. Denn mit dem grünen Strom erhalten die Konzerne sogenannte Herkunftsnachweise für ihre Ökobilanz. Laut einer Umfrage der Energieagentur Dena, die dem Bund untersteht, ist dies einer der Gründe, warum Unternehmen Green PPAs so attraktiv finden.

    Allerdings liegt darin auch eine Unsicherheit: Wind- und Solarparks liefern nicht kontinuierlich Strom. Zwar bläst der Wind gerade auf See stetig und stark, doch immer wieder schalten die Netzbetreiber einzelne Parks ab, weil ansonsten zu viel Strom in die Netze fluten könnte. Wenn nun ausgerechnet ein Park abregelt wird, für den ein Unternehmen einen Herkunftsnachweis besitzt, verliert das Green PPA an Attraktivität. Robert Werner appelliert deshalb an den Gesetzgeber: „Die Politik sollte regeln, wie mit unvorhergesehenen Minderlieferungen von Herkunftsnachweisen zu verfahren ist“, sagt er.

    Was passiert, wenn der Stromkunde pleitegeht? Noch ist das unklar

    Es gibt aber noch einen weiteren Grund, der dazu beitragen dürfte, dass PPAs in Deutschland bislang eher selten sind: Hierzulande existiert bisher keine klare Absicherung des Ausfallsrisikos einer Partei für den Fall, dass der Stromlieferant oder der Käufer insolvent geht. Das ist im Fall von internationalen Offshore-Windparkbetreibern oder Großkonzernen wie Google oder BASF zwar überaus unwahrscheinlich, wäre bei kleineren mittelständischen Kunden von Onshore-Windparks aber theoretisch denkbar. „Um PPAs über grünen Strom attraktiver zu machen, wären Risikoabsicherungen wie in anderen Bereichen eine Möglichkeit, also zum Beispiel über das Modell der Hermesbürgschaften“, erklärt Werner. In Norwegen gibt es bereits sogenannte Power Purchase Guarantees, mit denen die genannten Risiken bis zu 80 Prozent abgesichert werden.

    Eine Hürde gerade für kleine Unternehmen könnten daneben die Laufzeiten der PPAs darstellen: Denn die langfristigen Direktlieferverträge könnten als Dauerschuldverhältnis interpretiert und so in der Bilanz einer Firma gekennzeichnet werden, wodurch die Bonität und damit die Investitionskraft für andere wichtige Geschäftsbereiche belastet würden.

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    Durch das Umdenken in der Industrie kommt ein riesiger Schub in den Ausbau der Erneuerbaren

    Robert Werner, Hamburg Institut

    Wegen der rapide wachsenden Nachfrage der Industrie nach grünem Strom, die unweigerlich in Konkurrenz mit dem Bedarf der Privathaushalte tritt, erwartet Experte Werner trotzdem Aufwind für diesen Bereich – und damit auch für die Klimawende: „Die Erneuerbaren sind begehrt und nicht ausreichend vorhanden, aber durch das Umdenken in der Industrie kommt ein riesiger Schub in den Ausbau der Erneuerbaren, der in Kombination mit weiterhin geförderten Standorten die Ausbaulücke effizient zu schließen hilft“, sagt Werner.

    Gleichzeitig setzen viele Unternehmen auf eigene Lösungen zur Ökostromversorgung und bauen wie etwa der Flughafen Frankfurt eigene Fotovoltaik-Anlagen auf ihr Gelände. Auch solche Anlagen könnten bei einem sicheren Rahmen künftig über Direktlieferverträge für kleinere Stromabnehmer wie Lieferanten oder Tochterunternehmen mitfinanziert werden. „Diese Bemühungen und die wachsende Ökostromvermarktung über Green PPAs zeigen, dass die Industrie schon weiter ist als die Politik: Sie will die Erneuerbaren schneller, als die Politik sie liefert“, sagt Energiewirtschafsexperte Werner.

    Zur Finanzierung von Offshore-Windparks existieren verschiedene Modelle. Neben PPA macht sich die Branche auch für Contracts for Difference (CfD) stark. Der Film vom Juli 2021 erklärt das Prinzip.

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