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Windrad in der Nordsee: Je dichter die Turbinen nebeneinanderstehen, desto weniger Strom erzeugen sie. Das verteuert den Ausbau.
Von Volker Kühn
Seit fast zwei Wochen verhandeln 16 Arbeitsgruppen von Union und SPD über den Kurs einer gemeinsamen Regierung. Für die Energiepolitik hatte CDU-Chefverhandler Andreas Jung zum Start einen „Effizienzcheck“ vorgegeben: Die Energiewende müsse günstiger werden.
Insbesondere die Kosten für den Netzausbau und die Offshore-Windenergie sind in den Fokus gerückt. Begleitend zu den Koalitionsverhandlungen haben Interessenverbände und Ökonomen eine ganze Serie von Vorschlägen auf den Tisch gelegt. Sie alle identifizieren erhebliche Sparpotenziale, teils im mehrstelligen Milliardenbereich:
- Die Boston Consulting Group empfiehlt in einer Studie im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie, die Offshore-Wind-Ziele nach unten zu korrigieren. Stattdessen sollten mehr Windparks an Land gebaut werden, da sie günstiger seien.
- Auch der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz plädiert für einen effizienteren Netzausbau durch weniger Offshore-Wind. Würden einzelne Parks dafür etwas größer gebaut, könnten sie die Leitungen an mehr Tagen vollständig auslasten.
- Die Chefs des Stromversorgers RWE und des Verteilnetzbetreibers Eon, Markus Krebber und Leo Birnbaum, empfehlen in einem gemeinsamen FAZ-Interview ebenfalls vorerst weniger Offshore-Wind, da der Strombedarf in Deutschland nicht so schnell steige wie erwartet. Zudem könnten Windparkbetreiber an den Kosten des Netzausbaus beteiligt werden.
- McKinsey prognostizierte bereits im Januar einen geringeren Stromverbrauch mit einem entsprechend geringeren Bedarf an Erneuerbaren.
- Christoph Maurer, Chef der Energieberatung Consentec, sieht mögliche Effizienzgewinne durch einen grenzüberschreitenden Anschluss von Offshore-Windparks. Sie könnten ihren Strom je nach Bedarf, Netzauslastung und Preis in verschiedene Länder einspeisen.
Auch aus der Ökostrombranche kommen Vorschläge für einen kostengünstigeren Ausbau der Erneuerbaren. Zugleich warnen Branchenvertreter eindringlich vor Einschnitten in die Ausbauziele:
- Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Green Planet Energy kommt zu dem Schluss, dass ein um 25 Prozent geringerer Ausbau in den nächsten fünf Jahren Investitionen von 65 Milliarden Euro verhindern könnte. Dadurch würde der Sektor seine Funktion als Jobmotor einbüßen. Die Rede ist von bis zu 65.000 Jobs, die bei einer entsprechenden Kürzung nicht geschaffen würden.
- Zugleich plädiert der Bundesverband Windenergie Offshore dafür, unbedingt am Ausbauziel von 70 Gigawatt auf See festzuhalten – schon weil die Lieferkette Planungssicherheit benötige, um für heimische Wertschöpfung und Beschäftigung zu sorgen.
Die Warnung kommt nicht überraschend. Der Branche sind die Folgen vergangener Ausbaukürzungen noch schmerzhaft in Erinnerung. Insbesondere der „Fadenriss“ unter dem damaligen Umweltminister Peter Altmaier zog eine Welle von Entlassungen und Firmenpleiten in der Offshore-Windenergie nach sich.
Dass der Ausbau effizienter gestaltet werden kann, bestreiten allerdings auch die Windparkbetreiber nicht. Ein Problem sieht die Branche insbesondere in der sogenannten Abschattung: Nirgendwo auf der Welt sind Offshore-Windräder in geringerem Abstand zueinander geplant als in der deutschen Nordsee. Das allerdings führt dazu, dass sie sich gegenseitig den Wind rauben.
Die Parks stehen dicht nebeneinander – und erzeugen daher weniger Strom
Nach Untersuchungen des Fraunhofer IWES ist der Effekt beträchtlich. Die Zahl der sogenannten Volllaststunden – ein Wert, der die Auslastung der Windräder misst – sinkt bei fortschreitendem Ausbau auf manchen Flächen auf weniger als die Hälfte des theoretisch Möglichen. Für die Betreiber bedeutet das geringere Stromerträge und Einnahmen. Das wiederum treibt die Stromkosten in die Höhe, denn darüber wird der milliardenschwere Bau der Parks finanziert. Schlimmstenfalls könnte es dazu führen, dass einzelne Flächen unwirtschaftlich werden und kein Betreiber dort bauen will.