Ørsted-Manager Kubitza

  • Search29.11.2024

„Wir könnten in andere Meeresgebiete ausweichen“

Die Politik hat die Erneuerbaren schon einmal abgewürgt. Könnte das unter der nächsten Bundesregierung erneut geschehen? Nein, glaubt Jörg Kubitza von Ørsted Deutschland. Allerdings müsse der Ausbau effizienter geplant werden.

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    Bau eines Offshore-Windparks in der Nordsee (Gode Wind): Je dichter die Windräder zusammenstehen, desto stärker rauben sie sich gegenseitig den Wind.

    Bau eines Offshore-Windparks in der Nordsee: Um die Ausbauziele zu erreichen, sollte Deutschland erwägen, Parks in den Meeresgebieten der Nachbarländer zu bauen, sagt Jörg Kubitza.

     

    Herr Kubitza, vor zehn Jahren ging EnergieWinde an den Start, das journalistische Angebot von Ørsted. Damals machten Schlagworte wie „Altmaier-Knick“, „Strompreisbremse“ und „Fadenriss“ die Runde. Wie haben Sie die Energiepolitik in dieser Zeit erlebt?
    Jörg Kubitza: Das waren turbulente Jahre. Ich war damals Chefstratege beim Turbinenbauer MHI Vestas. Offshore-Wind war noch ein zartes Pflänzchen, in das die Menschen an der Küste viel Hoffnung gesteckt hatten. Ich erinnere mich noch, wie die ersten Tripod-Fundamente aus den Fabrikhallen gerollt wurden, mit Musik und Lichtshow. Wenn man durch Emden oder Bremerhaven ging, hat man überall Aufbruchstimmung gespürt. Aber dann kam der Fadenriss, und plötzlich war da nichts mehr.

    Was hat den Aufschwung abgewürgt?
    Kubitza: Die Unsicherheit, wie es politisch weitergehen würde. Wenn der Gesetzgeber seine Pläne immer wieder ändert oder den Ausbau der Erneuerbaren öffentlich in Zweifel zieht, fehlt der Industrie irgendwann das Vertrauen. Die Unternehmen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Ansonsten bleiben die nötigen Investitionen aus, in Innovationen, in Ausbildung und Arbeitsplätze, in die Infrastruktur an der Kaikante und so weiter. Die Folge waren die Industriebrachen in Städten wie Bremerhaven. Ich glaube, diesen Fadenriss aus der Zeit von Peter Altmaier haben viele in der Branche bis heute nicht vergessen.

    Jörg Kubitza (54) ist seit April 2021 Geschäftsführer der Deutschlandsparte des dänischen Energiekonzerns Ørsted. Zuvor war er unter anderem beim tschechischen Energieversorger CEZ und beim Offshore-Wind-Turbinenbauer MHI Vestas tätig. Kubitza ist Wirtschaftsjurist, Rechtsanwalt und Mediator sowie Reserveoffizier der Bundesmarine. Foto: Ørsted

    Hat die Politik die Energiewende aus Ihrer Sicht bewusst torpediert?
    Kubitza: Die einen sagen so, die anderen so. Fest steht, dass Offshore-Wind eine Asset-Klasse war, die gerade aufseiten der CDU lange Zeit absolut nicht opportun war. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 hat mir Friedrich Merz wortwörtlich gesagt, wir hätten „schon genug Steckdosen in der Nordsee“, mehr bräuchten wir jetzt nicht. Ich glaube, wenn man bei solchen Milliardeninvestitionen von Steckdosen redet, ist das schon despektierlich, wenn nicht ignorant.

    Dabei war Klimaschutz zu dieser Zeit eigentlich ein Gewinnerthema. Nach mehreren Hitzesommern und den Massendemos von Fridays for Future schien die Unterstützung für die Energiewende riesig zu sein.
    Kubitza: Sie ist auch heute noch groß. Aber vielleicht müssen wir in der Industrie anders kommunizieren, um skeptische Kreise in der Politik und der Bevölkerung zu erreichen.

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    Die Atomlobby macht uns seit Jahrzehnten vor, wie man mit sehr simplen Aussagen klare Narrative in die Presse bringt. Dahinter steht ein richtiger Masterplan

    Jörg Kubitza

    Wie meinen Sie das?
    Kubitza: Die Atomlobby macht uns seit Jahrzehnten vor, wie man mit sehr simplen Aussagen klare Narrative in die Presse bringt. Dahinter steht ein richtiger Masterplan. Der Klimabewegung gelingt das übrigens auch sehr gut. Sie sagt: Das Klima wird zu heiß, die Erde stirbt. Das versteht jeder. Wir dagegen sind oft viel zu komplex. Wir kommen mit komplizierten Begriffen um die Ecke und reden von Netzanschlusssystemen und Einspeisevergütung. Wenn ich sage, das EnWG passt nicht mit dem EEG zusammen und das Wind-auf-See-Gesetz spielt auch mit rein, steigt jeder sofort aus. Aber leider sind die Themen nun mal komplex.

    Versuchen Sie es doch trotzdem mal mit einer klaren Message. Die Energiewende ist richtig, weil …
    Kubitza: … sie Arbeitsplätze schafft, günstigen Strom liefert, fossile Importe reduziert und der Menschheit eine gute Zukunft sichert.

    Geht doch. Glauben Sie, dass Sie mit der Botschaft durchdringen, wenn demnächst jemand im Kanzleramt sitzt, der Windräder „hässlich“ findet?
    Kubitza: … und Windparks als Steckdosen bezeichnet. Die Frage wird mir in letzter Zeit öfter gestellt. Mir fällt dazu ein, was nach der Wahl von Donald Trump eine Kollegin aus unserem US-Geschäft gesagt hat. Sie sagte: „Trump is not a Republican“. Was sie damit meinte, war, dass Trump immer sehr exotisch und sehr extrem ist. Aber es sind natürlich nicht alle Republikaner so. Es gibt natürlich Leute, die auf Fracking setzen oder die Erneuerbaren ablehnen. Aber niemand hat etwas gegen die Jobs, die Windparks schaffen. Und genauso sehe ich es auch bei Friedrich Merz. Er haut gern mal einen starken Spruch raus. Aber er braucht günstigen Strom, und den liefern wir. Warum sollte er in funktionierende Assets eingreifen? Außerdem steht die Union ja zu den Klimazielen, und um die zu erreichen, brauchen wir die Erneuerbaren. Möglich, dass sich die Bedingungen gerade für Offshore-Wind künftig noch verbessern.

    Liste der Offshore-Windparks in Deutschland von 2010 bis 2024: Die Gesamtleistung liegt derzeit bei knapp neun Gigawatt. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Woran denken Sie?
    Kubitza: Gerade in Zeiten knapper Kassen muss der Ausbau so effizient wie möglich sein. Aus ökonomischer Sicht spricht deshalb viel dafür, in den deutschen Meeresgebieten erst mal etwas weniger auszubauen als geplant, dafür aber die bestehenden Parks länger am Netz zu lassen. Technisch wäre das kein Problem.

    Sind die deutschen Offshore-Wind-Ziele womöglich überzogen?
    Kubitza: Wir brauchen den Strom, und das 70-Gigawatt-Ziel ist im Grundsatz richtig. Aber wir müssen dafür sorgen, dass der Ausbau für die Betreiber attraktiv ist, sonst investieren sie nicht. Wenn die Windräder in der deutschen Nordsee so dicht stehen, dass sie sich zunehmend gegenseitig den Wind nehmen, dann verschlechtert sich der Business-Case. Ich sehe zwei Möglichkeiten: Zum einen könnten wir in andere Meeresgebiete ausweichen, in denen mehr Platz ist – Dänemark und die Niederlande zum Beispiel haben viel mehr Fläche, verbrauchen aber deutlich weniger Strom als Deutschland. Natürlich müsste man sich zunächst einigen, wie die Parks angeschlossen und die Strommengen vergütet werden. Aber im Grundsatz ginge das.

    Und zum anderen?
    Kubitza: … könnten wir mit einer cleveren Staffelung des Ausbaus in Deutschland auch hierzulande mit vielleicht 52 Gigawatt installierter Leistung die Strommengen produzieren, auf die wir aktuell mit 70 Gigawatt abzielen. Es kommt darauf an, dass die Turbinen genügend Wind bekommen und bestmöglich ausgelastet sind.

    Die Fragen stellte Volker Kühn.

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