Als Fridays for Future Ende September wieder zum Klimastreik aufrief, war die Beteiligung in Hamburg zwar rege – aber weit entfernt von den Massen vergangener Jahre.
Von Julia Graven
Annika Rittmann ist der Sache treu geblieben. 2019 hat sie bei Fridays for Future angefangen, damals noch als Schülerin. Heute schreibt die 22-Jährige ihre Bachelorarbeit in Mensch-Computer-Interaktion an der Uni Hamburg und hat den jüngsten Klimastreik in der Stadt organisiert. Sie kann sich noch gut an die Euphorie der ersten Zeit erinnern. Damals, beim globalen Klimastreik am 20. September 2019, waren in Deutschland nach Zahlen der Veranstalter 1,4 Millionen Menschen auf der Straße. Für den Protestforscher Simon Teune von der Freien Universität Berlin hat die Bewegung seinerzeit „ein Problembewusstsein für den Klimawandel geschaffen, das vorher in dem Ausmaß nicht existiert hat. Damit hat sie auch Kreise erreicht, die sich vorher nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben.“
Und heute?
Genau fünf Jahre später, am 20. September 2024, zählten die Veranstalter noch 75.000 Menschen. Für Annika Rittmann ist das gesunkene Interesse kein Grund zum Verzweifeln. Sie sagt: „Nur weil unsere Demos nicht mehr so große Schlagzeilen machen, dürfen wir mit ihnen nicht einfach aufhören.“ Für Protestforscher Teune ist der Mechanismus einfach zu erklären. Mit der Wiederholung der immer gleichen Protestform verliere diese ihre Wirkung, medial wie auch politisch. Ohne Eskalation hat sich das repetitive Demonstrieren jeden Freitag irgendwann erschöpft. Und die Proteste landen nur noch als kleine Meldung auf den hinteren Seiten der Zeitung.
Die Bewegung braucht neue Strategien. Neubauer sucht Antworten in Übersee
Luisa Neubauer, deutsches Gesicht der Bewegung mit großer Fangemeinde, reist derzeit durch die Vereinigten Staaten, hält Vorträge an Universitäten, spricht mit Schulklassen und liest aus ihrem Buch. Den globalen Klimastreik hat sie in Boston zusammen mit einem kleinen Häufchen Schilder und Plakate hochhaltender Aktivistinnen und Aktivisten verbracht. Auf X schreibt sie: „Um als Klimabewegung (wieder) gewinnen zu können, brauchen wir neue Strategien und bessere Vernetzungen – auch deshalb habe ich mich für diese Reise entschieden.“
Etliche Aktivisten haben sich dagegen in den vergangenen Monaten aus der Klimabewegung abgemeldet und andere Wege eingeschlagen. Zum Beispiel Quang Paasch aus Berlin. Er war wie Rittmann einer der Pressesprecher von FFF. Während seine einstigen Mitstreiter in Berlin im September vor dem Kanzleramt demonstrierten, postete der 23-Jährige auf Instagram ein Bild von sich auf einem Ruderboot vor einem schwimmenden Tempel in Vietnam, der Heimat seiner Eltern. Nach seiner Rückkehr will Paasch neue Sachen machen. „Speaker, Moderator, Medienschaffender“ ist das, was ihm vorschwebt. Soziale Gerechtigkeit und Antikapitalismus sind jetzt seine Themen, schreibt er. Auf unsere Frage nach einem Interview antwortete er nicht.
Greta Thunberg? Erhitzt heute mit propalästinensischen Parolen die Gemüter
Wer mit jungen Menschen spricht, die vor fünf Jahren noch den Matheunterricht für Demos geschwänzt haben, hört heute viel grundsätzliche Systemkritik: Sie reden lieber über Antikapitalismus, Feminismus und den Kampf für Gerechtigkeit als über das Verschwinden der eigenen Flugscham. Auch der Nahost-Konflikt ist ein hartes Thema für die junge Umweltbewegung. Vor allem Greta Thunberg sorgt dabei für Schlagzeilen. Die Schwedin hat mit ihrem Schulstreik fürs Klima eine weltweite Welle des Klimaprotests losgetreten, das öffentliche Bewusstsein so sehr geprägt, dass Beobachter einen „Greta-Effekt“ konstatierten.