AfD und Naturschutz

  • Search28.08.2024

Gegenwind von rechts

Die AfD versucht, Proteste von Naturschützern gegen den Ausbau der Windenergie zu unterwandern. Aus einem Fall im bayerischen Altötting lassen sich Lehren ziehen, wie man den Rechtsextremen nicht auf den Leim geht.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    Im bayerischen Altötting tobt ein Streit um einen geplanten Windpark. Umweltschützer verwehren sich dabei gegen eine Unteranderung von rechtsextremen Kräften.

    Windräder vor Alpenkulisse: Umweltschutzorganisationen wie der BUND wehren sich gegen eine Vereinnahmung durch die AfD.

     

    Von Nils Husmann

    Es war ein Paukenschlag: Ende Februar beendete der Anwalt Frank C. Starke die Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative „Gegenwind Altötting“, die er zuvor beraten hatte. Der „Passauer Neuen Presse“ sagte der Jurist damals, er wolle und werde nicht mit Verfassungsfeinden zusammenarbeiten. AfD-Sympathisanten und -Vertreter hätten sich darangemacht, die Bürgerinitiative zu kapern, so der Anwalt. Führende Mitglieder verließen die Initiative ebenfalls. „Ich muss schon sehen, mit wem ich marschiere“, sagte Starke der Regionalzeitung.

    Was im Südosten Bayerns geschehen ist, kann überall passieren. Auch wenn konkrete Zahlen fehlen: Die extreme Rechte versucht, die Proteste gegen die Windenergie zu unterwandern und auf diese Weise Türen in Milieus aufzustoßen, die ihr bisher verschlossen blieben. Keine Frage, der Protest gegen den Ausbau der Windenergie ist ein demokratisches Grundrecht. Aber können Bürgerinitiativen immer überblicken, wer mit ihnen marschiert?

    Der BUND grenzt sich von der AfD ab. Kleinen Initiativen fällt das mitunter schwer

    Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie der BUND begleiten den Ausbau der Windenergie kritisch und pochen beispielsweise auf unabhängige Gutachten und Bürgerbeteiligung und strenge Auflagen, um Flora und Fauna zu schützen. Zugleich grenzen sie sich klar von der AfD ab, die mittlerweile in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bereits 2017 erklärte der BUND zur AfD: „Unsere Vorstellung einer freien, gerechten, weltanschaulich und religiös toleranten Gesellschaft ist mit rassistischen, fremdenfeindlichen und menschenrechtswidrigen Tendenzen in der AfD unvereinbar.“

    Kleinere Initiativen wie in Südostbayern, die sich mitunter spontan gründen und schnell wachsen, können die Gefahr aber offenbar nicht immer kommen sehen.

    Rückblick: Ende 2022 kündigte die Landesregierung in München den Bau eines Windparks in der Region rund um Altötting an, ohne weitere Details zu nennen. Doch schnell sickerte durch: Die Anlagen müssten groß sein, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Nabenhöhe: fast 200 Meter. Im Juni 2023 veröffentlichte das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Pressemitteilung; bei Altötting solle der „größte Wald-Windpark Süddeutschlands“ entstehen. 40 Windräder würden ab 2027 oder 2028 grünen Strom für das bayerische Chemiedreieck liefern, ein Vertrag mit dem Projektpartner, der Qair Deutschland GmbH, sei gerade unterzeichnet worden.

    Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Qair-Chefin Heike von der Heyden und Martin Neumeyer von den Bayerischen Staatsforsten zeigen Bilder des geplanten Windparks in Altötting.

    Februar 2024: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (rechts) wirbt mit Qair-Chefin Heike von der Heyden und Martin Neumeyer von den Staatsforsten für den Windpark in Altötting.

    Peter Biela setzt sich für die Energiewende ein. Aber er kann nachvollziehen, dass nicht jeder begeistert ist über den Windpark in der eigenen Region. Was Biela allerdings nicht akzeptieren möchte, sind Falschbehauptungen, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und Rechtsextreme, die den Protest gegen die Windenergieanlagen für sich zu nutzen versuchen. Gemeinsam mit Gleichgesinnten hat er deshalb einen Verein gegründet, Energiewende InnSalzach e.V., auf dessen Internetseiten sich auch ein Faktencheck befindet.

    Erst kursieren Falschbehauptungen – dann wird der Windpark abgelehnt

    Denn – und das ist eine Lehre, die sich aus Altötting ziehen lässt – „als das Projekt zwar schon angekündigt war, es aber kaum konkrete und öffentliche Informationen gab, haben die Gegner der Windenergie hier in der Region schnell Gegenstimmen mit Fake News gesammelt“, sagt Peter Biela im Gespräch mit EnergieWinde.

    Biela zieht daraus die Schlussfolgerung, dass Bürgerinnen und Bürger frühzeitig transparent informiert und in die Planungen mit einbezogen werden müssten, um von vornherein Proteste zu vermeiden, die auf Fake News basieren. „Dass lange Zeit so wenig aus München kam, macht den Kommunen hier bis heute zu schaffen“, sagt Biela.

    Mit weitreichenden Folgen: In der Gemeinde Mehring fand ein Bürgerentscheid statt, eine Mehrheit stimmte gegen den Bau von Windenergieanlagen auf Flächen der Kommune. Damit fehlten den Planern des Windparks Altötting auf einen Schlag zehn von 40 Windenergieanlagen. Inzwischen sind nur noch 27 Anlagen mit einer Leistung von 194 Megawatt geplant.

    Anführungszeichen

    Schnell tauchten auf Veranstaltungen der Windkraftgegner Leute auf, die man aus Querdenker-Demos kannte, die man aber noch nie gesehen hatte beim Naturschutz

    Peter Biela, Energiewende InnSalzach e.V.

    Was Peter Biela schon damals, als das Bürgerbegehren anstand, wunderte: „Schnell tauchten auf Veranstaltungen der Windkraftgegner Leute auf, die man aus Querdenker-Demos kannte, die man aber noch nie gesehen hatte beim Naturschutz, mit dem sie nun gegen die Windenergie argumentierten.“

    Biela unterscheidet drei Gruppen in der Bevölkerung: Zur ersten zählt er die Befürworter der Energiewende wie ihn selbst – sie müssten nicht überzeugt werden. Die zweite Gruppe sind die absoluten Gegner – sie könnten nicht mit Argumenten überzeugt werden. „Aber es gibt als dritte Gruppe auch viele Unentschlossene oder eher Desinteressierte, und bei einigen dieser Menschen fruchten Falschinformationen wie zum Beispiel die Behauptung, dass durch Windräder verursachter Infraschall die Gesundheit gefährdet“, sagt Biela.

    Um diese Gruppe macht er sich Sorgen. Denn wer den Links und Leseempfehlungen auf entsprechenden Flyern von „Gegenwind Altötting“ gefolgt sei, sei schnell bei Chemtrail-Erzählungen und anderen Verschwörungsmythen gelandet, so Biela. Sie gehören zum Werkzeugkasten der „Neuen Rechten“.

    Spuren führen zu einem Institut, das die Klima-Wirkung von CO2 herunterspielt

    Und tatsächlich: Auf der Internetseite von „Gegenwind Altötting“ finden sich Schriftstücke, die ein gewisser Günther Vogl unterzeichnet hat. Er vertritt die AfD im Stadtrat von Altötting und im Kreistag. Nach Recherchen des Blogs Volksverpetzer.de soll das „Otto-Hug-Strahleninstitut für Gesundheit und Umwelt (OHSI)“ im Sinne des Presserechts für Flyer von „Gegenwind Altötting“ verantwortlich gewesen sein. Das Institut gibt sich im Netz einen seriösen Anstrich, verbreitet aber Falschbehauptungen, die wissenschaftlich längst widerlegt sind. So heißt es in einem Papier aus dem September 2023, Politiker würden leugnen, dass „der Einfluss von CO2 auf das Klima vernachlässigbar ist“. Diese Aussage steht im Gegensatz zu dem, was der Weltklimarat IPCC an wissenschaftlich gesichertem Wissen über Jahrzehnte zusammengetragen hat.

    Ironie der Geschichte: Offenkundig kooperierte „Gegenwind Altötting“ wenigstens phasenweise mit Leugnern der menschengemachten Erderwärmung, preist aber gleichzeitig die Funktion des Waldes als CO2-Speicher.

    Doch wie kann es eigentlich sein, dass rechte Kreise plötzlich ihr Herz für den Wald- und Naturschutz entdecken, sonst aber bei jeder Gelegenheit gegen Klimaschutz und „grüne Ideologie“ wettern?

    Anführungszeichen

    Während sich nach innen häufig positiv auf Umweltschutz als Einheit von Natur und Nation bezogen wird, wird Klimaschutz nach außen zu einem „Ideologieprojekt globaler Eliten“ umgedeutet

    Christoph Richter, Rechtsextremismusexperte

    Für Christoph Richter, Mitautor des Buches „Klimarassismus – Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende“, ist das nur scheinbar ein Widerspruch. Der Soziologe und Rechtsextremismusexperte weist im Gespräch mit EnergieWinde auf einen „Dualismus“ innerhalb der radikalen Rechten bei Umwelt- und Klimathemen hin. „Aus dieser Perspektive ist die Welt zweigeteilt – in ein Innen und ein Außen. Während sich nach innen häufig positiv auf Umweltschutz als Einheit von Natur und Nation bezogen wird, wird Klimaschutz nach außen zu einem ‚Ideologieprojekt globaler Eliten‘ umgedeutet und als ‚Bedrohung nationaler Interessen‘ bekämpft“, erklärt Richter.

    Bezogen auf die Nutzung der Windenergie könnte ein Narrativ der extremen Rechten sinngemäß lauten: Die Elite will grünen Windstrom, den Preis zahlen die einfachen Leute, die Windräder vor der Nase haben.

    Droht dem Umweltschutz eine Radikalisierung? Eine Fachstelle will das verhindern

    Florian Teller von der FARN, der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz, bedauert indes: Nein, eine genaue Checkliste, die man abhaken könnte, um falsche Mitstreiter gleichsam zu enttarnen, gebe es nicht. Teller geht es vor allem darum, Menschen im Natur- und Umweltschutz zu sensibilisieren. „Das sind Bereiche, die vielen als unpolitisch, wenn nicht sogar als progressiv und politisch links gelten. Aber das ist keine Garantie dafür, dass Rechtsextreme nicht mitmachen wollen“, sagt Florian Teller.

    FARN wurde 2017 vom Freizeitverband NaturFreunde Deutschland und dessen Jugendorganisation gegründet, der Naturfreundejugend. Die Fachstelle hat es sich zur Aufgabe gemacht, die historischen und aktuellen Verknüpfungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit extrem rechten und völkischen Strömungen zu untersuchen und Präventionsarbeit anzubieten.

    Gerade der Wald werde von Rechten mythologisch überhöht, als Ursprungsort der Germanen, die sich im Teutoburger Wald tapfer gegen die Römer gestemmt hätten, meint Florian Teller. „Rechtsextreme haben oft versucht, aus dem Wald eine Identität zu ziehen.“ Seien nun Windenergieanlagen in Wäldern geplant, könne das auch Extremisten auf den Plan rufen. „Die Windenergie ist besonders anfällig für rechte Einflussnahme. Und dann stehen Naturschützer vor der Frage: Wollen wir den Wald schützen und es ist egal, wer mitmacht? Davor warnen wir!“

    „Globalismus“, „Elite“: Solche Begriffe verraten oft die rechtsextreme Gesinnung

    Wenn auch keine Checkliste, so gebe es doch bestimmte Begriffe, Wendungen und Schlagworte, bei denen demokratische Waldschützer aufmerken sollten, meint der FARN-Experte. „Begriffe wie ‚organisch‘, ‚Heimat‘, ‚Globalismus‘ oder auch ‚Elite‘ können darauf hindeuten, dass jemand aus der rechten Ecke kommt“, sagt Florian Teller.

    Dass – wie in Altötting – auch AfD-Mitglieder plötzlich für den Schutz des Waldes agitieren, wundert ihn nicht. „Die AfD versucht immer, auf aktuellen Empörungswellen zu surfen.“

    Anführungszeichen

    In der „Dresdner Erklärung“ ordnet die Partei den Umweltschutz klar der Wirtschaft unter

    Florian Teller, Fachstelle FARN, über die AfD

    Ein Beispiel dafür seien die Proteste rund um den Jahreswechsel, nachdem die Bundesregierung angekündigt hatte, Agrardiesel für landwirtschaftliche Betriebe zukünftig nicht mehr steuerlich zu begünstigen. „Obwohl die AfD in ihren Programmen immer den Abbau von Subventionen fordert, stellte sie sich sofort an die Seite der Bauern“, erinnert sich Florian Teller. Er rät Umwelt- und Naturschutzgruppen in Gesprächen mit AfD-Vertretern dazu, auf die programmatischen Erklärungen der AfD hinzuweisen: „In der ,Dresdner Erklärung' ordnet die Partei den Umweltschutz klar der Wirtschaft unter“, sagt Teller. Tatsächlich findet sich in der Erklärung beispielsweise der Satz: „Eine Gemeinschaft muss sich Umweltschutz leisten können.“

    Hält die „Brandmauer“? Das könnte sich (auch) an der Windkraft entscheiden

    Dass die AfD ihre Liebe für den Wald entdeckt, sobald die Windenergie ins Spiel kommt, hat längst auch landespolitische Folgen. In Thüringen stimmten CDU und FDP mit der AfD einem Waldgesetz zu, das die Nutzung von Windenergie auf Waldflächen quasi unmöglich macht. Rechtsextremismusexperte Christoph Richter sieht in der Windenergie eines der kommunalpolitischen Themen, das die „Brandmauer“, mit der CDU-Chef Friedrich Merz eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen will, infragestellt. Ein Schulterschluss bei diesen Themen sei damit nicht nur problematisch für den Klimaschutz, sondern auch für den demokratischen Zusammenhalt, sorgt sich Richter.

    Windenergie-Ausbau im ersten Halbjahr 2024: In Nordrhein-Westfalen ist die Kapazität am stärksten gewachsen, in Thüringen ist sie sogar gesunken. Infografik: Andreas Mohrmann

    Die Demokratie freilich lebt auch von den Demokratinnen und Demokraten, die sich für sie einsetzen. Das sieht auch Peter Biela so, der Energiewendebefürworter aus dem Südosten Bayerns. „Unser Problem hier bestand auch darin, dass die Menschen, die keine Verschwörungsmythen teilen und rechte Kräfte ablehnen, viel zu still sind.“ Ihnen will er mit dem Verein Energiewende InnSalzach eine Stimme geben.

    Einen ersten Erfolg gibt es schon. Anders als in Mehring stimmte im Juni in der Nachbargemeinde Marktl eine Mehrheit für den Bau von Windenergieanlagen.

    Go Top