Negative Strompreise

  • Search16.05.2025

Auto laden, Geld verdienen

An der Börse fällt der Strompreis immer öfter ins Minus. Verbraucher mit Smart Meter und dynamischen Tarifen können davon profitieren. Doch für den Ausbau der Erneuerbaren schafft die Entwicklung Probleme.

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    An der Börse fällt der Strompreis immer öfter ins Minus. Verbraucher mit Smart Meter und dynamischen Tarifen können davon profitieren. Doch für den Ausbau der Erneuerbaren schafft die Entwicklung Probleme.

    Wer am vergangenen Sonntag sein Elektroauto auflud, konnte damit ein paar Euro verdienen. Doch bislang verfügen nur wenige Haushalte über die nötigen Voraussetzungen.

     

    Von Volker Kühn

    Kurz vor Weihnachten setzte es für die deutsche Energiepolitik eine Ohrfeige aus dem hohen Norden. „Ich bin sauer auf die Deutschen“, erklärte die schwedische Energieministerin Ebba Busch. Was sie so erzürnt hatte, waren die Strompreise. Denn Mitte Dezember kam es zu einer Dunkelflaute über Deutschland: Wind- und Solarparks lieferten bei trübem, windstillem Wetter kaum Strom, zugleich war der Bedarf hoch.

    In der Folge taten die Preise das, was das Gesetz von Angebot und Nachfrage vorsieht: Sie stiegen. Allerdings in einem bis dato ungekannten Ausmaß. Kurzzeitig kostete eine Kilowattstunde Strom an der Börse gut 94 Cent.

    Doch nicht nur in Deutschland waren die Preise hoch, betroffen waren auch andere Länder. Etwa Schweden, das in vier Zonen mit unterschiedlichen Strompreisen geteilt ist. Im Süden, der über Stromkabel mit Deutschland verbunden ist, zahlten Verbraucher in der Hochpreisphase umgerechnet 2,70 Euro, wenn sie sich zehn Minuten unter die Dusche stellten, klagte Busch. In Nordschweden seien es nur 1,5 Cent gewesen. Schuld an dieser „Achterbahnfahrt der Strompreise“ sei Deutschland, das trotz der Energiekrise seine Atomkraftwerke abgeschaltet habe.

    Schwedens Energieministerin Ebba Busch kritisiert Deutschlands Energiepolitik: „Ich bin sauer auf die Deutschen!“

    Schwedens Energieministerin Ebba Busch: „Ich bin sauer auf die Deutschen!“

    In diesen Wochen allerdings hört man keine verstimmten Töne aus Stockholm. Das mag zum Teil daran liegen, dass Buschs Vorwurf nur halb zutraf, wie der Ministerin vorgehalten wurde. Denn auch Schwedens Atomkraft hatte im Dezember mal wieder Probleme. Zudem ist Schwedens Stromnetz nicht gut genug ausgebaut, um den Süden in knappen Zeiten mit günstigem Strom aus Wasserkraftwerken im Norden zu beliefern. Beides verschärfte damals die Lage.

    Der eigentliche Grund dürfte aber etwas anderes sein: Es gibt aktuell keinen Grund zu klagen. Denn die Zeit der winterlichen Dunkelflauten wurde durch das abgelöst, was in der Energieszene etwas ungelenk Hellbrise genannt wird: Die Sonne lacht, der Wind weht, und erneuerbare Energien fluten die Leitungen mit Strom.

    Oft liefern sie sogar weit mehr, als nachgefragt wird. Und auch dann tun die Preise, was ihnen die Marktgesetze vorschreiben: Sie fallen.

    Warum es immer öfter negative Strompreisen gibt

    Doch auch das führt zu Situationen, die absurd anmuten. Am vergangenen Sonntag etwa. Da purzelten die Strompreise bis in den negativen Bereich. Zeitweise zahlten Stromerzeuger 25 Cent für jede Kilowattstunde, die Verbraucher ihnen abnahmen.

    Schon 2024 war der Strompreis an insgesamt 457 Stunden negativ. In diesem Jahr waren es bis gestern bereits 185, wie aus Zahlen des Informationsportals Energy Charts hervorgeht. Der Rekord aus dem Vorjahr wird vermutlich übertroffen.

    In Deutschland gibt es immer öfter negative Strompreise an der Börse. Die Infografik zeigt die Zahl der Stunden pro Jahr von 2013 bis Mai 2025. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Dahinter stehen im Wesentlichen zwei Ursachen:

    • Zum einen boomen die erneuerbaren Energien in Deutschland, insbesondere die Solarenergie. 2024 wurden in Deutschland Anlagen mit einer Kapazität von mehr als 16 Gigawatt neu errichtet. Das ist mehr als das Dreifache der Leistung, auf die Deutschlands letzte drei Atomkraftwerke kamen. An sonnigen Tagen fließt deshalb immer mehr Sonnenstrom ins Netz. Und auch der Ausbau der Windenergie hat nach den Reformen der Ampelkoalition wieder Fahrt aufgenommen. Das Wetter hat dadurch einen immer größeren Einfluss auf das Stromangebot.
    • Zum anderen laufen nach wie vor viele fossile Großkraftwerke in Deutschland. Sie produzieren häufig auch dann weiter, wenn ein Überangebot an Strom vorhanden ist.

    Warum Kraftwerke bei negativen Preisen nicht abgeschaltet werden

    Es erscheint irrational, dass Kraftwerksbetreiber auch dann Strom liefern, wenn sie dafür bezahlen müssen. Doch dafür gibt es sowohl technische als auch rechtliche Gründe. Große Kohlekraftwerke etwa sind dafür gemacht, möglichst gleichmäßig zu laufen. Ein ständiges Ein- und Ausschalten könnte zu Sicherheitsproblemen und teurem Verschleiß führen. Oft ist es für die Betreiber einfacher, ihren Strom vorübergehend zu negativen Preisen zu verkaufen.

    Zudem lassen sich viele Solaranlagen nicht fernsteuern und abschalten, anders als etwa Windräder. Und für einen Teil der Anlagen gibt es keinen ökonomischen Anreiz, bei negativen Preisen abzuschalten. Denn sie erhalten auch in diesen Phasen eine feste Vergütung und belasten damit das EEG-Konto – wobei die Ampel das Ausmaß mit einer im Februar in Kraft getretenen Reform begrenzt hat.

    Das wiederum stellt allerdings Anlagenbetreiber vor Probleme, die diese Einnahmen eingepreist hatten. Der Bundesverband Erneuerbare Energien macht sich daher für eine Reform des Fördermechanismus stark, die die volkswirtschaftlichen Kosten negativer Preise begrenzen soll, ohne den Ausbau der Erneuerbaren abzuwürgen.

    Warum nur wenige Verbraucher direkt von negativen Strompreisen profitieren

    Für Großverbraucher in der Industrie, die ihren Strom teils direkt an der Börse beschaffen, sind Zeiten mit negativen Preisen natürlich erfreulich. Das gilt umso mehr, wenn sie die Produktion gezielt in solche Zeiten verschieben oder den Strom speichern und später verbrauchen können. „Lastmanagement“ wird dieser Vorgang genannt.

    Privathaushalte haben dagegen nur selten die Chance, direkt von den Tiefpreisphasen zu profitieren. Denn dazu ist zweierlei nötig:

    • ein Smart Meter Gateway (auch als intelligenter Stromzähler geläufig), das den Verbrauch in Echtzeit an den Stromlieferanten liefert und
    • ein dynamischer Stromtarif, bei dem Verbraucher statt fester Abschläge die schwankenden Preise an der Strombörse zahlen.

    Zwar sind seit Januar alle Stromanbieter verpflichtet, dynamische Tarife anzubieten. Doch der Einbau der nötigen intelligenten Zähler, im Fachsprech Smart-Meter-Rollout genannt, läuft in Deutschland so schleppend wie in kaum einem anderen Land Europas.

    Zuständig sind in der Regel die fast 900 Netzbetreiber in Deutschland, die als sogenannte grundzuständige Messstellenbetreiber meist auch die Zähler besitzen. Rund 500 von ihnen sollen allerdings noch nicht ein Smart Meter eingebaut haben.

    Daneben gibt es inzwischen laut der Bundesnetzagentur gut zwei Dutzend sogenannte wettbewerbliche Messstellenbetreiber, Tendenz steigend. Auch sie bauen auf Kundenwunsch Smart Meter mit Gateways ein. Denn der Wechsel des Messstellenbetreibers ist zumindest vom Prinzip her genauso einfach möglich wie der des Stromanbieters. In der Praxis ist das allerdings kaum bekannt.

    Solarpark in Bayern: Je öfter der Strompreis negativ ist, desto weniger rentiert sich der Bau neuer Anlagen für Investoren. Die Branche sieht darin eine Gefahr für die Energiewende.

    Solarpark in Bayern: Je öfter der Strompreis negativ ist, desto weniger rentiert sich der Bau neuer Anlagen für Investoren.

    Wer bereits über den nötigen Zähler samt dynamischem Tarif verfügt, kann sich in diesen Tagen freuen. Um die Mittagszeit, wenn die Solarenergie auf Hochtouren läuft, fallen die Preise an der Börse regelmäßig – in diesen Tagen oft auf knapp unter null. Zwar kommen für Endverbraucher noch Steuern und Abgaben hinzu, die für Endverbraucher mehr als die Hälfte des Strompreises ausmachen. Aber selbst dann sind oft Preise von 15 Cent oder weniger möglich.

    Am vergangenen Sonntag, als nicht nur die Sonne schien, sondern auch noch der Wind stark wehte, war die Situation besonders extrem. Selbst inklusive aller Abgaben war der Preis tief im Minus. Wer um diese Zeit die Waschmaschine anwarf, konnte ein paar Cent verdienen. Wer sein E-Auto lud, dürfte sogar mehrere Euro eingenommen haben.

    Auch in anderen Ländern Europas drückte der Stromüberschuss an diesem Tag die Preise. Was Stockholm dazu sagt, ist nicht bekannt.

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