Nach Atomausstieg

  • Search18.08.2023

Kohle-Comeback ausgefallen

Seit vier Monaten kommt Deutschland ohne Atomstrom aus. Ersetzen nun dreckige Kohlekraftwerke die abgeschalteten AKW? Ein Faktencheck.

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    Das von vielen befürchtete Kohle-Comeback nach dem Atomausstieg ist ausgeblieben: Deutschlands Kohlekraftwerke erzeugen sogar weniger Strom als zuvor.

    Strom aus Kohlekraftwerken (wie hier in NRW) ist teurer und wird zunehmend von günstigeren Quellen verdrängt.

     

    Von Volker Kühn

    Dem Atomausstieg im April ging ein monatelanger Streit voraus. Anhänger der Technologie forderten vehement, die letzten drei Reaktoren länger am Netz zu lassen oder gar neue zu bauen. Im Kern beriefen sie sich dabei auf drei Argumente:

    • Klimaschutz: Ohne Atomstrom müsse Deutschland mehr dreckige Kohle verfeuern.
    • Versorgungssicherheit: Ohne Atomstrom hänge Deutschland am Tropf des Auslands.
    • Kosten: Ohne Atomstrom steige der Strompreis.

    Stimmt das?

    Die Fakten sagen etwas anderes. Das betriff zunächst die CO2-Bilanz der deutschen Stromversorgung. Nach Zahlen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE liefern Deutschlands Kohlekraftwerke seit dem Atomausstieg nicht mehr, sondern deutlich weniger Strom. Kamen Braun- und Steinkohle im März zusammen noch auf knapp 11.000 Gigawattstunden, waren es im Juli nur noch gut 6000. Im laufenden August dürfte es noch mal weniger werden.

    Deutsche Stromerzeugung 2023: Trotz des Atomausstiegs im April ist auch der Kohle-Anteil im Strommix gesunken. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Das liegt daran, dass es genügend Alternativen gibt, die billiger sind als Kohlekraftwerke. Denn nach dem an der Strombörse geltenden Merit-Order-Prinzip werden zur Stromversorgung grundsätzlich immer zuerst die günstigsten Quellen herangezogen, vor allem also Wind- und Solarparks. Ist ihre Leistung hoch, verdrängen sie die teuren fossilen Kraftwerke.

    Weil die Erneuerbaren ausgebaut werden, kommt das immer häufiger vor. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres gingen neue Windräder und Solaranlagen mit einer Leistung von zehn Gigawatt ans Netz, wie das Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) meldet. Zum Vergleich: Die letzten drei Reaktoren kamen auf gut 4,3 Gigawatt. (Wobei wetterabhängige erneuerbare Quellen die Leistung von Atomkraftwerken natürlich nicht eins zu eins ersetzen können, dazu sind unter anderem Speicher nötig.)

    Das Land könnte sich selbst versorgen. Aber Dänemarks Windkraft ist günstiger

    Auch die zweite Befürchtung von Befürwortern der Kernenergie, die vermeintliche Abhängigkeit vom Ausland, ist vier Monate nach dem Atomausstieg nicht eingetreten. Zwar sind die Stromimporte seither tatsächlich gestiegen. Allerdings nicht, weil sich Deutschland nicht mehr selbst versorgen könnte – dazu hätte es genügend Kohle- und Gaskraftwerke gegeben. Sondern weil der Strom aus dem Ausland günstiger war als der aus Kohle und Gas. Größter Lieferant im ersten Halbjahr war Dänemark, das seinen Strom vor allem in Windparks produziert, gefolgt vom wasserkraftreichen Norwegen.

    Auch aus Frankreich floss mehr Strom. Das ist im Sommer allerdings häufig der Fall, sofern die französischen Atommeiler nicht gerade ausfallen, weil aufgrund von Dürren das Kühlwasser aus den Flüssen fehlt.

    Bleibt Punkt drei: Hat der Atomausstieg den Strompreis nach oben getrieben? Auch hier gibt es Entwarnung. Wer heute einen neuen Vertrag abschließt, zahlt nach Angaben des Vergleichsportals Verivox im Schnitt 30 Cent pro Kilowattstunde. So niedrig lagen die Preise zuletzt im Herbst 2021, vor der Energiekrise.

    Anhänger der Atomkraft werden einwenden, dass das Stromangebot bei einem Weiterbetrieb der Reaktoren größer und die Preise damit noch niedriger wären. Das ist denkbar, ändert aber nichts daran, dass die Preise nicht wie prophezeit gestiegen, sondern gesunken sind.

    Noch liegt der Atomausstieg erst vier Monate zurück. Ist all das womöglich nur eine Momentaufnahme? Könnte es auf lange Sicht doch noch zu einem Comeback der Kohle in Deutschland kommen?

    Auch das halten Wissenschaftler für wenig wahrscheinlich. Dem Ökonomen Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge wird der Emissionshandel mit seinen steigenden CO2-Preisen das Aus der Kohle schon vor 2030 besiegeln – europaweit.

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