Weil besonders Deutschland Strom nach Frankreich exportiert, liegt auf der Hand, dass der Nachbar vom Ausbau der erneuerbaren Energien hierzulande profitiert, insbesondere von der Windenergie, die fast ein Viertel am deutschen Strommix stellt. „Die erneuerbaren Energien leisten in Deutschland im Moment einen sehr wichtigen Beitrag zur europäischen Versorgungssicherheit“, bestätigt im EnergieWinde-Gespräch Sven Rösner, Geschäftsführer des Deutsch-Französischen Büros für die Energiewende in Paris.
Das wirkt sich allerdings auch auf das europäische Preisgefüge aus. „Für Erzeuger ist es attraktiv, ihren Strom dorthin zu verkaufen, wo die Preise hoch sind“, sagt Andreas Löschel, Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum. Dadurch verknappt sich das Angebot im eigenen Land und der Strompreis geht auch dort weiter nach oben, so Löschel gegenüber EnergieWinde.
Die Ausfälle treffen EdF hart. Der Konzern muss den Strom am Markt nachkaufen
EdF hat angekündigt, dieses Jahr 70 Terrawattstunden Atomstrom weniger zu erzeugen. Das ist so viel wie die Schweiz in einem Jahr verbraucht. Die fehlende Energie muss der Konzern zu hohen Preisen einkaufen, um ihn an seine Kunden zu liefern. EdF rechnet auch deshalb mit einem Gewinneinbruch von 19 Milliarden Euro im laufenden Jahr.
Auf die Verbraucher abwälzen, kann EdF die erhöhten Kosten nicht. Denn die Regierung hat einen Preisdeckel für Strom verfügt. Dadurch entfällt zudem ein Anreiz zum Stromsparen, was die Probleme des Konzerns weiter verstärkt. Frankreich plant auch deshalb eine Komplettübernahme von EdF. Das Angebot liegt bei knapp zehn Milliarden Euro.
16 Jahre später, 19 Milliarden Euro teurer: der Reaktor in Flamanville ist ein Fiasko
Hilfe ist dringend nötig, da es bei EdF viele Baustellen gibt. Eine davon ist der geplante Europäische Druckwasserreaktor (EPR) in Flamanville. Er sollte ursprünglich 3,3, Milliarden Euro kosten. Der Bau begann 2007 und sollte 2012 abgeschlossen sein. Doch die Fertigstellung verschob sich immer wieder. Der französische Rechnungshof geht mittlerweile von mehr als 19 Milliarden Euro Kosten aus. Der Betrieb soll nach aktuellem Stand 2023 beginnen, woran aber erhebliche Zweifel bestehen. Denn der EPR entwickelt sich auch in anderen Ländern zum Fiasko.
Einen Reaktor ähnlichen Bauart errichtet EdF im britischen Hinkley Point. Auch dort gibt es Probleme. Ein weiterer Reaktor des Typs ging Ende 2021 im finnischen Olkiluoto mit 13 Jahren Verspätung ans Netz. Er kostete mehr als dreimal so viel wie geplant. Einen erheblichen Teil der zusätzlichen Kosten musste das Herstellerkonsortium tragen − also Siemens und der französische Atomkonzern Areva, den EdF mittlerweile übernommen hat.
Macron hält an der Atomkraft fest – und setzt parallel auf Offshore-Wind
Trotz der gigantischen Probleme bleibt Frankreich der Atomkraft treu. Zumindest verbal. Im Februar kündigte Präsident Emmanuel Macron Milliardeninvestitionen für den Bau von sechs neuen Druckwasserreaktoren an sowie Machbarkeitsstudien für acht weitere. Er gab sich unverdrossen zuversichtlich. Einen Fehlschlag wie in Flamanville soll es nicht mehr geben. „Wir haben daraus gelernt und werden nun schneller sein.“
Atomstrom ist allerdings nicht mehr die einzige Karte, auf die Frankreich setzt. Parallel plant das Land, die Erneuerbaren massiv auszubauen, vor allem in der Offshore-Windenergie. Auch das ist ein Lerneffekt aus den Mängeln der Atomkraft.