Carsten Agert leitet das Institut für Vernetzte Energiesysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oldenburg.
Von Volker Kühn
Erst ging der Gaspreis durch die Decke, jetzt explodiert der Strompreis. Bis zu 1050 Euro je Megawattstunde waren zuletzt an der Strombörse fällig. Verantwortlich dafür ist ein ganzes Bündel an Ursachen, allen voran das seit Wochen außergewöhnlich niedrige Stromangebot in Europa. In Frankreich laufen nur 24 von 56 Atomkraftwerken, weil sie gewartet werden müssen oder den Flüssen aufgrund der Dürre das Kühlwasser für die Reaktoren fehlt. Zugleich zehrt die Dürre an der Leistung der Wasserkraftwerke in den Alpenländern. Regionen, die sonst Strom exportieren, importieren ihn derzeit massiv von ihren Nachbarn. Zudem ist alles, was die Kosten für Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken in die Höhe treibt, seit geraumer Zeit teuer: Erdgas, Kohle, der Transport von Kohle und CO2-Zertifikate.
Die Politik hat deshalb eine Reform des Strommarkts angekündigt. Die Verbraucher sollen stärker von günstigem Ökostrom profitieren. Im Fokus steht insbesondere das Merit-Order-Modell, das dazu führt, dass die hohen Kosten von Gaskraftwerken auch auf alle anderen Stromquellen durchschlagen.
Auch Carsten Agert, Direktor des DLR-Instituts für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg, hält den Strommarkt für reformbedürftig. Der Grund dafür liege allerdings nicht in den aktuellen Preisausschlägen, sagt der Professor für Energietechnologie im Gespräch mit EnergieWinde.
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Herr Agert, das Merit-Order-Modell zur Preisfindung an der Strombörse steht in der Kritik. Muss es überarbeitet werden?
Carsten Agert: Ja, unbedingt! Das hat allerdings wenig mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder den aktuell hohen Strompreisen zu tun. Das System ist grundsätzlich reformbedürftig, weil es immer weniger zu unserer zunehmend auf erneuerbaren Energien basierenden Stromwelt passt.