Der Ökonom Andreas Löschel ist Professor für Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum und berät als Leiter der Kommission Energie der Zukunft die Bundesregierung. Zudem arbeitet er als Leitautor am Weltklimabericht mit.
Deutschlands Energieversorgung hängt von Russland ab. Von dort stammen 55 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases, 34 Prozent des Erdöls und 45 Prozent der Steinkohle. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sucht die Bundesregierung mit Hochdruck nach alternativen Lieferanten. Langfristig sei ein Verzicht auf russische Lieferungen unproblematisch, da er im Zuge der Energiewende ohnehin eingeplant sei, sagt Andreas Löschel. In den kommenden zwei bis drei Wintern allerdings werde es kompliziert. Im Interview erklärt der Energieökonom, welche Rolle Kohle, Gas und Erneuerbare künftig spielen und auf welche Entwicklungen sich Verbraucher und die Industrie gefasst machen müssen.
Herr Löschel, was muss passieren, wenn sich Deutschland aus der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen befreien will?
Andreas Löschel: Man muss zwischen der kurzfristigen und der langfristigen Perspektive unterscheiden. Langfristig ist Deutschland bereits auf einem guten Weg, weil der Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis 2045 ohnehin beschlossene Sache ist. Kurzfristig, also mit Blick auf die nächsten zwei oder drei Winter, ist es komplizierter. Deutschland kommt aber gar nicht umhin, so schnell wie möglich eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen. Schließlich erleben wir, dass die Energieversorgung unsicher geworden ist, und das von gleich zwei Seiten: Zum einen könnte Russland von sich aus entscheiden, den Hahn komplett zuzudrehen – es fließt ja bereits seit Mitte vergangenen Jahres weniger Gas. Zum anderen stehen Deutschland und Europa unter Druck, weniger Erdgas, Kohle und Öl aus Russland abzunehmen, um den russischen Haushalt und damit indirekt auch den Krieg gegen die Ukraine nicht zu finanzieren. Aktuell überweisen wir jeden Tag mehrere Hundert Millionen Euro nach Russland.