Klimakrise

  • Search19.01.2025

Zeit für Zuversicht

Optimismus ist im Kampf fürs Klima unerlässlich. Denn nur wer darauf vertraut, etwas verändern zu können, wird sich engagieren. Die gute Nachricht: Optimismus ist nicht nur trainierbar – sondern auch durch Fakten gerechtfertigt.

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    Polarlichter über einem Windpark in Ostfriesland 2024: Die Energiewende läuft viel besser als allgemein angenommen.

    Es kommt nicht oft vor, dass sich das Nordlicht so weit im Süden zeigt wie über diesem Windpark in Ostfriesland 2024. Mindestens ebenso rar erscheinen gute Nachrichten über die Energiewende. Dabei kommt der Ausbau sauberer Energien erstaunlich schnell voran.

     

    Von Volker Kühn

    Die Gesellschaft ist gespalten, das Vertrauen in die Regierung erschüttert, andere Länder ziehen technologisch davon: Das könnte eine Beschreibung der Bundesrepublik nach dem Ampelbruch sein. Gemeint aber sind die USA der frühen Sechziger. Das Land durchlebt damals eine Phase tiefer Verunsicherung. Die Invasion in der Schweinebucht auf Kuba gerät zum Fiasko für die junge Kennedy-Regierung und in der Heimat liefern sich Bürgerrechtler Kämpfe mit dem Ku-Klux-Klan. Auch der prestigeträchtige Wettlauf ins All scheint verloren, seit der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin lächelnd von seiner Erdumrundung zurückgekehrt ist.

    In dieser Lage hält John F. Kennedy 1962 eine bemerkenswerte Rede. Noch vor Ende des Jahrzehnts, so erklärt der Präsident vor 35.000 Menschen in Houston, werde Amerika zum Mond fliegen – und zwar „nicht, weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist“. Das Unterfangen werde Unsummen kosten und man wisse nicht, was es zu gewinnen gebe, räumt er ein. Doch Skeptikern hält er Amerikas Urtugend entgegen: unerschütterlichen Optimismus. Der Mondflug sei „ein Akt des Glaubens und der Vision“, erklärt er. Sieben Jahre später hält die Welt den Atem an, als Neil Armstrong „ein großer Sprung für die Menschheit“ gelingt.

    Klimakrise und Kriege: Gründe zum Verzweifeln gäbe es genug

    Kennedys Rede ist fast 63 Jahre alt, doch sie liest sich wie ein Rezept gegen jenen Mix aus Trübsal und Verdruss, der Deutschland erfasst hat. Kaum ein Tag vergeht ohne schlechte Nachrichten aus Politik und Wirtschaft. Industrie-Ikonen taumeln, Mittelständler drohen mit Exodus, die 1,5-Grad-Grenze ist gerissen und Klimagipfel enden im Minimalkompromiss. Während Tier- und Pflanzenarten in nie gekanntem Tempo aussterben und Wetterextreme um den Globus jagen, wirken Klimaaktivisten seltsam erschlafft. Während Dürren und Fluten Menschen in aller Welt zur Flucht zwingen, planen die USA offenbar den erneuten Ausstieg aus dem Klimaabkommen.

    Die Lage ist ernst, keine Frage. Doch sie ist bei Weitem nicht immer so schlecht wie behauptet. Und die vielstimmigen Untergangsgesänge werden mehr und mehr zum Problem. Wer engagiert sich noch, wenn er laufend hört, dass alles den Bach runtergeht, wer motiviert andere, im Kampf gegen die Klimakrise den Mut nicht sinken zu lassen?

    Menschen blenden das Gute aus – und überschätzen das Schlechte

    „Die Gefahr ist, dass man sich von einer Flut schlechter Nachrichten so stark beeinflussen lässt, dass man in einen Zustand von Hoffnungslosigkeit und Passivität verfällt“, sagt Eva Asselmann, Professorin für Persönlichkeitspsychologie an der Health and Medical University in Potsdam. Dummerweise reagieren Menschen auf Negatives besonders stark. Schlechte Nachrichten bleiben besser im Gedächtnis, gute werden ausgeblendet oder unterschätzt.

    Dahinter steht ein Mechanismus, den Psychologen Negativitätsverzerrung nennen. Evolutionär war er durchaus berechtigt, sagt Asselmann: Wer überall Unheil witterte, hatte bessere Chancen, dem sprichwörtlichen Säbelzahntiger zu entgehen.

    Doch angesichts der sich beschleunigenden Klimakrise ist der Mechanismus fatal. Denn mit Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit werden wir den Planeten nicht retten. Es braucht dazu ein Mindestmast an Mut und Zuversicht, sagt die Forschung.

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    Alles beginnt im Kopf! Deshalb ist die Zuversicht so wichtig

    Maren Urner, Neurowissenschaftlerin

    „Nur wenn ich die aktive Hoffnung habe, dass mein Tun etwas verändern kann, mache ich mich auch wirklich auf den Weg und fange an“, sagt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner im EnergieWinde-Interview. „Wer nicht die Überzeugung hat, einen Unterschied machen zu können, steckt in der erlernten Hilflosigkeit fest. Alles beginnt im Kopf! Deshalb ist die Zuversicht so wichtig.“

    Optimismus ist Pflicht. Denn eine vernünftige Alternative dazu gibt es nicht

    Ähnlich argumentierte der österreichisch-britische Wissenschaftsphilosoph Karl Popper (1902–1994). Ihm zufolge ist Optimismus die vernünftigste Art, mit schwierigen Situationen und Ängsten umzugehen. Man dürfe sich nicht von Problemen überwältigen lassen. Optimismus helfe, Lösungen zu finden und positiv in die Zukunft zu blicken, selbst wenn die Umstände herausfordernd sind. Wer Hoffnung und Zuversicht bewahrt, verbessere sein Durchhaltevermögen und könne kreative und effektive Lösungen entwickeln. „Optimismus ist Pflicht“, soll Popper gesagt haben.

    Das Gute ist: Optimismus lässt sich trainieren. Es helfe schon, sich jeden Abend vor Augen zu halten, was tagsüber positiv gelaufen sei, sagt Asselmann. Damit trainiere man den Blick für das Gute und entkomme der negativen Verzerrung. Wer sein Gemüt auf diese Weise immunisiert, dem falle es auch leichter, das viel zitierte Doomscrolling zu vermeiden: den Drang, Stunde um Stunde in den Gift-und-Galle-Kanälen der sozialen Netzwerke zu verbringen.

    Aber gibt es das überhaupt – gute Nachrichten vom Kampf gegen die Klimakrise? Durchaus! Tatsächlich läuft es sogar sehr viel besser als oft angenommen. Die Welt erlebt gerade eine Energierevolution, und es sind die Erneuerbaren, die dabei gewinnen. Drei Beispiele:

    • Die Energiewende kommt voran: Deutschlands Strommix war noch nie so grün wie heute. Fast 60 Prozent des Stroms kamen im vergangenen Jahr aus Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Energiequellen. Zugleich sank der Kohleverbrauch auf einen Tiefststand. Und Deutschland steht mit der Energiewende nicht allein: Viele Länder in Europa und Übersee haben bereits einen höheren Ökostromanteil als Deutschland, Industrieländer genauso wie Schwellenländer.
    • Erneuerbare werden immer günstiger: Sonne, Wind und Wasser sind die günstigsten Formen der Stromerzeugung. Auch deshalb stecken Investoren weltweit jedes Jahr weit mehr Geld in erneuerbare als in konventionelle Quellen. Beispiel Atomkraft: 2024 wuchs die Leistung der weltweit installierten Kernkraftwerke um 3,9 Gigawatt – aber die der Solarenergie um 593 Gigawatt. Es sind die Kräfte des Marktes, die der Energiewende Rückenwind geben.
    World Energy Outlook 2024 (IEA): Seit etwa 2018 wird weltweit mehr Geld in erneuerbare als in fossile Energiequellen Investiert. Infografik: Benedikt Grotjahn
    • Der „Speicher-Tsunami“ rollt: Die gefürchtete Dunkelflaute verliert zunehmend ihren Schrecken. Denn die Kapazität der Speicher, die uns durch Zeiten ohne Sonne und Wind helfen, wächst in ungeahntem Tempo. Der Grund ist auch hier ökonomischer Natur: Speicher sind so günstig geworden, dass ihr Einsatz für ihre Betreiber schlicht ein gutes Geschäft ist.

    Statt sich in Debatten über eine vermeintliche „Renaissance der Kernkraft“ zu verzetteln oder von gezielter Desinformation aus dem fossilen Lager bangemachen zu lassen, hilft es, sich solche Fakten vor Augen zu halten, um mit neuer Zuversicht gegen den Klimawandel einzutreten.

    In schwierigen Situationen Chancen zu entdecken, das zeichnet viele Optimisten aus. „Man darf nicht in eine Opferrolle verfallen und ,denen da oben‘ die Schuld an allem geben“, sagt Antje von Dewitz. Sie ist Chefin des Outdoor-Ausrüsters Vaude, eines Pioniers in Sachen Nachhaltigkeit. Optimismus ist für sie nicht nur eine Frage der inneren Einstellung, sondern auch ein Gebot unternehmerischer Verantwortung: „Die Wirtschaft genießt noch immer hohes Vertrauen, laut Studien mehr als Politik oder Medien. Daraus ergibt sich für mich die Pflicht, aktiv dazu beizutragen, die Umstände zu verbessern.“

    Sprengung der Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Boxberg II in der Lausitz: Mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien werden fossile Kraftwerke zunehmend unwirtschaftlich.

    Sprengung der Kühltürme eines Braunkohlekraftwerks in der Lausitz: Erneuerbare Energien verdrängen die Technologien von gestern aus dem Markt.

    In das Gerede vom Niedergang, das sie bei vielen Kollegen beobachte, will von Dewitz jedenfalls nicht einstimmen. Es sei unbestreitbar, dass Deutschland eine Wirtschaftskrise erlebe. „Aber jammern macht nichts besser. Im schlimmsten Fall wird daraus eine selbsterfüllende Prophezeiung.“

    Nicht klagen, sondern machen, auch dazu gibt es ein Zitat von Kennedy: „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann. Frag, was du für dein Land tun kannst.“

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