Biodiversität

  • Search06.09.2025

Wie Solarparks auf den Artenschutz einzahlen

Erneuerbare Energien und Artenschutz sind keine Gegensätze. Im beste Fall fördert der Ausbau sauberer Stromquellen die Artenvielfalt sogar. Beispiele aus der Solarenergie zeigen, wie das funktioniert.

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    Greifvogel in Solarpark: Richtig angelegt, tragen PV-Parks zum Artenschutz bei und fördern die lokale Biodiversität.

    Ein Greifvogel in einem Solarpark: Die Artenvielfalt zwischen den Modulen ist teils überraschend hoch.

     

    Von Angelika Nikionok-Ehrlich

    Die Klimakrise ist eine der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt auf dem Planeten. Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen gefährden die Existenz unzähliger Tier- und Pflanzenarten auf dem Land und in den Ozeanen.

    Doch auch Maßnahmen zum Klimaschutz können zum Artenverlust beitragen. Das ist etwa dann der Fall, wenn für ein Wasserkraftwerk Naturparadiese überflutet werden oder wenn Wälder dem Abbau von Rohstoffen für die Cleantech-Industrie zum Opfer fallen. Von einem grünen Dilemma ist oft die Rede.

    Umso wichtiger ist es, den Ausbau der Erneuerbaren so zu gestalten, dass er die Natur nicht schädigt, sondern ihr vielmehr nützt – und zwar nicht nur indirekt, indem er der Klimakrise entgegenwirkt, sondern auch konkret vor Ort an den Ökostromkraftwerken.

    Aus Industriebrachen werden Solarparks – mit Mehrwert für die Umwelt

    Dass dies durchaus möglich ist, zeigt das Beispiel der Fotovoltaik. Sie erlebt derzeit einen nie gekannten Boom. Rund um den Globus entstehen neue Solaranlagen, nicht nur auf Hausdächern und an Fassaden, sondern auch in Form großer, frei stehender Solarparks. Letztere stehen oft auf Brachflächen wie stillgelegten Fabrik- oder Militärgeländen, die im Zuge der Umwandlung von Altlasten befreit und ökologisch aufgewertet werden.

    Solarpark in der Lausitz: Im früheren Tagebau Jänschwalde wird sichtbar, wie eine nachhaltige Landschaftsgestaltung mit dem Aufbau erneuerbarer Energien Hand in Hand gehen kann.

    Solarpark in der Lausitz: Im früheren Tagebau Jänschwalde wird sichtbar, wie eine nachhaltige Landschaftsgestaltung mit dem Aufbau erneuerbarer Energien Hand in Hand gehen kann.

    Auch Flächen aus der Kohleindustrie sollen nach dem Willen der Unternehmen in großem Umfang Solar- und Windenergie liefern. So plant etwa allein der bisherige Braunkohlekonzern Leag auf ehemaligen Tagebauflächen in Ostdeutschland eine „Gigawatt-Factory“ mit Hunderten Megawatt Solarleistung. Im Westen hat RWE Ähnliches vor.

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    Solarparks haben viel Potenzial für die Entwicklung von Biodiversität und vielfältigen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen

    Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE)

    Die Auswirkung von Windrädern auf gefährdete Vogelarten wie den Rotmilan sind gut erforscht. Es gibt es seit Jahren Studien, und die Bundesländer haben beispielsweise Abstandsregelungen zu Nistplätzen festgelegt. Die Forschung zur Biodiversität in Solarparks dagegen steckt noch in den Anfängen.

    Dennoch gibt es bereits grundsätzliche Empfehlungen für eine „ökologisch hochwertige Ausgestaltung“, etwa vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). „Solarparks haben viel Potenzial für die Entwicklung von Biodiversität und vielfältigen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen“, heißt es dort.

    Aber wie genau kann das gewährleistet werden?

    Der Rahmen muss stimmen: Standortwahl, Anlagenabstände und Durchlässe

    Bereits der Standort eines Solarparks stellt eine wichtige Grundlage für die umweltgerechte Planung dar. So macht es einen Riesenunterschied, ob die Module auf einer oft versiegelten militärischen oder industriellen Konversionsfläche stehen, auf Brachflächen oder auf früheren Äckern und Wiesen.

    Bodenbeschaffenheit, vorhandene Flora und Fauna sowie Biotope sind bedeutende Ausgangsbedingungen für die Planung. Die Parks sollten Teilbereiche ohne Module umfassen oder breite Abstände zwischen den Modulreihen, um Pflanzen und Tieren Platz für neue Lebensräume zu bieten. Da insbesondere große Solarparks und deren Umzäunung Barrieren für Wildtiere darstellen, sollten Durchlässe geschaffen werden. „Auch die Anpflanzung von Gehölzen oder eine Aufteilung des Solarparks in kleine Abschnitte verringern die Barrierewirkung in der Landschaft“, verdeutlicht das Kompetenzzentrum.

    Darüber hinaus können unterschiedliche Biotoptypen gefördert werden. Kriterien dazu können Kommunen bereits in ihren Bebauungsplänen festlegen. Dabei ist der Dialog mit Natur- und Umweltschützern wichtig, die ihr Fachwissen einbringen.

    Solarpark in Baden-Württemberg: „Höherwertig als ein artenarmer Acker.“

    Solarpark in Baden-Württemberg: „Höherwertig als ein artenarmer Acker.“

    Einige Bundesländer haben sich intensiv mit den angesprochenen Fragen befasst, etwa Baden-Württemberg. Dort gibt es seit 2019 einen „Handlungsleitfaden“. Darin heißt es unter anderem zur Frage der Eingriffe in die Natur: „Wird eine intensiv bewirtschaftete Fläche für eine Freiflächensolaranlage erschlossen, ist damit leicht eine ökologische Aufwertung zu erreichen.“ Denn: „In der Regel wird die von Modulen überstellte Fläche als (extensives) Grünland genutzt und gepflegt werden (Mahd oder Beweidung). Die Randflächen lassen jedoch die Anlage von Hecken, Wiesen, Hochstauden und Säumen zu, alles Biotoptypen, die höherwertiger eingestuft werden als ein artenarmer Acker.“

    Keine Pestizide, keine Überdüngung – und ein besserer Wasserhaushalt

    Ähnlich äußert sich der Solarverband BSW-Solar. Er erläutert gegenüber EnergieWinde: „Flächen mit Solaranlagen werden weder gedüngt noch werden Pestizide und Herbizide ausgesprüht. Die Teilverschattung des Bodens führt zudem häufig zu einer Verringerung der Verdunstung und damit zu einer Verbesserung des Wasserhaushalts in trockenen Gebieten.“ Der Verband hat 2021 zusammen mit dem Nabu  gemeinsame Kriterien für eine naturverträgliche Gestaltung von PV-Freiflächenanlagen erstellt.

    Diese hat sich die Bundespolitik weitgehend mit dem Solarpaket I zu eigen gemacht. Damit wurde im Frühjahr 2024 die Einführung von naturschutzfachlichen Kriterien für die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen beschlossen, die nach dem EEG gefördert werden. Dazu gehört die Vorgabe, dass Module maximal 60 Prozent der Grundfläche des Gesamtvorhabens bedecken dürfen. Bei der Pflege des Areals soll im Interesse der Biodiversität nur zweimal im Jahr gemäht werden oder es sollen portionsweise jeweils Teilflächen beweidet werden.

    Schafe in einem Solarpark: Maximal 60 Prozent der Fläche dürfen mit Modulen bebaut werden.

    Schafe in einem Solarpark: Maximal 60 Prozent der Fläche dürfen mit Modulen bebaut werden.

    Zudem müssen die Planer Korridore anlegen, damit Tiere die Chance haben, die Parks zu passieren. Auf mindestens zehn Prozent der Fläche sollen Biotopelemente Platz finden. Überdies ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Dünger und chemischen Reinigungsmitteln verboten. Mindestens drei dieser fünf Vorgaben müssen erfüllt werden, um eine Vergütung über das EEG zu erhalten.

    Auch andere Länder fördern die Biodiversität in Solarparks – Frankreich etwa

    Das komplexe Zusammenspiel von Arten- und Klimaschutz ist auch in anderen Ländern ein Thema. „Es wäre falsch zu behaupten, die erneuerbaren Energien hätten keine Auswirkungen auf die Umwelt“, betont etwa Jules Nyssen, Präsident des französischen Erneuerbaren-Verbandes SER. Das Land hat ambitionierte Ziele für die Solarenergie, von 2023 bis 2028 soll sich die Leistung auf 40 Gigawatt verdoppeln. Dafür würden laut Nyssen selbst Frankreichs gesamten Konversionsflächen nicht reichen.

    Solarpark am Rande der Seealpen in Frankreich: Je stärker die Anlagen auf den Artenschutz einzahlen, desto höher ist die Akzeptanz.

    Solarpark am Rande der Seealpen in Frankreich: Je stärker die Projekte die Biodiversität fördern, desto höher ist die Akzeptanz.

    Zusammen mit Forschungsinstituten untersucht man in Frankreich deshalb, wie sich PV und Artenvielfalt verbinden lassen. Der Konzern Veolia etwa hat gute Erfahrungen mit Solaranlagen auf stillgelegten Mülldeponien gemacht. „Wir haben dort etwa 200 verschiedene Pflanzen- und Tierarten festgestellt“, sagt Paul-Henri Morel, bei Veolia zuständig für Fotovoltaik und Innovation.

    Solarparks locken neue Arten an – von Wildpflanzen bis zu Turmfalken

    Welch positive Wirkung die Transformation einer zuvor intensiv genutzten Ackerfläche hat, zeigt sich im südwestfranzösischen Samazan: Dort hat die Firma Reden Solar einen Solarpark aus 12.480 Modulen errichtet. Zugleich wurde die Fläche in ein „Laboratorium der Biodiversität“ verwandelt.

    Verschiedene Maßnahmen sollten neuen Lebensraum für viele Arten schaffen: Hecken mit heimischen Pflanzen wie Pappeln, Nussbäumen und Rosen, Dutzende Blütenpflanzen wurden gesät, Nistmöglichkeiten für Singvögel und Kleinsäuger sowie Insektenhotels geschaffen. Nach einer ersten positiven Bilanz wurden auch feuchte Zonen angelegt. „Nach drei Jahren beobachten wir eine starke Vermehrung der Arten, die sich dort auf dem Gelände angesiedelt haben“, berichtete Cécile Gomez, zuständige Managerin bei Reden, auf der Biodiversitätskonferenz. Wildpflanzen und -bienen, Turmfalke, Stieglitz, Schwarzkehlchen, um nur einige zu nennen, sind dort heimisch geworden.

    Solche Maßnahmen zahlen allerdings nicht nur auf die Artenvielfalt ein. Der praktizierte Natur- und Artenschutz trägt nicht zuletzt auch zur Akzeptanz der Projekte bei, ist man in Frankreich überzeugt.

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