Techniksprung in der Solarenergie

  • Search17.05.2023

Sonne von vorn

Sie stehen senkrecht oder in Ost-West-Ausrichtung und fangen sogar Licht vom Boden ein: Dank neuartiger Solarmodule ist Sonnenstrom günstig wie nie. Davon profitieren nicht nur die Haushalte – sondern auch das Stromnetz.

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    Solarmodule an einer Hausfassade in Paris: Senkrechte angebrachte Anlagen ermöglichen zusätzliche PV-Standorte.

    Solarfassade in Paris: Senkrechte Module sind ideal, um Sonnenstrahlen am Morgen und Abend einzufangen.

     

    Von Daniel Hautmann

    Die Sonne ist die günstigste Stromquelle der Welt. Das verkündete die Internationale Energieagentur (IEA) bereits 2020 in ihrem World Energy Outlook. An guten Standorten erzeugen Fotovoltaikmodule Strom zu Kosten von wenigen Cent je Kilowattstunde. Das gilt nicht nur für die Wüsten am Golf oder in Australien, sondern auch in Deutschland, wie das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) regelmäßig zeigt. Allein zwischen 2010 und 2020 sanken die Produktionskosten für Sonnenstrom global um 90 Prozent.

    Dieser Preisverfall ist der Hauptgrund für den Boom der Fotovoltaik. (Der Duden präferiert übrigens ein F, auch wenn die gängige Abkürzung PV lautet). Laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) standen 2022 in Deutschland Anlagen mit einer Gesamtleistung von 67 Gigawatt. Sie lieferten zwölf Prozent der Nettostromerzeugung. In diesem Jahr dürften mehr als zehn Gigawatt hinzukommen, mehr als je zuvor. An sonnigen Tagen deckt die PV zeitweise bereits über zwei Drittel des Strombedarfs.

    Strom aus Sonne und Wind günstiger, Atom- und Kohlestrom teurer: Die Charts zeigen die Preisentwicklung in den USA von 2009 bis 2023. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Die Kapazität der weltweit installierten PV hat 2022 sogar die Grenze von einem Terawatt (1000 Gigawatt) geknackt. Das ist fast dreimal mehr als die Leistung aller Atomkraftwerke. „Die jährlichen Steigerungsraten der gesamten weltweit installierten Fotovoltaikleistung waren in den letzten 20 Jahren sehr hoch und lagen durchweg im zweistelligen Prozentbereich“, sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme.

    Anführungszeichen

    Es ist richtig, dass wir bei der Fotovoltaik eine gewisse Atempause einlegen

    Angela Merkel 2015

    Ausgerechnet in Deutschland, einst Weltmarktführer in der Solarindustrie, verlief die Geschichte der Branche allerdings stockend. Denn während die Preise fielen, bremste die Politik den heimischen Markt bewusst aus. „Es ist richtig, dass wir bei der Fotovoltaik eine gewisse Atempause einlegen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel 2015 auf dem Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Den Gästen blieb die Luft weg. Grünen-Urgestein Jürgen Trittin sprach später von einem „Atemstillstand“. 100.000 Jobs gingen verloren, etliche Hersteller schlossen ihre Fabriken.

    Die Branche erholt sich vom Kollaps – wenn auch langsam

    Ganz allmählich aber kehren sie zurück. Meyer Burger etwa produziert in der Nähe der einstigen Solarhochburg Bitterfeld-Wolfen. Solarwatt fertigt in Dresden. Heckert Solar stellt seine Module in Chemnitz und in Langenwetzendorf her. Ferner sind da spezialisierte Unternehmen, die farbige Module fertigen – sie integrieren sich optisch besser auf Dächern, womit auch denkmalgeschützte Gebäude für die PV nutzbar werden. Dazu kommen Unternehmen, die Wechselrichter, Befestigungselemente oder Kabel herstellen. Insgesamt rund 55.000 Beschäftigte zählte die deutsche PV-Branche laut dem BSW 2022, Umsatz: zwölf Milliarden Euro. Doch global gesehen ist das fast nichts: „Der Weltmarktanteil ist mit unter einem Prozent verschwindend gering“, sagt Volker Quaschning.

    Kosten der Stromproduktion in Deutschland nach Energieträgern 2021 (Fraunhofer ISE): Ökostrom ist deutlich günstiger als Strom aus Kohle und Gas. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Künftig dürften Umsatz und Beschäftigenzahlen allerdings kräftig wachsen. Denn ohne heimische Hersteller sind die Ziele der Ampelregierung kaum zu erreichen. Allein bis 2030 soll die Leistung der Solarenergie um den Faktor drei im Vergleich zu heute hochschnellen. Dazu ist ein starker Heimatmarkt zentral, vor allem, um Abhängigkeiten zu reduzieren. „Klotzen, nicht kleckern“, sagt Quaschning.

    Die PV-Ziele sind ambitioniert – Techniksprünge liefern die Grundlage

    Doch nicht nur die Zahl der Anlagen steigt, auch ihr Wirkungsgrad. Der liegt meist zwischen 16 und 22 Prozent. Im Labor erreichen Module bereits weit höhere Werte. Fraunhofer-Forscher haben mit 47,6 Prozent gerade einen Weltrekord aufgestellt.

    Wurden Solaranlagen bislang meist schräg stehend auf Dächern oder Wiesen installiert und blicken gen Süden, so drängen zunehmend Anlagen auf den Markt, die eine Ost-West-Ausrichtung haben. Das ermöglicht eine über den Tagesverlauf hinweg gleichmäßigere Verteilung der Stromerzeugung. Zum Einsatz kommen auch senkrecht stehende Solaranlagen. Sie liefern morgens und abends Strom, wenn die Sonne tief steht. An den Lärmschutzwänden entlang von Autobahnen und Zugstrecken könnten künftig auf Hunderten Kilometern Solarmodule stehen.

    Solarzaun an einem Firmengelände in Bayern: Die Module sind ideal, um das Licht der tiefstehenden Sonne einzufangen.

    Solarzaun an einem Firmengelände im bayerischen Buchloe: Die senkrechten Module sind Sichtschutz und Stromquelle zugleich. Ein Vorteil dieser Bauweise ...

    Solarmodule an einer Lärmschutzwand der Autobahn 3 (A3): Die Fotovoltaik erschließt zunehmend neue Standorte..

    ... liegt zudem darin, dass die PV-Module die Fläche sehr effizient nutzen wie an dieser Solarlärmschutzwand an der Autobahn 3. Auch auf Fassaden ...

    Solarfassade am Weserstadion: Der Fußball-Bundesligist Werder Bremen erzeugt bereits seit Jahren Solarstrom.

    ... wie hier am Bremer Weserstadion kommen solche Module zum Einsatz. Liegend würden sie mehr als zwei Fußballfelder bedecken. Solarfassaden ...

    Solarmodule an einer Hauswand in Bielefeld: Senkrecht angebrachte PV-Anlagen ergänzen die Stromproduktion aus schräg stehenden Modulen.

    ... dienen nicht allein als Stromquelle, sondern können auch ein Gestaltungselement sein wie an diesem Haus in Bielefeld. In der Landwirtschaft ...

    Agri-PV in der Schweiz: Sogenannte Bifaziale Solarmodule fangen das direkte Sonnenlicht auf der Vorderseite und das indirekte auf der Rückseite ein.ein

    ... werden Solardächer dazu genutzt, Pflanzen vor Hagel oder zu viel Sonne zu schützen. Diese Agri-PV-Anlage steht in der Schweiz. Noch relativ jung ...

    PV-Kraftwerk auf dem Silbersee in NRW: Mit schwimmenden Solaranlagen erschließt die Fotovoltaik zusätzliche Standorte.

    ... ist der Einsatz schwimmender Solarmodule, hier im Ruhrgebiet. Das Wasser kühlt die Anlagen, wodurch ihr Ertrag steigt. Für die Branche in Deutschland ...

    Solarproduktion bei Meyer Burger in Freiberg: Die Hersteller weltweit stehen vor einem Boom.

    ... geht mit dem neuen Solarboom eine jahrelange Durststrecke zu Ende. Herstellern wie Meyer Burger dürfte die Arbeit so bald nicht ausgehen.

    Solarzaun an einem Firmengelände in Bayern: Die Module sind ideal, um das Licht der tiefstehenden Sonne einzufangen.
    Solarmodule an einer Lärmschutzwand der Autobahn 3 (A3): Die Fotovoltaik erschließt zunehmend neue Standorte..
    Solarfassade am Weserstadion: Der Fußball-Bundesligist Werder Bremen erzeugt bereits seit Jahren Solarstrom.
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    Agri-PV in der Schweiz: Sogenannte Bifaziale Solarmodule fangen das direkte Sonnenlicht auf der Vorderseite und das indirekte auf der Rückseite ein.ein
    PV-Kraftwerk auf dem Silbersee in NRW: Mit schwimmenden Solaranlagen erschließt die Fotovoltaik zusätzliche Standorte.
    Solarproduktion bei Meyer Burger in Freiberg: Die Hersteller weltweit stehen vor einem Boom.

    Verbaut werden bei senkrechten Anlagen meist bifaziale Module. Die haben, wie der Name nahelegt, zwei Gesichter und fangen sowohl das direkt eintreffende Sonnenlicht auf der Vorderseite des Moduls ein als auch das indirekte auf der Modulrückseite. Auch bei Solardächern über Ackerflächen kommen bifaziale Module zum Einsatz. Sie nehmen auf ihrer Unterseite die vom Boden reflektierte Strahlung auf. „Bei optimalen Bedingungen erreichen solche Module deutlich mehr Ausbeute“, sagt Quaschning.

    Senkrechtanlagen produzieren den meisten Strom zu Tagesrandzeiten. Damit ergänzen sie sich mit gen Süden ausgerichteten Solarkraftwerken, die um die Mittagszeit ihre Höchstwerte liefern, sagt Simon Lahr, Spezialist beim Senkrecht-PV-Unternehmen Next2Sun im saarländischen Dillingen. Das rechnet sich auch ökonomisch: „In den Morgen- und Abendstunden sind die Strompreise hoch, das bringt unseren Kunden höhere Erlöse.“ Zudem profitieren die Stromnetze, die so gleichmäßiger ausgelastet werden.

    Sonne auf dem Wasser: Schwimmende Solarmodule haben einige Vorteile

    Auf Seen oder gar auf dem Meer schwimmende Solarmodule sind ein weiterer Trend. Sie erschließen Flächen, ohne mit anderen Nutzungsformen wie der Landwirtschaft in Konflikt zu geraten. Zudem werden die Module durch das Wasser gekühlt – das erhöht die Leistung. Deutschlands größte derartige Anlage schwimmt im baden-württembergischen Renchen-Maiwald. Betreiber ist die EnBW-Tochter Erdgas Südwest. Der hier erzeugte Strom wird zum Großteil von einem anliegenden Kieswerk verbraucht. Solche Anwendungsfälle seien ideal, heißt es beim Fraunhofer-ISE. Ebenfalls geeignet seien die 500 Seen in gefluteten Braunkohletagebauen.

    Gegenüber Anlagen an Land haben schwimmende Module einen Vorteil, weil kein Boden verdichtet werden muss, um sie sicher aufzustellen. Laut Konstantin Ilgen vom Fraunhofer-ISE können sie sich obendrein positiv auf die Wasserqualität auswirken: Sie bringen Schatten und reduzieren so das Algenwachstum. Und in heißen Sommern verdunstet weniger Wasser.

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