Globaler PV-Boom

  • Search25.06.2025

Wie die Solarenergie die Stromversorgung revolutioniert

Die globale Solarenergie erlebt einen in der Geschichte einmaligen Boom. Erstmals liefern PV-Anlagen sogar mehr Strom als Atomkraftwerke. Doch mit dem Erfolg dürften auch die Beharrungskräfte aus den fossilen Energien wachsen.

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    PV-Module in Pakistan: Das Land hat sich in kürzester Zeit zu einem der größten Märkte für Solaranlagen weltweit entwickelt.

     

    Von Volker Kühn

    Pakistan zählt eher nicht zu den Regionen, die man als Treiber der globalen Energiewende kennt. Dabei spielt sich dort gerade eine Revolution ab. Noch vor drei Jahren kamen sämtliche PV-Anlagen des 240-Millionen-Einwohner-Landes zusammen auf eine Kapazität von gerade einmal 600 Megawatt. In Europa gibt es einzelne Solarparks, die ähnliche Werte erreichen.

    Dann aber explodierte die Kapazität der pakistanischen Solarenergie förmlich. In den Jahren 2023 und 2024 installierten die Pakistaner jeweils Module mit einer Kapazität zwischen zehn und 20 Gigawatt. Genaue Zahlen kennt man nicht, denn es sind unzählige kleine Betriebe und Privatleute, die sich mit Solaranlagen ein Stück weit unabhängig von der notorisch unzuverlässigen Stromversorgung des Landes machen.

    Pakistan ist ein extremes Beispiel, doch was sich in dem Land abspielt, findet sich in ähnlicher Form in vielen Regionen rund um den Globus. Die Solarenergie wächst schneller als jede andere Energiequelle zuvor in der Geschichte. Befeuert wird der Boom durch den rasanten Preisverfall der Module. „Solarenergie ist heute so billig, dass innerhalb eines einzigen Jahres große Märkte entstehen können – wie Pakistan im Jahr 2024 gezeigt hat“, konstatiert der britische Thinktank Ember nüchtern.

    Ranking der Länder mit dem stärksten Zuwachs der Solarstromproduktion 2024: Hinter Spitzenreiter China tauchen auch Länder wie Pakistan und die Türkei auf. Infografik: Andreas Mohrmann

    Auch in Ländern wie Spanien, der Türkei, Italien und Japan ist die Solarenergie im vergangenen Jahr rasant ausgebaut worden. Deutschland belegt im Ranking Rang sechs; hier wuchs die Stromerzeugung aus PV-Anlagen 2024 um knapp zehn Terawattstunden. Unangefochtener Spitzenreiter allerdings ist China, wo im vergangenen Jahr 250 Terawattstunden hinzukamen.

    Und auch in den USA boomt die Solarenergie mit einem Plus von 65 Terawattstunden. Hier ist es nicht zuletzt der Ölstaat Texas, der ein rasantes Wachstum hinlegt. Getragen wird der Ausbau dabei weniger von einer Sorge ums Klima. Es ist vielmehr der Sinn für gute Geschäfte. Denn je günstiger und besser die Module werden, desto höher ist die Rendite für Investoren.

    Der Anteil der Solarenergie an der globalen Stromproduktion schießt nach oben. Vor zehn Jahren lag er noch bei einem Prozent, heute schon bei gut sieben Prozent. Infografik: Andreas Mohrmann

    Die Entwicklung verändert zunehmend die Art, wie sich die Welt mit Strom versorgt. Noch vor zehn Jahren lag der PV-Anteil am globalen Strommix bei nur gut einem Prozent. 2023 waren es schon 5,6 Prozent und im vergangenen Jahr 6,9 Prozent. Die Solarenergie trug doppelt so viel zum Wachstum der globalen Stromkapazität bei wie jede andere Energiequelle und 45 Prozent mehr als noch 2023.

    Für die Betreiber fossiler Kraftwerke wird der günstige Solarstrom zum Problem. Denn er verdrängt Kohle- und Gaskraftwerke aus dem Markt. Auch das lässt sich in Pakistan beobachten. Kohlestrom werde zunehmend unbezahlbar, erklärte Energieminister Awais Leghari bereits im vergangenen Jahr gegenüber der „Financial Times“. Die Nachfrage schrumpfe, weil immer mehr Pakistaner selbst Strom ins Netz einspeisten.

    Globale Stromproduktion aus Atomkraft, Wind- und Solarenergie: Im April hat die Solarstromproduktion erstmals die aus Kernreaktoren übertroffen. Infografik: Andreas Mohrmann

    Doch auch wenn die Solarenergie mit Abstand am schnellsten wächst – andere saubere Energiequellen legen ebenfalls zu. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr mehr als 90 Prozent aller neu in Betrieb gegangenen Kapazitäten zur Stromerzeugung aus den erneuerbaren Energien.

    Praktisch keine Rolle spielen dagegen Kernreaktoren, trotz der immer wieder verbreiteten Behauptung von einer „Renaissance der Atomenergie“. Die globale Atomstrommenge stagniert seit Jahren. Im April wurde sie erstmals von der Solarenergie übertroffen. Der Abstand dürfte in den kommenden Jahren rasch wachsen.

    Die Erneuerbaren bedrohen fossile Industrien – der Widerstand dürfte wachsen

    Der Solarboom bringt allerdings auch neue Herausforderungen mit sich. In Deutschland etwa wird das Management der Stromnetze komplizierter, wenn in den sonnenreichen Monaten des Jahres vor allem zur Mittagszeit weit mehr Strom in die Leitungen drängt, als verbraucht werden kann. Der Strompreis kippt immer öfter ins Minus, und da alte PV-Anlagen auch in solchen Zeiten eine garantierte Vergütung pro erzeugter Kilowattstunde erhalten, steigen die Kosten für den Staatshaushalt.

    Helfen würde die Flexibilisierung der Nachfrage. Haushalte und die Industrie könnten ihren Verbrauch gezielt in Zeiten mit viel Solarstrom verschieben; auch Batteriespeicher könnten Überschüsse auffangen. Doch die dafür nötige Regulatorik ist in vielen Bereichen noch nicht so weit. Zum Teil verhindert sie sogar eine Flexibilisierung der Nachfrage, weil sie noch für die alte Welt der fossilen Großkraftwerke gemacht ist. Auch der sogenannte Smart-Meter-Rollout, also der Einbau intelligenter Stromzähler, kommt in Deutschland nur zäh voran. Den meisten Privathaushalten fehlt deshalb die Möglichkeit, ihren Verbrauch mit dynamischen Tarifen an Stromüberschüsse anzupassen.

    Energiewendegegnern dürfte das ein willkommenes Argument sein, um eine Senkung der Ausbauziele für Erneuerbare zu fordern. Lobbyisten fossiler Industrien torpedieren den Abschied von Kohle, Öl und Gas seit Jahrzehnten. Oft greifen sie dabei zu Verzögerungsstrategien. Die Dynamik der erneuerbaren Energien könnten sie damit tatsächlich ausbremsen. Dass sie die Entwicklung gänzlich stoppen, halten Befürworter der Energiewende allerdings für unwahrscheinlich – schon weil Wind- und Solarenergie schlicht zu günstig sind. „Erneuerbare Energien und Speicher sind um so viel günstiger als Kohle, Öl und Erdgas oder gar Atomkraft, dass sie sich weltweit durchsetzen“, sagt Hans-Josef Fell, einer der Autoren des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). „Der freie Markt ist unser Verbündeter.“

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