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Windpark in Brandenburg: An den Anlagen entzünden sich immer wieder Proteste – oft von organisierten Lobbys orchestriert.
Von Nils Husmann
Die Zweifler und Verzögerer gehen längst ein und aus im Paul-Löbe-Haus, wo die Ausschüsse des Deutschen Bundestages tagen. Zum Beispiel am 16. Oktober 2024: Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat zu einer öffentlichen Anhörung geladen. Sachverständige sollen einen Gesetzentwurf einschätzen, mit dem die Bundesregierung eine EU-Richtlinie umsetzen will. Es gibt konstruktive Kritik und Anregungen. Eine Nabu-Expertin etwa sorgt sich, dass die Biodiversität unter dem Ausbau der Erneuerbaren leiden könnte. Eingeladen wurden die Expertinnen und Experten von den Bundestagsfraktionen. Dass damit jeweils eine politisch erwünschte Botschaft verbunden ist, ist klar.
Bei Frank Heitmann lautet der Tenor: Das Gesetz taugt nichts, das ganze Anliegen ist falsch.
Heitmann spricht für die „Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit“ und stellt sich als Projektleiter und Infrastrukturplaner vor; er ist von der AfD für die Anhörung benannt worden. Im Internet beschreibt sich der Verein, für den Heitmann spricht, als ein Zusammenschluss, der 2014 hauptsächlich von Ingenieuren gegründet worden sei, „um die Öffentlichkeit über unbequeme Details in sogenannten unumstößlichen Wahrheiten aufzuklären“. Schirmherr des Vereins: Markus Krall.
Über Krall gibt es auf Lobbypedia einen Eintrag. Lobbypedia ist ein nach eigener Auskunft unabhängiges, lobbykritisches Onlinelexikon, das von LobbyControl finanziert wird. LobbyControl wiederum ist ein gemeinnütziger Verein, der publik machen möchte, wie Lobbygruppen auf die Politik in Deutschland und der EU einwirken. Zu Markus Krall heißt es auf Lobbypedia unter anderem, er habe einen Appell unterzeichnet, der an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags verschickt worden sei und der den menschengemachten Klimawandel leugne.
Klimaskeptiker sprechen im Bundestag – auf Einladung der AfD
Der Auftritt von Frank Heitmann im Ausschuss für Klimaschutz und Energie ist eines der jüngeren Beispiele für einen Angriff auf die Energiewende. Es gibt eine Flut an Falschbehauptungen und Lügen, insbesondere zur Windenergie. Die Netzwerke, die sie verbreiten, haben längst einen parlamentarischen Arm im Bundestag, die AfD.
Im vergangenen Jahr standen die Investoren Schlange, wenn in Deutschland Windparks ausgeschrieben wurden. Es wurden so viele neue Windräder an Land genehmigt wie nie zuvor, bundesweit rund 2.400 Anlagen. Sind sie errichtet, werden allein diese Anlagen eine Leistung von 14 Gigawatt haben. 2024 lieferten die Erneuerbaren bereits 60 Prozent des Stroms in Deutschland.
Das sind Erfolge – aber Deutschland könnte schon viel weiter sein, wäre der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie nicht Mitte des vorigen Jahrzehnts unter der damaligen Großen Koalition aus Union und SPD eingebrochen. Ein Grund dafür: Immer wieder brachten Verzögerungsnetzwerke die Energiewende in Misskredit – und lokale Bürgerinitiativen gegen den Ausbau auf.
Die Netzwerke agieren bundesweit. Es gibt einen regelrechten Protest-Tourismus
Dafür gibt es viele konkrete Beispiele. Ein Fall aus Sulzbach bei Saarbrücken ist besonders gut dokumentiert. Als der Bürgermeister der Stadt eine Ortsbegehung anbot, um die Menschen darüber zu informieren, welche Standorte für Windenergie geeignet sein könnten, sei er Leuten begegnet, die er vorher nie gesehen habe, berichten die „Saarbrücker Hefte“. Der Protest war also offenbar extra angereist. Das war im August.
Jetzt, ein halbes Jahr später, dauert es mehrere Wochen, ehe ein Gespräch zwischen Vertretern der Stadt Sulzbach und EnergieWinde zustande kommt. Jan Henning, Klimaschutzmanager in Sulzbach und damals ebenfalls bei der Begehung dabei, erzählt, die möglichen Flächen hätten in der Region bereits die Runde gemacht, also habe die Stadt informieren wollen. Gab es Streit? Jan Henning ist am Telefon anzumerken, dass er möglichst diplomatisch antworten möchte: „Es gab vielfältige Meinungen“, sagt er. Ob an einem der Sulzbacher Standorte überhaupt jemals Windräder stehen werden, ist offen. Aber die Gegner der Windenergie haben an jenem Sommertag Eindruck hinterlassen. Macht das ein mögliches Projekt wahrscheinlicher? Vermutlich nicht.