Wie lassen sich die riesigen Rotorblätter verwerten? Die einfachste Lösung wäre ein zweiter Einsatz: Gebrauchte Windräder werden in Deutschland ab- und in anderen Ländern wiederaufgebaut. Das ist allerdings eher selten der Fall. Die Mülldeponie ist kein gutes Endlager für Rotorblätter. Wenn die Verbundstoffe sich zersetzen, kann das Boden und Luft verseuchen.
Zementwerke kämen als Abnehmer infrage. Doch die Preise sind zu hoch
Eine scheinbar ideale Lösung für die alten Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) hatte vor einigen Jahren die Firma Neocomp gefunden. Sie schredderte das Kompositmaterial und schickte es dann an ein Zementwerk. Der Harzanteil lieferte dem Prozess die Energie, die Glasfasern als Zuschlagstoff den Quarzsand.
Für viele Experten war das die aktuell beste Praxis für die GFK-Abfälle. Doch seit 2023 stehen die Schredder in der Nähe von Bremen still. Was ist passiert? Gestiegene Energiepreise und zu geringe Rotorblatt-Abfälle am Markt machten das Modell unrentabel, so Sven Rausch vom Mutterunternehmen Nehlsen gegenüber „Tagesspiegel Background“.
Carbonfasern sind extrem beständig – und damit nichts für die Müllverbrennung
Für die neueren CFK-Rotorblätter aus carbonfaserverstärktem Kunststoff sieht es noch schwieriger aus. In der Abfallverbrennungsanlage hat der Wunderwerkstoff nichts verloren. „Er ist so beständig, dass er sogar die Müllverbrennung übersteht. Wenn feine Carbonfasern frei werden, können sie zudem in den Filtern der Abgasreinigung einen Kurzschluss auslösen und die Anlage beschädigen“, sagt Dieter Stapf vom Karlsruher Institut für Technologie KIT gegenüber EnergieWinde.
Neue Ideen für ausgediente Rotorblätter: Pyrolyse und Recyclingstahl
Der Forscher arbeitet daher an neuen Verwertungswegen für die Carbonfaser-Abfälle, die nicht mehr recycelbar sind: Eine Idee für die Zukunft könnte es sein, die kohlenstoffhaltigen Abfälle beim Recycling von Stahl zu verwenden, wo man Kohlenstoff benötigt und die Carbonfasern vollständig abgebaut werden können.
Auch beim Recycling gibt es neue, ungefährliche Ideen: Das Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV in Augsburg arbeitet an einem Pyrolyseverfahren für geschreddertes CFK. Unter Ausschluss von Sauerstoff werden die Fasern vom Kunststoff getrennt. Die recycelte Carbonfaser verarbeiten die Forscher zu einem Vlies. „In einem neuen Rotorblatt oder in der tragenden Struktur eines Flugzeuges wird man das recycelte Material nicht finden“, erklärt IGCV-Forscher Fabian Rechsteiner. Für Autoteile, Fahrradrahmen oder Tennisschläger wäre es aber bestens geeignet.
Die nächste Generation: Von Anfang an kreislauffähig
Die Hersteller denken nun von Anfang an ans Recycling: Siemens Gamesa setzt auf Harze, die sich chemisch mit einer milden Säure trennen lassen. Die recycelbaren Rotorblätter drehen sich schon in einigen größeren Windparks. Unternehmenssprecher Marco Lange von Siemens Gamesa sagt gegenüber EnergieWinde: „Die RecyclableBlades sind noch etwas teurer, aber grundsätzlich wettbewerbsfähig. Denn wir sehen, dass die Materialverwertung am Ende des Lebenszyklus die zusätzlichen Kosten ausgleichen kann.“