Wenn die Welt klimaneutral wird, ist noch nichts gewonnen, sagt der Verfahrenstechniker und Chemiker Michael Braungart. Denn der Mensch hat den Planeten bereits so stark geschädigt, dass er ihm etwas zurückgeben muss – durch Geschäftsmodelle und Wirtschaftsformen, die der Umwelt nutzen und klimapositiv wirken. Mit seiner „Cradle to Cradle“-Philosophie ist Braungart ein Pionier der Kreislaufwirtschaft. Im Interview erklärt er, wie der Weg aus der Wegwerfgesellschaft gelingt – und warum der Gelbe Sack bestenfalls zur Rettung verfahrener Ehen taugt.
Herr Braungart, beim Stichwort Kreislaufwirtschaft dürften viele zuerst an das duale System und den Gelben Sack denken. Sie sind kein Freund davon. Warum?
Michael Braungart: Weil seit der Einführung des Gelben Sacks nichts besser geworden ist, im Gegenteil: Die Verpackungsmenge hat sich verdoppelt und der Müll, von dem wir glauben, er würde recycelt, landet schiffscontainerweise in Asien. Außerdem bremst das System Innovationen: Firmen, die Verpackungen ohne Giftstoffe entwickeln, zahlen für die Entsorgung genauso viel, wie wenn sie weiterhin PVC verwenden würden. Obwohl – ein Gutes hatte der Gelbe Sack vielleicht doch.
Und zwar?
Braungart: Er dürfte Zehntausende Ehen gerettet haben. Paare, die sich nichts mehr zu sagen hatten, hatten plötzlich wieder ein Thema: Muss ich den Deckel vom Joghurtbecher ablecken, bevor ich ihn in den Gelben Sack werfe?