Recycling von Windrädern

  • Search06.08.2023

Zweites Leben für Rotorblätter

Die Flügel von Windrädern enthalten GFK. Dessen Entsorgung war lange Zeit ein Problem. Doch jetzt entwickeln die Hersteller neue Verfahren für 100 Prozent recycelbare Rotorblätter.

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    Runter kommen sie alle: Irgendwann werden auch die Flügel dieses Windrads wieder abgebaut, das 2012 in NRW aufgestellt wurde.

     

    Von Robert Otto-Moog

    Wenn es um die Windenergie geht, ist meist vom Ausbau die Rede, von den Tausenden Turbinen, die an Land und auf See aufgestellt werden sollen. Dass zugleich Tausende Windräder abgebaut werden, weil sie das Ende ihrer Lebenszeit erreichen, geht oft unter. Dabei ist auch das eine gewaltige Aufgabe. Die zentrale Frage ist: Wie viel Material lässt sich recyceln? Und was ist mit den Bauteilen, bei denen das schwerfällt?

    Das größte Problem heißt GFK, glasfaserverstärkter Kunststoff, umgangssprachlich Fiberglas. Daraus werden die Rotorblätter gebaut. Das Umweltbundesamt schätzt, dass bis 2040 bis zu 430.000 Tonnen GFK-Abfälle aus deutschen Windrädern anfallen. Bisher werden sie meist verbrannt.

    Zahl und Alter der Windräder in Deutschland: Fast 8000 Turbinen sind bereits mehr als 20 Jahre alt. Infografik: Benedikt Grotjahn

    „Die Rotorblätter zu recyceln, stellt eine besondere Herausforderung dar, weil sie aus Faserverbundwerkstoffen bestehen, die sich nur mit hohem Aufwand in ihre Bestandteile zerlegen lassen“, sagt Steffen Czichon, Abteilungsleiter Rotorblätter beim Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) in Bremerhaven. Gemeinsam mit der Hochschule Bremen entwickelt das Institut neue Recyclingkonzepte.

    Brennstoff für die Zementbranche? Dafür fällt zu wenig Material an

    Die gängigste Lösung ist bislang, aus dem Faserverbundstoff sogenannte Ersatzbrennstoffe für die Produktion von Zement herzustellen. Allerdings hakt es an etwas Grundlegendem: dem Nachschub. Noch ist die Zahl der abgebauten Windräder zu klein, sodass aus Sicht von Experten zu wenig Material für eine ökonomisch sinnvolle Verwertung anfällt.

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    Recycling ist kein Selbstzweck

    Steffen Czichon, Fraunhofer IWES

    Um die Klima- und Umweltfreundlichkeit einzelner Materialien zu beurteilen, ist für Czichon die Gesamtbilanz ausschlaggebend. „Unter dem Strich geht es um Nachhaltigkeit, und die muss im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse bewertet werden“, sagt er. Würde also ein Material eingesetzt, das an sich zwar nachhaltiger als GFK ist, sich aber negativ auf die Stromproduktion des Windrads auswirkt, hätte das Einfluss auf die Gesamtbilanz. So hätten Rotorblätter aus GFK, mit denen größere Anlagen bestückt werden können, am Ende oft eine bessere Umweltbilanz als Rotorblätter aus Holz. „Recycling ist kein Selbstzweck“, sagt Czichon.

    Siemens Gamesa entwickelt recycelbare Flügel. Die ersten drehen sich schon

    Die Hersteller entwickeln allerdings bereits komplett neue Alternativen. Siemens Gamesa etwa will bis 2040 vollständig recycelbare Turbinen herstellen. Ein wichtiger Teil des Projekts sind die 2021 vorgestellten „RecyclableBlades“, die sich lediglich beim Harz von herkömmlichen Rotorblättern unterscheiden. Sie sind bereits im Offshore-Windpark Kaskasi nahe Helgoland sowie im Windpark Hollandse Kust Zuid im Einsatz – als erste vollständig recycelbare Rotorblätter der Welt.

    Recyclebare Rotorblätter von Siemens Gamesa warten im britischen Hull auf den Abtransport: Die Offshore-Windenergie arbeitet an ihrem Entsorgungsproblem.

    „RecyclableBlades“ von Siemens Gamesa: Die Komponenten der Rotorblätter lassen sich dank eines neu entwickelten Harzes wieder trennen.

    „Die Rotorblätter waren bislang eine Herausforderung. Beim RecyclableBlade sind wir in der Lage, sie dank eines neuen Harzes zu meistern“, sagt Siemens Gamesa-Sprecher Marco Lange. Das Harz lässt sich demnach mithilfe einer milden Säure und Temperatur einfach auflösen und gibt so die verschiedenen verbauten Materialien für eine Wiederverwendung frei. Der Prozess sei einfach; in der Produktion selbst müsse nur das Harz ausgetauscht werden.

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    Der Ausbau der Windenergie wird in den nächsten Jahren stark zunehmen, und wir wollen, dass dies so nachhaltig wie möglich passiert

    Marco Lange, Deutschland-Sprecher von Siemens Gamesa

    „Wir haben weitere Aufträge für verschiedene Offshore-Windparks unterschiedlicher Kunden und können mittlerweile auch für Onshore-Projekte die recycelbaren Blätter anbieten“, sagt Lange. „Ab 2024 werden wir in der Lage sein, größere Projekte zu bedienen.“ Wenn genügend „RecyclableBlades“ produziert werden, würden sie nicht mehr kosten als konventionelle Blätter. „Der Ausbau der Windenergie wird in den nächsten Jahren stark zunehmen, und wir wollen, dass dies so nachhaltig wie möglich passiert.“

    Mehr als 30.000 Windräder drehen sich derzeit in Deutschland. Die Zahl wird in den kommenden Jahren steigen – während gleichzeitig alte Anlagen abgebaut werden.

    Auch der dänische Hersteller LM Wind Power arbeitet mit neuen Materialien. Einen Prototyp hat das zu GE gehörende Unternehmen im Frühjahr 2022 präsentiert. Das nach Herstellerangaben „größte thermoplastische Blatt der Welt“ besteht aus einem speziellen Harz und Hochleistungs-Glasgeweben. Ende dieses Jahres soll das Projekt enden – mit einem zu 100 Prozent recycelbaren Rotorblatt. Laut LM kann einerseits der Verbundstoff in anderen Industrien verwendet werden. Andererseits sei es möglich, Harz und Fasern chemisch zu trennen und dann erneut für die Rotorblattproduktion zu nutzen.

    Einen anderen Weg verfolgt Vestas. Die Dänen arbeiten an einem Verfahren, mit dem bestehende Rotorblätter recycelt werden können. Bislang sei der Ansatz gewesen, neue Materialien zu suchen, sagt Lisa Ekstrand, Vice President und Head of Sustainability. „Jetzt können wir alte Blätter auf Epoxidbasis als Rohstoffquelle betrachten.“ Man sei inzwischen in der Lage, das Epoxidharz klassischer Rotorblätter chemisch in neuwertige Materialien zu zerlegen. Aktuell soll das Verfahren kommerziell nutzbar gemacht werden. Dann könnten aus alten Turbinenblättern neue entstehen.

    Stahl, Aluminium, Kupfer: Bei den meisten Materialien ist das Recycling einfach

    Die übrigen Bestandteile von Windrädern sind schon heute in großem Maße recycelbar. Laut dem Umweltbundesamt können mehr als 90 Prozent in wiederverwertbare Einzelteile zerlegt werden. Bei ganzen Offshore-Windparks sind es sogar noch mehr. „Wir haben eine Recyclingrate von 98 Prozent festgestellt“, sagt Silke Eckardt, Professorin an der Hochschule Bremen. Die Umwelttechnik-Ingenieurin hat das Projekt „SeeOff“ geleitet, in dem Strategien zum Rückbau von Offshore-Windparks entwickelt wurden. Ein wichtiger Punkt war die Verwertung von Rohstoffen. Die Rotorblätter stellten dabei den geringsten Anteil des Gewichtes des Windparks dar. Rund 50 Prozent der Masse entfielen auf Steine für den Kolkschutz, ein Großteil des Rests auf Stahl, sagt Eckardt. Und der lässt sich hervorragend recyceln. Hinzu kommen wie bei allen Windkraftanlagen Kupfer, Aluminium, Elektroschrott, Seltene Erden und PVC.

    Offshore-Windpark in Deutschland: Forscher, Betreiber und Hersteller der Anlagen entwickeln Konzepte, um die eingesetzten Materialien zu recyceln.

    Offshore-Windpark in der Nordsee: Der Großteil des Materials ist bereits heute recycelbar.

    In den „SeeOff“-Szenarien wurde mit einem typischen Windpark gerechnet, wie er in den kommenden Jahren zurückgebaut werden könnte – rund 80 Anlagen, Umspannplattform, klassische Anbindung und GFK-Rotorblätter. In jedem Szenario hätten die Rotorblätter den laut Eckardt aktuell gangbarsten Weg genommen: von der alten Anlage in eine Rotorblattaufbereitung und dann ins Zementwerk. „Das ist im Moment die beste Lösung“, sagt die Professorin. „Würden im Zementwerk keine Ersatzbrennstoffe aus GFK eingesetzt, müssten andere Roh- und Brennstoffe genutzt werden.“ So könnten Ressourcen geschont werden.

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