Hans-Josef Fell ist einer der Pioniere der Energiewende in Deutschland. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000 geht maßgeblich auf ihn zurück. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 setzt sich der heute 72-Jährige für eine Welt ein, die vollständig auf erneuerbaren Energien basiert. Unter anderem ist der Grünen-Politiker Präsident des Klima-Thinktanks Energy Watch Group. Als das Portal EnergieWinde vor zehn Jahren online ging, war Fell unser erster Interviewpartner. Aus diesem Anlass blicken wir mit ihm zurück auf die vergangene Dekade. Fell geht mit der Politik der Merkel-Jahre hart ins Gericht. Aber auch für das Wirken der Grünen in der Ampelregierung findet er nicht nur lobende Worte.
Herr Fell, Amerika wählt einen Klimaleugner ins Weiße Haus, die CO2-Emissionen liegen auf Rekordniveau und der Klimagipfel endet mit einem Minimalkompromiss. Wie geht es Ihnen in diesen Tagen?
Hans-Josef Fell: Persönlich geht es mir gut. Aber von unserem Planeten lässt sich das nicht sagen. Er ist sehr krank und bräuchte dringend eine Kur. Ich muss allerdings gestehen, dass ich im Augenblick nicht viel Hoffnung habe, dass wir Menschen ihm diese Kur zugestehen. Die Ergebnisse der jüngsten Klimakonferenzen jedenfalls sind weit davon entfernt.
Welche Kur würden Sie dem Planeten verordnen?
Fell: Zwei Dinge: Zum einen müssen wir so schnell wie möglich damit aufhören, Treibhausgase in die Atmosphäre zu blasen. Zum anderen müssen wir jene Treibhausgase wieder einfangen, die wir bereits freigesetzt haben. Beides erfordert große Anstrengungen, aber wir besitzen alle Mittel und Möglichkeiten, die es dafür bedarf. Wir Menschen sind ja eine sehr einfallsreiche Spezies, im Guten wie im Schlechten.
An welche Mittel denken Sie konkret?
Fell: Das Wichtigste ist, keine fossilen Treibstoffe mehr zu verfeuern. 60 Prozent der Emissionen stammen aus der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle. Das müssen wir schnell stoppen, indem wir unsere Energie zu 100 Prozent erneuerbar produzieren. Mit Solarenergie, Windkraft, Wasserkraft, Biomasse, Geothermie und Speichern verfügen wir über alle nötigen Werkzeuge für den Umstieg. Die gesamte Gesellschaft muss nur wollen. Es gibt aber noch weitere CO2-Quellen. Ein großer Faktor sind petrochemische Kunststoffe. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, passiert zweierlei: Entweder landen sie in den Flüssen und Meeren, wo sie verheerende Umweltschäden verursachen, oder sie kommen in die Müllverbrennung, wo sie den in ihnen enthaltenen Kohlenstoff als CO2 freisetzen. Der Ausweg wäre eine vollständige Kreislaufwirtschaft, die ohne Emissionen auskommt, in der Chemie beispielsweise mit Biokunststoffen, statt fossiler Petrochemie. Viel CO2 und andere Treibhausgase stammen darüber hinaus aus der Landwirtschaft. Aber auch da gibt es Mittel und Wege. Wenn wir sie richtig betreiben, zum Beispiel mit Biolandwirtschaft, kann die Landwirtschaft von einer CO2-Quelle zur CO2-Senke werden. Denn das ist die zweite große Aufgabe im Klimaschutz: die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre.