Grünen-Politiker, Co-Autor des EEEG, Regierungskritiker: Hans-Josef Fell ist nach wie vor streitbar, wenn es um die deutsche Energiewende geht. Dieses Interview haben wir im November 2014 geführt. Es war das erste, das auf EnergieWinde erschienen ist.
Herr Fell, Sie haben für die Grünen gemeinsam mit dem SPD-Politiker Hermann Scheer im Jahr 2000 das erste „Erneuerbare Energien Gesetz“ formuliert. Schmerzt es Sie nicht, zu sehen, dass die Energiewende zuletzt vor allem eins geworden ist: zu teuer? Ist die Wende gescheitert?
Hans-Josef Fell: Überhaupt nicht. Beim Umstieg auf erneuerbare Energien sind wir auf einem guten Weg. Die Bürger wollen es, ein Großteil der Unternehmen ebenso. Die Kosten der Ökostromerzeugung sind in den Keller gegangen. Der Erfolg ist groß. Weil er so groß ist, gibt es aber auch Verlierer. Das sind die alten Konzerne des Atom- und Kohlestroms sowie des Erdöls und Erdgases. Die kämpfen um das Überleben ihrer Geschäftsmodelle. Deshalb haben wir eine Debatte, dass die Erneuerbaren eine Belastung für die Gesellschaft wären. Das ist völlig abstrus.
Wirklich? Man kann natürlich schon mit Recht argumentieren: 20 Milliarden Ökostromumlage je Jahr sind zu viel!
Fell: Das sieht erst einmal nach viel aus, ist es aber in Wahrheit nicht. So ist die Rechnung Europas für den Import von fossilen Brennstoffen binnen der vergangenen zehn Jahre von 100 Milliarden Euro auf 500 Milliarden Euro gestiegen. Hinzu kommen weitere Hunderte Milliarden an Schäden, die durch die Verfeuerung von Kohle entstehen: Klimawandel, Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung. Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass die in Deutschland gezahlten Beihilfen für die Kohle immer noch die größte Subvention im Bundeshaushalt sind. Wir haben eine schiefe Debatte! Solange nicht alle Kosten der fossilen Energieträger eingepreist sind, können wir auch nicht von einem funktionierenden und fairen Markt reden. Und so lange benötigen die Erneuerbaren eine finanzielle Stütze.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie ist da völlig anderer Ansicht: Die Förderung der Erneuerbaren belaste die Wirtschaft mit hohen Stromkosten, moniert der BDI.
Fell: Diese Behauptung des BDI ist schlichtweg falsch. So hat erst kürzlich die Energie-Denkfabrik FÖS in einer Studie nachgewiesen, dass der deutsche Industriestrom für Großverbraucher mit 4,8 Cent je Kilowattstunde noch nicht einmal halb so teuer ist wie im europäischen Durchschnitt. Selbst mit den USA können wir es beim Preis aufnehmen. Dort ist Strom derzeit gerade einmal sieben Prozent billiger als bei uns. Das hat Auswirkungen: In den Niederlanden hat kürzlich eine Aluminiumschmelze dicht gemacht. Die Begründung des Managements: Man sei nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber der deutschen Konkurrenz, wegen der niedrigen Strompreise hier.
Nun hat die schwarz-rote Bundesregierung gerade das Erneuerbare Energien Gesetz novelliert. Sind sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Fell: Überhaupt nicht. Das ist ein massiver Rückschritt. Es gibt zum Beispiel keine Förderung für Kombikraftwerke, die rund um die Uhr aus einem Mix verschiedener Erneuerbarer Energien den Strom bereitstellen. Ein weiterer ganz dramatischer Fehler ist es, Innovationen nicht mehr zu unterstützen. Dafür gibt es überhaupt keine finanziellen Anreize mehr. Hinzu kommt ein ungeheurer Bürokratiezuwachs und die faktische Abschaffung des Gesetzes ab 2017: Denn dann soll die bisher erfolgreiche Förderung mit festen, kalkulierbaren Vergütungen je Kilowattstunde für neue Anlagen abgeschafft werden. Stattdessen will die Bundesregierung dann Stromabnahmemengen versteigern lassen.