Globale Artenvielfalt

  • Search09.12.2022

Der Norden zahlt, der Süden schützt

Als in Ecuadors Regenwald Öl gefunden wird, bietet das Land der Welt einen Handel an: Geld für den Erhalt der Natur. Damals scheitert die Idee – auf dem Weltnaturgipfel könnte sie ein Comeback erleben.

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    Yasuni-Nationalpark in Eucador aus der Luft: Der Regenwald ist Heimat unzähliger Tier- und Pflanzenarten.

    Yasuni-Nationalpark in Ecuador: Die einen sehen den Reichtum der Region in ihrer Artenfülle – die anderen in ihren Bodenschätzen.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Schon Alexander von Humboldt lernte auf seinen Reisen: Ecuador ist eines der artenreichsten Länder der Erde. Zwar schaffte es der Naturforscher vor mehr als 220 Jahren nicht bis auf die im Pazifik vorgelagerten Galapagos-Inseln, die wenig später durch Charles Darwin und seine Evolutionstheorie berühmt werden sollten. Aber auch auf dem Festland fand Humboldt zwischen den Mangrovensümpfen der Küste, den Bergwäldern der Anden und dem Regenwald des Amazonas eine ungeahnte Artenfülle.

    Doch so wie das Land beispielhaft für die Vielfalt der Erde steht, zeigt seine jüngere Geschichte zugleich, warum sich die Welt so schwertut, diese Vielfalt zu bewahren. Derzeit unternehmen die Staaten der Erde einen neuen Anlauf dazu. Auf dem Weltnaturgipfel COP15 im kanadischen Montreal sollen 30 Prozent der Erde unter Naturschutz gestellt werden. Montreal könnte damit für den Artenschutz das werden, was das Pariser Klimaabkommen für den Kampf gegen die Erderhitzung ist.

    30 Prozent der Erde sollen geschützt werden. Deutschland schafft nur 0,6 Prozent

    Dass nicht jeder einzelne Staat so viel Fläche freigeben kann, zeigt der Blick vor die eigene Tür: Gerade einmal 0,6 Prozent der Fläche Deutschlands sind in der strengsten Kategorie als Nationalparks geschützt. Viele dieser Gebiete sind klein und fragmentiert, oft werden sie zudem land- und forstwirtschaftlich bearbeitet. Urwüchsige Wildnis? Fehlanzeige. „Dieser geringe Umfang an geschützten Flächen in Deutschland ist nichts im Vergleich zu Staaten des globalen Südens wie Botswana oder Tansania, die 20 bis 40 Prozent ihrer Flächen in Nationalparks schützen“, sagt Matthias Glaubrecht, Professor am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Hamburg, im Gespräch mit EnergieWinde.

    „Die Ecuadorianer leben arm inmitten von unermesslichen Reichtümern“, schrieb Alexander von Humboldt Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Gemälde von 1810 zeigt ihn mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland am Fuß des Vulkans Chimborazo.

    Auch in Zukunft dürften in Deutschland kaum nennenswerte Schutzflächen hinzukommen. Denn schon jetzt ist Fläche ein rares Gut. Seit Jahren kollidieren die Interessen von Wohnungsbau, Landwirtschaft, Industrie, Verkehr und Energieerzeugung mit denen des Naturschutzes. Einen Ausgleich zu finden, ist eine der größten Herausforderungen der Energiewende.

    Der globale Süden soll mehr Flächen schützen – und dafür entschädigt werden

    So wie in Deutschland sieht es in vielen dichtbesiedelten Industrienationen aus. Auf dem Weltnaturgipfel geht es deshalb nicht allein um den Flächenschutz, sondern auch um einen Handel zwischen dem globalen Norden und dem Süden. Denn während die Industrienationen der Nordhalbkugel Geld, aber wenig Natur haben, haben viele Länder der Südhemisphäre noch große und kaum besiedelte Gebiete, aber wenig Geld. Der Norden, so die in Montreal diskutierte Idee, könnte deshalb dem Süden Geld dafür bezahlen, dass er die Artenvielfalt erhält.

    Solche Ausgleichszahlungen wären nicht nur deshalb angebracht, weil letztlich auch der Norden vom Schutz der Biodiversität im Süden profitiert. Sondern auch deshalb, weil die Ausweitung von Schutzgebieten für den Süden mit Einschränkungen verbunden ist: Länder mit wachsender Bevölkerung müssen auf Flächen für Landwirtschaft, Industrie und Siedlungen verzichten. „Diese Probleme benötigen intelligente Werkzeuge für die Zukunft, die wir bisher noch nicht gefunden haben“, sagt Glaubrecht.

    Und da wären wir wieder bei Ecuador. Denn auch, was politische Instrumente für den Naturschutz betrifft, ist der Andenstaat beispielhaft.

    Erdöl hat Ecuador viel Geld gebracht. Doch die indigene Bevölkerung ist arm

    Aber von vorn: Seit Mitte der Sechzigerjahre Erdöl gefunden wurde, ist es Ecuadors Haupteinnahmequelle. Aber wie in vielen anderen Rohstoffstaaten hat der Ölboom vor allem die Kassen einer Elite gefüllt, während der Großteil der agrargeprägten und der indigenen Bevölkerung weiter in Armut lebt. Regelmäßig wird Ecuador in die Turbulenzen der internationalen Rohstoffmärkte hineingezogen, der Aufbau einer stabilen Wirtschaft und sozialen Verteilung der Staatseinnahmen ist stets gescheitert.

    Öltrucks auf einem Schiff im Yasuni-Nationalpark: Die Ölförderung bedroht das einzigartige Naturparadies.

    Öltrucks werden über den Rio Añangu im Yasuni-Nationalpark verschifft. Ein Unfall hätte fatale Folgen für das Naturparadies.

    Als zu Beginn des Jahrtausends im Regenwaldgebiet des Yasuni-Nationalparks drei neue Erdölfelder entdeckt wurden, suchte der damalige Präsident Rafael Correa nach einem Weg, der es erlaubt hätte, das Öl zum Schutz des Biotops unangetastet zu lassen. 3,6 Milliarden US-Dollar sollten die Industriestaaten in einen Fonds einzahlen, dann hätte Ecuador auf die rund eine Milliarde Barrel Öl verzichtet.

    Einige Länder der Nordhalbkugel zeigten Interesse an dem Handel, darunter Deutschland. Rund 300 Millionen Dollar wurden zugesagt, laut Correa flossen aber lediglich 13 Millionen Dollar in den von der UNO verwalteten Fonds. Und so zog er das Angebot 2013 zurück und ließ die Ölfirmen anrücken.

    Geld gegen Regenwaldschutz: In Ecuador ist dieser Weg gescheitert – vorerst

    Internationale Beobachter hielten seine Vorwürfe damals für vorgeschoben, viele Zahlungen sollten erst noch folgen. Vielmehr vermuteten sie, Correa habe dem Druck der Ölindustrie nachgegeben.

    Vielleicht war das an enge Vorgaben geknüpfte Fondsinstrument damals nicht geeignet. Womöglich hätte eine andere Konstruktion speziell für den Fall Yasuni entwickelt werden müssen. Glaubrecht kann der Idee dahinter dennoch etwas abgewinnen. „Es sind genau diese Mechanismen, über die wir sprechen müssen, um einen Ausgleich zu schaffen“, sagt der Biodiversitätsexperte. „Denn während wir bis auf in den USA und Kanada kaum große Schutzgebiete im industrialisierten Norden haben, müssen die Staaten des globalen Südens, die sie haben, den wirtschaftlichen Bedürfnissen ihrer Bevölkerung gerecht werden“, sagt Glaubrecht.

    Die Öleinnahmen kann das Land gut gebrauchen: für Bildung und Gesundheit

    Das gilt auch für Ecuador: Als 2014 der Ölpreis einbrach, rutschte das Land in eine Krise, die Regierung musste Kredite beim IWF aufnehmen und unterliegt bis heute einem Sparprogramm, das zu Unruhen im Land führt. Doch auch die gestiegenen Preise in der aktuellen Energiekrise helfen der Bevölkerung im Land nicht. Im Gegenteil, sie leidet trotz der eigenen Ölvorkommen darunter.

    Auch vor diesem Hintergrund hat Ecuador jüngst begonnen, das dritte Ölfeld im Yasuni-Park zu erschließen. Es soll dem Land 60 Millionen Dollar jährlich bringen, die in die Verbesserung des Bildungs- und Gesundheitssystems sowie der Sicherheit im Land fließen sollen.

    Die Erdölförderung bedroht die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung, vor allem der Huaorani.

    Es ist eine schlechte Nachricht, sowohl für die Tier- und Pflanzenwelt des Unesco-Biosphärenreservats als auch für die indigene Bevölkerung, die dort lebt und zum Teil noch kaum Kontakt zur Außenwelt hat. Zudem gefährdet die Erdölförderung die Funktion des Regenwalds als CO2-Speicher.

    Anführungszeichen

    Wenn ein Land wie Deutschland es nicht schafft, 30 Prozent seiner Fläche unter Schutz zu stellen, müsste es sich sozusagen freikaufen können

    Matthias Glaubrecht, Biodiversitätsforscher

    Das Geld, das Ecuador mit dem Ölfeld einnimmt, könnte allerdings auch aus anderen Quellen kommen. „Wenn ein Land wie Deutschland es nicht schafft, 30 Prozent seiner Fläche unter Schutz zu stellen, müsste es sich sozusagen freikaufen können, damit das Geld bei denjenigen landet, die Gebiete unberührt lassen“, sagt Glaubrecht. Denkbar wäre eine Art Zertifikatesystem wie im CO2-Handel.

    Unabhängig davon sollte aus seiner Sicht nicht allein der Schutz vorhandener Naturschutzgebiete im Fokus stehen. „Wir müssen einerseits die noch vorhandenen, großen Natur- und Wildnisgebiete schützen, aber andererseits auch bisher durch den Menschen genutzte Flächen renaturieren. Da dies aber sehr aufwendig ist, lohnt es sich gar nicht erst, weitere Natur zu zerstören“, sagt Glaubrecht.

    Das Beispiel Botswana – Ökostrom vom Okavango

    Okavangodelta in Botswana aus der Luft: Ein Elefant (rechts im Bild) durchstreift die endlose Graslandschaft.

    Zum Ende der Regenzeit in Angola ergießt sich der Okavango gemächlich in den Savannensand Botswanas, wo er ein gewaltiges Binnendelta bildet. Unzählige Tiere durchstreifen das fast menschenleere Paradies von der Größe Hessens – einzeln, wie der Elefant ganz rechts im Bild oder …

    Luftbild vom Okavangodelta in Botswana: Elefantenherde an der Wasserstelle.

    … in Herden wie diese Elefanten. Wenn der Okavango allmählich verdunstet und versickert, färbt sich das Delta gelb-braun, und die Tiere rücken an den verbliebenen Wasserstellen zusammen. Touristen aus aller Welt zahlen hohe Summen, um das Schauspiel zu erleben. Untergebracht sind sie …

    Chitabe Camp im Okavangodelta (Botswana): In solchen Luxuszelten wohnen die Gäste der Ökolodge.

    … in Luxuszelten wie diesem im Chitabe-Camp. Doch die Zahl der Menschen, die dorthin gelangen ist klein. Die Regierung knüpft Lizenzen für solche Unterkünfte an strenge Auflagen, um Flora und Fauna vor dem zu viel menschlichem Einfluss zu schützen. Dazu gehört auch …

    Das Chitabe-Camp versorgt sich mit Solarenergie. Camp-Leiter Thompson Seboni demonstriert die Robustheit der Anlage.

    … die Stromversorgung. Chitabe bezieht seine Energie aus Solarkraft. Hier demonstriert Camp-Leiter Thompson Seboni, wie robust die Panele sind – schließlich jagen immer wieder mal Paviane mit ihren scharfen Krallen darüber hinweg. Gespeichert wird der Strom …

    Chitabe-Camp im Okavangodelta: Der Strom der Solarpanele wird in Batterien gespeichert.

    … in einem gekühlten Container voller Batterien. Der Stromverbrauch ist überschaubar, Chitabe verfügt nur über 13 Zelte und einige Mitarbeiterunterkünfte. Bis zum Bau der Anlage musste das Camp per Dieselgenerator versorgt werden, Stromleitungen gibt es im Delta nicht. Schließlich sollen Tiere …

    Ein Leopard döst auf einem Baum im Okavangodelta, ganz in der Nähe des Chitabe-Camps.

    … wie dieser Leopard durch menschliche Eingriffe möglichst wenig gestört werden. Die Camps müssen so gebaut werden, dass sie nach Auslaufen der Lizenz vollständig entfernt werden können. Die Tiere scheinen sich daran gewöhnt zu haben. Ein Beispiel dafür ist …

    Eine Löwin und ihr Nachwuchs ruhen sich im Okavangodelta im Schatten aus.

    … diese Löwin, die sich mit ihren Jungen in Sichtweite des Camps niedergelassen hat. Ein- bis zweimal täglich fahren die Besucher von Chitabe in offenen Landrovern durch die Umgebung um Ausschau nach wilden Tieren zu halten. Nach Einbruch der Dunkelheit …

    Löwenrudel im Okavangodelta bei Nacht

    … ist das besonders eindrucksvoll, wenn plötzlich ein Löwenrudel wie dieses im roten Licht des Suchschwinwerfers auftaucht. Für solche Erlebnisse bezahlen Besucher oft 1500 Dollar und mehr – pro Nacht. Der Tourismus ist eine der wichtigsten Einnahmequellen Botswanas. Kürzlich hat das Land …

    Botswana feiert seinen 50. Geburtstag. Das Land im Süden des Kontinents gilt als die "Schweiz Afrikas".

    … den 50. Unabhängigkeitstag gefeiert. Die zwei Millionen Einwohner sind sichtlich stolz darauf, überall wurden Gebäude in den Landesfarben geschmückt. Wegen seiner stabilen wirtschaftlichen und politischen Lage wird Botswana oft die „Schweiz Afrikas“ genannt. Im Energiesektor allerdings …

    Solaranlage in Gaborone, der Hauptstadt von Botswana.

    … ist Botswana auf Stromimporte aus Südafrika angewiesen. Die heimische Erzeugung basiert vor allem auf den Kohleminen des Landes. Solaranlagen wie diese in der Nähe der Hauptstadt Gaborone sind noch selten, obwohl die Bedingungen geradezu ideal sind. Wer Windräder sucht …

    Windenergie in Südafrika: Impalas grasen vor den Windrädern der Noblesfontein Wind Farm.

    … muss sogar ins Nachbarland Südafrika reisen. Dort erlebt der Ausbau der Erneuerbaren einen echten Boom. Die Windverhältnisse sind denen in vielen Regionen Europas weit überlegen. Dieser Park mit 41 Vestas-Turbinen steht in Noblesfontein in der Karoo. Aus Europa kommen auch die Turbinen …

    Windenergie in Südafrika: Ein Windrad des Herstellers Nordex steht neben einer alten Windmühle in der Dorper Wind Farm.

    … des Windparks Doper im Hinterland der Provinz Eastern Cape – sie stammen von Nordex. Es sind vor allem ausländische Firmen, die den Markt in Südafrika beherrschen. Es gibt allerdings auch einen heimischen Windradhersteller, eine junge Firma …

    Windenergie in Südafrika: Adventure Power ist der einzige Windradbauer des Landes. Hier steht Geschäftsführer Mark Ristow zwischen zwei Rotoerblättern.

    … namens Adventure Power. Ihre Produktionshallen liegen in der industriell geprägten Stadt East London am Indischen Ozean. Das Foto zeigt Geschäftsführer Mark Ristow zwischen zwei der 16 Meter langen Roterblätter. Der Prototyp eines Windrads steht gleich vor der Fabrik. Es speist seinen Strom …

    Windenergie in Südafrika: Prototyp von Adventure Power in East London.

    … ins städtische Netz ein. Mit 300 Kilowatt liegt die Kapazität der Windräder von Adventure Power deutlich unter denen der Marktführer aus Europa. Dafür sind sie allerdings auch preiswerter. Neben dem Vertrieb in Südafrika hat Geschäftsführer Ristow auch Kunden in Asien und Europa im Auge.

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