Meeresschutz-Finanzierung

  • Search20.12.2023

Blaue Welle am Kapitalmarkt

Mit blauen Anleihen finanzieren Staaten und Unternehmen den Schutz der Meere – etwa, indem sie Schutzgebiete ausweisen oder in saubere Schiffsantriebe investieren. Wie das noch junge Finanzinstrument funktioniert.

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    Orangeringel-Anemonenfisch: Mit blauen Anleihen (Blue Bonds) wollen Unternehmen und Staaten das Leben im Meer schützen.

    Blaue Anleihen (Blue Bonds) sollen helfen, die Finanzmärkte zum Schutz der Meere anzuzapfen.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Vor vielen Küsten lebt ein Allrounder in Sachen Umweltschutz: Seegras, botanischer Name Zostera. Die Seychellen etwa teilen sich mit Mauritius Seegraswiesen von der Größe der Schweiz. Die sich sanft im Wellentakt wiegende Pflanze bietet Fischen Nahrung und Rückzugsraum. Gleichzeitig dämpft Seegras die Strömung bei Unwettern und schützt so ohnehin vom steigenden Meeresspiegel bedrohte Inselgruppen wie die Seychellen. Und als wäre das nicht genug, speichert die unscheinbare Pflanze 30- bis 50-mal so viel CO2 wie Wälder an Land. Ein wahrer Schatz im Meer.

    Doch wie fast überall auf der Welt schrumpfen die Seegraswiesen auch im Indischen Ozean – der Klimawandel und schädliche Umwelteinflüsse sind schuld. Und mit den Wiesen schrumpfen die Fischbestände.

    Helfen könnten Schutzgebiete, in denen die Natur weitgehend sich selbst überlassen ist, sodass sie ihre Kraft zur Regeneration entfalten kann. Gerade ärmeren Ländern, in denen die Bevölkerung vom Fischfang und vom Tourismus lebt, fehlen allerdings meist die Mittel, um solche Gebiete auszuweisen. Statt die Meere zu schützen, werden sie ausgebeutet, oft bis über ihre Belastungsgrenze hinaus.

    Wie ein Ausweg aus diesem Dilemma gelingen könnte, zeigt ein Schritt, den die Seychellen 2018 gegangen sind. In diesem Jahr brachte die Inselrepublik vor Afrika die weltweit erste sogenannte blaue Anleihe auf den Markt.

    Blue Bonds: Die Seychellen haben eine blaue Anleihe begeben, um Investorengelder zum Schutz der Meere einzusammeln.

    Die Seychellen haben die erste blaue Anleihe der Welt herausgegeben – und so mehr als 15 Millionen US-Doller zum Schutz des Meeres eingesammelt.

    Anleihen sind Schuldscheine, mit denen sich die Schuldner, in der Finanzszene Emittenten genannt, Geld bei Anlegern leihen. Bereits etabliert sind sogenannte grüne Anleihen (Green Bonds), bei denen das Darlehen an „grüne“ Zwecke gebunden ist. Unternehmen finanzieren darüber etwa den klimafreundlichen Umbau ihrer Produktion. Analog dazu verpflichten sich Emittenten von blauen Anleihen, das Darlehen zum Schutz des Meeres einzusetzen.

    Die Seychellen haben über ihren blauen Schuldschein, den sie unter Anleitung und mit Hilfe einer Bürgschaft der Weltbank herausgegeben haben, mehr als 15 Millionen US-Dollar eingesammelt, gebunden an das Versprechen, mit dem Geld die Fischindustrie nachhaltiger zu gestalten und Schutzgebiete für Meerespflanzen und Fischbestände auszuweiten. Es war der Startschuss für ein neues nachhaltiges Finanzinstrument.

    Der Markt ist überschaubar. Das Volumen lag 2022 bei fünf Milliarden US-Dollar

    Fünf Jahre später sind blaue Anleihen allerdings noch immer ein Nischenprodukt. Die 26 blauen Anleihen, die bis Ende vergangenen Jahres auf den Markt kamen, haben ein Gesamtvolumen von fünf Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Mit Green Bonds haben Emittenten wie Unternehmen, Staaten und Kommunen allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 570 Milliarden US-Dollar eingesammelt. Auch der Energiekonzern Ørsted, der das Portal EnergieWinde finanziert, hat eine blaue Anleihe herausgebracht.

    Trotz des bislang geringen Volumens trauen Finanzexperten aber auch blauen Anleihen zu, sich am Markt durchzusetzen. Allerdings seien zuvor noch einige Hürden zu nehmen.

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    Das Problem besteht darin, dass es aktuell zu wenig Regulierung für diese Finanzprodukte gibt und es zu Greenwashing kommen kann

    Marie Kuhn, Finanzexpertin bei Greenpeace

    „Nachhaltige Finanzierungsinstrumente sind eigentlich absolut gefragt bei Investoren, und der Sinn dahinter, wichtige Klimaprojekte zu finanzieren, ist generell natürlich gut“, sagt Marie Kuhn, Finanzexpertin bei Greenpeace, im EnergieWinde-Gespräch. „Das Problem besteht darin, dass es aktuell zu wenig Regulierung für diese Finanzprodukte gibt und es dadurch zu Greenwashing kommen kann.“

    So nutzten Unternehmen Projekte wie die Aufforstung des Regenwaldes oder den Schutz einer Tierart gern, um sich einen grünen Anstrich zu geben. „Inwiefern das eingesammelte Geld dann wirklich vor Ort landet und hilft, ist manchmal fraglich“, sagt Marie Kuhn.

    Dass Staaten oder Unternehmen sich Geld bei Investoren leihen, um klimafreundliche Technologien zu finanzieren oder Tierarten zu schützen, ist nicht neu. Seit der ersten grünen Anleihe 2007 ist der Markt rasant gewachsen. Green Bonds gelten heute zusammen mit Social Bonds und Government Bonds als wichtiges Instrument zur Finanzierung nachhaltiger Zwecke. (Ein „Glossar der grünen Geldanlage“ finden Sie hier.)

    Nachhaltige Investments sind heiß begehrt. Davon dürften Blue Bonds profitieren

    Der Boom solcher sogenannten ESG-Anlagen legt nahe, dass auch das Interesse an Blue Bonds wachsen wird. Laut der US-Bank Morgan Stanley legen bereits rund 40 Prozent aller Investoren ihr Geld nachhaltig an. Viele sind händeringend auf der Suche nach entsprechenden Projekten zum Schutz wichtiger Ökosysteme und Ressourcen. Dass künftig mehr Geld in die Aufforstung von Seegraswiesen oder die nachhaltige Fischerei fließen wird, gilt daher als sicher. Zumal der Bereich chronisch unterfinanziert ist: Auf rund 750 Milliarden US-Dollar bezifferten die UN die Finanzierungslücke in Sachen Wasser- und Meeresschutz.

    Und das könnte sogar noch zu gering bewertet sein, wenn man bedenkt, dass mehr als drei Viertel der Erde von Wasser bedeckt sind. Laut der OECD leben rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in küstennahen Regionen, etwa drei Milliarden Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt in Fischerei und Tourismus oder anderen Jobs rund um die Ressource Wasser.

    Bazaruto-Archipel: Touristen besuchen das Meeresschutzgebiet vor Mosambik. Mit blauen Anleihen (Blue Bonds) können ärmere Länder den Schutz der Meere finanzieren.

    Urlauber in einem Meeresschutzgebiet in Mosambik: Gerade ärmeren Ländern fehlt oft das Geld, um nachhaltige Formen von Fischerei und Tourismus zu finanzieren.

    Die Projektbereiche für Blue Bonds sind vielfältig: Wasserversorgung, Wasseraufbereitung und Energieerzeugung auf See etwa, Wiederherstellung von Meeresökosystemen, Förderung einer nachhaltigen Schiffs- und Hafenindustrie oder meeresfreundliche Formen von Fischerei und Tourismus. Unternehmen, die in diesen Feldern arbeiten, könnten blaue Anleihen beispielsweise nutzen, um ihre Schiffsflotte auf klimafreundliche Antriebe umzustellen.

    Greenpeace beurteilt nachhaltige Unternehmensanleihen allerdings tendenziell kritisch. „Was wir immer noch häufig sehen, ist, dass große Konzerne auf der einen Seite Geld für ein Umweltprojekt einsammeln, aber auf der anderen Seite gleichzeitig Geld aufnehmen, um in bestehende umweltschädliche Aktivitäten zu investieren“, sagt Kuhn. Dabei würden die Bemühungen um Umweltschutz oft medienwirksam hervorgehoben. „Da stellt sich oft die Frage, ob es dem Emittenten wirklich um sein Engagement für die Umwelt geht oder lediglich um sein Image.“

    Experten fordern ein Rahmenwerk – um „Bluewashing“ zu verhindern

    Finanzexperten bemängeln zudem das bislang fehlende Rahmenwerk. „Anders als beim Markt für grüne Anleihen gibt es keinen umfassenden Marktüberblick, sodass Beteiligte nicht beurteilen können, ob dieses Label im Hinblick auf den Schutz von Wasserressourcen wirksam war und inwiefern es Rückschlüsse auf sein künftiges Potenzial zulässt“, schreiben Pieter Bosmans und Frederic de Mariz in der bisher einzigen Studie zum Markt für blaue Anleihen. Die fehlenden Standards bergen die Gefahr von „Bluewashing“.

    Allerdings haben sich auch im Bereich grüner Anleihen erst in den vergangenen Jahren Rahmenwerke etabliert. Sowohl Anleiheemittenten als auch Investoren orientieren sich vor allem an den Vorgaben des internationalen Branchenverbands für Kapitalmarktteilnehmer (ICMA). Doch wie bei vielen Nachhaltigkeitsthemen kritisieren Experten auch hier die schwammigen Definitionen. In der Frage, welche Projekte Klima und Umwelt wirklich nützen, bestehe viel Auslegungsspielraum.

    Zwar gilt seit diesem Jahr in der EU der Green-Bonds-Standard. Allerdings ist noch offen, ob er sich durchsetzt und einen Vergleich von nachhaltigen Projekten ermöglicht, da er nur für europäische Anleiheemissionen gilt und damit viele Emittenten ausschließt. Für Kleinanleger sind derartige Rahmenwerke ohnehin oft zu komplex, um den Einfluss ihres Geldes nachvollziehen zu können.

    Das Potenzial ist groß – doch bislang sind nur wenige Projekte weit ausgearbeitet

    Für die große Öffentlichkeit dürfte die Möglichkeit, Geld in den Schutz der Meere zu investieren, daher noch in weiter Ferne liegen. Denn obwohl die ICMA kürzlich zumindest ein erstes Rahmenwerk für blaue Anleihen veröffentlicht hat, hakt es laut Bosmans und de Mariz noch an anderer Stelle: Es mangele an Projekten, die so ausgearbeitet sind, dass ein professioneller Anleiheprozess überhaupt möglich ist.

    Dennoch bergen blaue Anleihen großes Potenzial. Sobald schlüssige Kriterien und etablierte Standards vorliegen, können sie zu einem Gewinn für beide Seiten werden: Die Geldgeber profitieren von den Zinsen. Zudem können sie gegenüber Dritten nachweisen, ihr Geld nachhaltig eingesetzt zu haben, was ihnen ihrerseits den Zugang zu Kunden und Investoren erleichtert. Und Staaten und Unternehmen auf der anderen Seite können mehr Geld in den dringend notwendigen Schutz der Meere leiten.

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