Die Projektbereiche für Blue Bonds sind vielfältig: Wasserversorgung, Wasseraufbereitung und Energieerzeugung auf See etwa, Wiederherstellung von Meeresökosystemen, Förderung einer nachhaltigen Schiffs- und Hafenindustrie oder meeresfreundliche Formen von Fischerei und Tourismus. Unternehmen, die in diesen Feldern arbeiten, könnten blaue Anleihen beispielsweise nutzen, um ihre Schiffsflotte auf klimafreundliche Antriebe umzustellen.
Greenpeace beurteilt nachhaltige Unternehmensanleihen allerdings tendenziell kritisch. „Was wir immer noch häufig sehen, ist, dass große Konzerne auf der einen Seite Geld für ein Umweltprojekt einsammeln, aber auf der anderen Seite gleichzeitig Geld aufnehmen, um in bestehende umweltschädliche Aktivitäten zu investieren“, sagt Kuhn. Dabei würden die Bemühungen um Umweltschutz oft medienwirksam hervorgehoben. „Da stellt sich oft die Frage, ob es dem Emittenten wirklich um sein Engagement für die Umwelt geht oder lediglich um sein Image.“
Experten fordern ein Rahmenwerk – um „Bluewashing“ zu verhindern
Finanzexperten bemängeln zudem das bislang fehlende Rahmenwerk. „Anders als beim Markt für grüne Anleihen gibt es keinen umfassenden Marktüberblick, sodass Beteiligte nicht beurteilen können, ob dieses Label im Hinblick auf den Schutz von Wasserressourcen wirksam war und inwiefern es Rückschlüsse auf sein künftiges Potenzial zulässt“, schreiben Pieter Bosmans und Frederic de Mariz in der bisher einzigen Studie zum Markt für blaue Anleihen. Die fehlenden Standards bergen die Gefahr von „Bluewashing“.
Allerdings haben sich auch im Bereich grüner Anleihen erst in den vergangenen Jahren Rahmenwerke etabliert. Sowohl Anleiheemittenten als auch Investoren orientieren sich vor allem an den Vorgaben des internationalen Branchenverbands für Kapitalmarktteilnehmer (ICMA). Doch wie bei vielen Nachhaltigkeitsthemen kritisieren Experten auch hier die schwammigen Definitionen. In der Frage, welche Projekte Klima und Umwelt wirklich nützen, bestehe viel Auslegungsspielraum.
Zwar gilt seit diesem Jahr in der EU der Green-Bonds-Standard. Allerdings ist noch offen, ob er sich durchsetzt und einen Vergleich von nachhaltigen Projekten ermöglicht, da er nur für europäische Anleiheemissionen gilt und damit viele Emittenten ausschließt. Für Kleinanleger sind derartige Rahmenwerke ohnehin oft zu komplex, um den Einfluss ihres Geldes nachvollziehen zu können.
Das Potenzial ist groß – doch bislang sind nur wenige Projekte weit ausgearbeitet
Für die große Öffentlichkeit dürfte die Möglichkeit, Geld in den Schutz der Meere zu investieren, daher noch in weiter Ferne liegen. Denn obwohl die ICMA kürzlich zumindest ein erstes Rahmenwerk für blaue Anleihen veröffentlicht hat, hakt es laut Bosmans und de Mariz noch an anderer Stelle: Es mangele an Projekten, die so ausgearbeitet sind, dass ein professioneller Anleiheprozess überhaupt möglich ist.
Dennoch bergen blaue Anleihen großes Potenzial. Sobald schlüssige Kriterien und etablierte Standards vorliegen, können sie zu einem Gewinn für beide Seiten werden: Die Geldgeber profitieren von den Zinsen. Zudem können sie gegenüber Dritten nachweisen, ihr Geld nachhaltig eingesetzt zu haben, was ihnen ihrerseits den Zugang zu Kunden und Investoren erleichtert. Und Staaten und Unternehmen auf der anderen Seite können mehr Geld in den dringend notwendigen Schutz der Meere leiten.