Erneuerbaren-Rekord

  • Search03.11.2025

Wenn bei Sturm der Strompreis einknickt

Orkanböen, Strom im Überfluss und Preise im Minus: Sturmtief „Joshua“ zeigt Ende Oktober, wie stark Wind und Sonne das Energiesystem prägen – und warum Flexibilität im Verbrauch zum neuen Gold wird.

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    Sturmtief über Norddeutschland: Herbst und Winter sind die ertragreichsten Zeiten der Windenergie.

     

    Von Volker Kühn

    Meteorologen geben die Stärke des Windes in Beaufort an. Ihre Skala reicht von null (Windstille) bis zwölf (Orkan). Für Sturmtief „Joshua“ etwa kamen sie Ende Oktober auf Werte von acht bis elf.

    Die Stärke des ersten Sturms dieses Herbstes ließ sich aber nicht nur in den Daten des Wetterdienstes ablesen, sondern auch im deutschen Stromsystem. Denn je wilder sich der Sturm über den Windparks draußen in der Nordsee und bis weit hinein ins Binnenland austobte, desto höher kletterte der Anteil der Windenergie an der Stromversorgung.

    Am 24. Oktober kam sie auf 79 Prozent, tags darauf auf 84 Prozent und am 26. Oktober sogar auf 93 Prozent. Das belegen Zahlen der Datenplattform Energy-Charts des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE). Weil zeitgleich auch andere erneuerbare Stromquellen wie PV- und Biogasanlagen Energie lieferten, erzeugte Deutschland in diesen Tagen weit mehr Grünstrom, als das Land verbrauchen konnte.

    Es ist eine Situation, die mit dem fortschreitenden Ausbau der Erneuerbaren immer öfter auftritt. Schon heute genügen an manchen Tagen allein Deutschlands Wind- und Solarparks, um das gesamte Land zu versorgen. An 132 der vergangenen 365 Tage lieferten diese beiden Quellen mindestens die Hälfte des deutschen Stroms – und einmal bereits über 100 Prozent.

    Der Anteil der Wind- und Solarenergie an der Stromproduktion wächst. In den 365 Tagen bis Oktober 2025 lag er nur an acht Tagen unter 10 Prozent. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Dabei ergänzen sich die beiden Quellen im Jahresverlauf ideal: Die Solarenergie ist im Frühling und Sommer stark ist, die Windkraft im Herbst und Winter. Dass Deutschland bestenfalls an sonnigen Sommertagen genügend Ökostrom erzeugen könnte, zählt zu den Mythen der Energiewende.

    Doch natürlich gibt es auch Tage, an denen das Wetter nicht mitspielt und die Wind- und Solarenergie kaum Energie liefern. An acht der vergangenen 365 Tage lag ihr Anteil bei unter zehn Prozent. Es sind die Zeiten der gefürchteten Dunkelflaute. Phasen, für die vorgesorgt werden muss – mit Speichern, einer intelligenten Steuerung der Netze, der Flexibilisierung der Nachfrage und Backup-Kraftwerken.

    Als der Sturm tobt, stürzen Bäume um – und die Strompreise fallen

    Immer häufiger aber werden die Tage mit Stromüberschüssen. So wie während des Sturmtiefs Ende Oktober, das mit seinen Orkanböen den ersten Schnee in den Höhenlagen des Harzes bringt und zahlreiche Bäume umstürzen lässt. Die Folgen zeigen sich aber auch an der Strombörse EEX in Leipzig. Dort fallen die Preise über mehrere Stunden bis ins Minus.

    Allein bis Ende September waren die Strompreise bereits in 520 Stunden negativ; inzwischen dürften es rund 600 Stunden sein. Das ist gut doppelt so viel wie noch vor zwei Jahren.

    Bis Oktober 2025 war der Strompreis an der Börse bereits in 520 Stunden negativ. Das ist mehr als 2024 insgesamt. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Für Verbraucher mit Smart Meter und dynamischem Stromtarif ist das eine gute Nachricht. Zwar zahlen sie noch Steuern und Abgaben auf ihren Strom. Doch im besten Fall ist der Preis auch dann noch negativ, sodass sie etwas Geld verdienen, wenn sie beispielsweise die Waschmaschine laufen lassen oder ein E-Auto laden. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die ihre Produktion flexibel steuern und sich an die schwankenden Börsenpreise anpassen können. Lastmanagement nennt sich das im Fachjargon.

    „Die fluktuierenden Preise sind gekommen, um zu bleiben“, sagt Tim Meyer von der auf Energie spezialisierten Unternehmensberatung 3Epunkt. Die Möglichkeiten dazu seien in vielen Firmen längst noch längst nicht ausgeschöpft. Das Zauberwort heißt Flexibilität: Wer es schafft, einen möglichst großen Teil seines Stromverbrauchs in Zeiten zu verschieben, in denen die Preise niedrig sind, kann viel Geld sparen – und bei negativen Preisen sogar Einnahmen erzielen. „Flexibilität ist das neue Gold“, sagt Meyer.

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