Abschied vom Hochofen

  • Search05.07.2022

Der Weg zum grünen Stahl

Ein Großteil der deutschen Hochöfen steht am Ende seiner Lebensdauer. Das macht die Gelegenheit zum Wechsel auf eine grüne Stahlproduktion günstig. Wie die neuen Verfahren funktionieren – und was ihnen noch im Weg steht.

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    Lichtbogenöfen sind das zentrale Element in der Herstellung von grünem Stahl.

    Stahlproduktion in einem Lichtbogenofen: Die Branche muss ihre Prozesse umstellen, um klimaneutral zu werden.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Wenn es nicht gelingt, das CO2-Problem der Stahlindustrie zu lösen, wird die Welt die Zusagen des Pariser Klimagipfels verfehlen. Jede zehnte Tonne CO2, die irgendwo auf dem Globus freigesetzt wird, geht auf die Stahlbranche zurück. Denn Stahl ist ein Alleskönner, stabil, formbar und günstig, der in unzähligen Bereichen zum Einsatz kommt – auf dem Bau und in Autos genauso wie in Pipelines und Windrädern.

    Das Problem ist die Art, wie rund drei Viertel des weltweiten Stahls hergestellt werden. Der Grundstoff dafür ist reines Eisen, das man gewinnt, indem man Eisenerz in Hochöfen auf etwa 1700 Grad erhitzt. Dabei wird auf zwei Arten CO2 frei: Zum einen stammt es aus dem Brennstoff der Hochöfen, in der Regel also aus Kokskohle. Zum anderen entsteht in einer chemischen Reaktion im Hochofen Gichtgas, das wiederum viel CO2 enthält. Beides zusammen führt dazu, dass die Stahlwirtschaft in Deutschland für rund ein Viertel aller Emissionen der Industrie verantwortlich ist.

    Grüner Wasserstoff soll Kokskohle ersetzen – und den Stahl vom CO2 befreien

    Doch es gibt auch eine andere, saubere Art, das für die Stahlproduktion nötige Eisen zu gewinnen: mit grünem Wasserstoff. Das geruchlose Gas reagiert dabei mit Eisenerz und entzieht diesem Sauerstoff. Chemiker nennen das eine Reduktion; die Anlage, in der dieser Prozess stattfindet, heißt Direktreduktionsanlage. Zurück bleibt Eisenschwamm, der in einem Lichtbogenofen geschmolzen zu Rohstahl verarbeitet wird. Stammt der dafür nötige Strom aus erneuerbaren Quellen, ist der Stahl CO2-frei.

    Wie grüner Stahl hergestellt wird: Das Schaubild zeigt das Verfahren von der Wasserstoff-Erzeugung (Elektrolyse) über die Direktreduktion bis zur Rohstahlherstellung per Lichtbogenofen. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Für die Hersteller bedeutet die Umstellung auf das klimafreundliche Verfahren Milliardeninvestitionen. Sie müssen ihre Hochöfen stilllegen und durch Direktreduktionsanlagen und Lichtbogenöfen ersetzen. Immerhin: Mit letzteren hat die Branche bereits Erfahrung. Lichtbogenöfen kommen schon seit den Siebzigerjahren zur Anwendung. An ihrem Standort im niedersächsischen Peine etwa betreibt die Salzgitter AG seit Jahren einen solchen Ofen, um Metallschrott zu neuem Stahl aufzubereiten. Es ist eine klassische Kreislaufwirtschaft, die ohne die energieintensive Reduktion von Eisenerz auskommt.

    Bis genügend Wasserstoff existiert, ist ein Zwischenschritt nötig: mit Erdgas

    Doch die Aufbereitung von Schrott allein reicht nicht aus, um den Stahlbedarf zu decken. Auch in Zukunft muss in großem Stil neuer Stahl aus Eisenerz gewonnen werden. Da die Kapazitäten zur Erzeugung von grünem Wasserstoff derzeit allerdings erst aufgebaut werden, setzt die Branche auf einen Zwischenschritt: fossiles Erdgas.

    Vermutlich wird sie noch eine ganze Weile darauf zurückgreifen müssen und Wasserstoff lediglich dort beimischen, wo er vorhanden und ökonomisch vertretbar hergestellt werden kann. „Mit Erdgas lassen sich zumindest schon 60 Prozent der jetzigen Emissionen einsparen, das ist ein wichtiger erster Schritt“, sagt Stefan Mecke vom Stahlproduzenten Salzgitter AG. Allerdings sind die Erdgaspreise seit dem russischen Überfall auf die Ukraine drastisch gestiegen. Leicht wird dieser Schritt folglich nicht.

    Die Hersteller von Windrädern zählen zu den größten Stahlkunden – und Stahlhersteller zu den größten Abnehmern von Windstrom.

    Die deutschen Hersteller haben den Umbauprozess jedoch schon vor Kriegsbeginn angestoßen. Sie planen Elektrolyseure für grünen Wasserstoff, Direktreduktionsanlagen, um Eisenerz in Eisenschwamm zu verwandeln, und Lichtbogenöfen, um daraus wiederum Rohstahl zu erzeugen.

    Die Anschaffung der riesigen Anlagen wird sich erst über 30 bis 50 Jahre rechnen. Da viele alte Hochöfen in der deutschen Stahlindustrie kurz vor dem Ende ihres Lebenszyklus stehen, ist die Gelegenheit für einen Technologiewechsel jedoch günstig.

    Was nicht heißen soll, dass er einfach wird. „Dies alles wird im laufenden Betrieb auf dem bestehenden Hüttengelände geschehen. Das ist eine große Herausforderung“, sagt Olaf Reinecke von der Salzgitter AG.

    Mitarbeit: Volker Kühn

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