Ruhiges Fahrwasser: Offshore-Windpark im Großen Belt, der Meeresstraße zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland.
Von Kathinka Burkhardt
Ein kleines Land hat Großes vor: Um bis 2050 klimaneutral zu sein, will Dänemark 80 Kilometer vor seiner Küste für schätzungsweise 28 Milliarden Euro eine riesige künstliche Insel als Drehkreuz für Ökostrom in die Nordsee bauen. In dem Energie-Hub soll der Strom mehrerer Offshore-Windparks gebündelt und nach Dänemark und in andere Länder weitergeleitet werden. Zusätzliche Power-to-X-Anlagen sollen überschüssige Energie in grüne Gase wie Wasserstoff oder Ammoniak umwandeln und auf diese Weise speicherbar machen. Gleichzeitig wollen die Dänen Bornholm zu einem weiteren Knotenpunkt der Energieversorgung im Ostseeraum ausbauen. Zusammen sollen sie zunächst drei und später bis zu zehn Millionen Haushalte versorgen. Es sind gigantische Pionierprojekte.
Bis sich die künstliche Insel in einem Umfang von 65 Fußballfeldern vor Jütland erstreckt, müssen noch viele Fragen geklärt werden, nicht zuletzt, wie der Strom später nach Europa weitergeleitet wird. Selbst wenn die planerischen, finanziellen und naturschutzrechtlichen Hürden genommen sind, könnte sich die für 2033 geplante Fertigstellung durch Wetter, Baustoffknappheit oder andere Unwägbarkeiten bei derlei Großprojekten noch verzögern.
Und trotzdem: Während in Deutschland die Ampelkoalition die Energiewende nach Jahren des Auf-der-Stelle-Tretens gerade erst wieder anstößt, stürmt das viel kleinere Dänemark mit konkreten Mammutvorhaben voran und untermauert seine Position als eines der führenden Länder im Kampf gegen die Klimakrise. Wie schaffen unsere Nachbarn das?
Raus aus den Fossilen: Die Idee kam in Dänemark schon in den Siebzigern auf
Um das zu verstehen, hilft ein Blick in die Kleinstadt Ulfborg. Dort steht das weltweit älteste noch laufende Windrad der Megawattklasse, erbaut von Lehrern, Schülern und vielen Freiwilligen. Und das kam so: Wie viele europäische Länder wurde Dänemark 1973 von der Ölkrise getroffen und suchte danach einen Weg aus der Abhängigkeit von der fossilen Energie. Die Politik diskutierte einen Einstieg in die Atomkraft, was jedoch viele Dänen ablehnten – so auch die Teilnehmer eines Lehrerseminars an der Tvind-Schule in Ulfborg.