Doch die zweistelligen Wachstumsraten, die in der Bundesrepublik der Sechziger zur Gewohnheit werden, beginnen Anfang der Siebziger zu bröckeln. Umso härter trifft der Ölpreisschock das Land. Zwischen 1972 und 1978 verdreifacht sich der Erdölpreis nahezu. Andere Länder der westlichen Welt sind aufgrund ungünstiger Wechselkurse noch härter getroffen. Viele geraten an den Rand der Rezession – oder darüber hinaus. In Deutschland sinkt das Bruttosozialprodukt 1975 erstmals um 1,3 Prozent. Die Abhängigkeit von billigen Ölimporten erweist sich als fatal, zumal die OPEC – die Organisation erdölexportierender Länder – Öl als politische Waffe einsetzt.
Kurzfristige Gegenmaßnahmen wie die vier autofreien Sonntage im Herbst 1973, die sich bis heute ins Gedächtnis der Nation eingebrannt haben, verpuffen nahezu wirkungslos. Stattdessen setzt die Bundesregierung unter dem Druck der Ereignisse auf ein Bündel von Maßnahmen, um andere Energieträger zu stärken.
1974 führt sie den sogenannten Kohlepfennig ein. Ähnlich wie heute die EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energieträger soll sie damals der international nicht wettbewerbsfähigen deutschen Steinkohle auf die Sprünge helfen. 1990 macht er gut acht Prozent der durchschnittlichen Stromrechnung von Verbrauchern aus. Erst 1995 schafft das Bundesverfassungsgericht den Kohlepfennig als verfassungswidrige Sonderabgabe ab. Seither subventioniert Deutschland die Kohle direkt aus dem Staatshaushalt.
Als wirkungsvoller erweisen sich zwei andere Maßnahmen: Der Bau von Erdgas-Pipelines nach Norwegen und in die Sowjetunion sowie der Ausbau der Kernenergie. Beide Schritte verändern den Energiemix in Deutschland nachhaltig. Schon in den Fünfzigerjahren hatte die Bundesregierung begonnen, die Forschung und Entwicklung der Atomkraft in Deutschland zu fördern. Insgesamt fließen nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung allein bis 2006 mehr als 50 Milliarden Euro an Subventionen in die Kernenergie. Die Technologie gilt bis weit in die Siebzigerjahre in großen Teilen von Politik und Gesellschaft als sauber und zuverlässig.