Die Standorte im Nordwesten Deutschlands kommen nicht von ungefähr. Niedersachsen wird laut dem „Elektrolyse-Monitor“ 2030 über die mit Abstand größten Kapazitäten in Deutschland verfügen, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern, NRW und Schleswig-Holstein. „Der Standort ist ideal, weil dort gewaltige Mengen Offshore-Windstrom ins Netz drängen, die oft gar nicht abtransportiert werden können und deshalb abgeregelt werden“, sagt EWE-Chef Stefan Dohler.
Wasserstoff als Wirtschaftsmotor: „Industrie folgt Energie“
Dohler geht davon aus, dass der windreiche Norden mit seinem Potenzial zur Wasserstofferzeugung wirtschaftlich zu den großen Profiteuren der Energiewende gehören kann. „Wir können der Ruhrpott von morgen werden, nur in sauber“, sagt er. Ähnlich äußert sich Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies: „Industrie folgt Energie, das war schon immer so.“
Gerade für energieintensive Unternehmen sei bei der Standortwahl entscheidend, wo große Mengen sauberer Energie zuverlässig verfügbar sind. Der Norden könne damit punkten.
Deutschland wird viel Wasserstoff importieren – grünen und wohl auch blauen
Doch auch wenn Deutschland künftig über Kapazitäten im Gigawattbereich verfügt, wird ein Großteil des Wasserstoffs aus dem Ausland kommen. „Deutschland war schon immer ein Importland von Energie und wird das auch bleiben“, sagt EWE-Chef Dohler. In der Vergangenheit habe Deutschland 70 bis 80 Prozent der Gesamtenergie importiert, vor allem in Form von Kohle, Öl und Erdgas. Künftig könnten Strom und grüne Gase an deren Stelle treten.
Geht es nach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, könnte zumindest für einen Übergangszeitraum nicht nur grüner, sondern auch blauer Wasserstoff nach Deutschland fließen. Der wird nicht per Elektrolyse, sondern per Dampfreformierung aus fossilem Erdgas gewonnen. Das dabei frei werdende CO2 soll aufgefangen und dauerhaft unterirdisch gespeichert werden, im Fachjargon Carbon Capture and Storage (CCS) genannt.
Absichtserklärungen zum Import von blauem Wasserstoff unterzeichnete Habeck Anfang des Jahres in Norwegen. Er könnte über eine Pipeline nach Deutschland kommen; als Endpunkt ist Wilhelmshaven im Gespräch. Klimaschützer sehen die Pläne kritisch, da bei der Erdgasförderung viel Methan frei wird. Aus Sicht vieler Industrievertreter ist blauer Wasserstoff allerdings nötig, da er in grüner Form in absehbarer Zeit nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehe. Doch ohne sichere Versorgung werde die Industrie nicht in Wasserstoffprojekte investieren.