Wie viele Windräder sollen in Deutschland gebaut werden? Eine Antwort darauf fehlt im Klimapaket der Bundesregierung.
Von Denis Dilba
Immerhin eines hat die scheidende Bundesregierung auf den letzten Metern noch bewiesen: Wenn sie muss, kann sie auch schnell handeln. Nur acht Wochen nach dem bahnbrechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf den Schutz des Klimas hat der Gesetzgeber nachgebessert. In drei Gesetzesvorlagen und sieben Anträgen haben CDU und SPD nicht nur das Klimaziel für 2030 von 55 auf 65 Prozent CO2-Minderung im Vergleich zu 1990 angehoben und die angestrebte Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorgezogen. Sie justierten auch zahlreiche kleine Stellschrauben des aus Sicht von Karlsruhe nicht ausreichenden Klimaschutzgesetzes neu.
So wird mit dem verbesserten Klimaschutzgesetz unter anderen die Stromkennzeichnung verbraucherfreundlicher; beschlossen ist auch, dass Betreiber kleiner Batteriespeicher in Eigenheimen die Doppelbelastung durch die EEG-Umlage vermeiden können und Kommunen stärker an den Erträgen neuer Solarparks beteiligt werden, was deren Motivation zur Freigabe entsprechender Flächen erhöhen sollte. Besonders stolz ist man in Berlin auch auf die 5000-Megawatt-Sonderausschreibungen für Onshore-Windkraft und Solarenergie im kommenden Jahr und auf vereinfachte Genehmigungsverfahren für das Repowering alter Windkraftanlagen.
1,5 Grad? Auch mit dem nachgebesserten Gesetz unmöglich, sagt Julia Verlinden
„Das alles reicht aber längst nicht aus“, sagt Julia Verlinden, Umweltwissenschaftlerin und energiepolitische Sprecherin der Grünen, gegenüber EnergieWinde: „Zum einen sind die Klimaziele im verschärften Klimaschutzgesetz immer noch nicht ambitioniert genug, um auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen.“ Aus ihrer Sicht bräuchte man für das Jahr 2030 mindestens 70 Prozent CO2-Reduktion, besser mehr. „Und zum anderen stehen nicht einmal für diese unambitionierten Ziele die Maßnahmen dahinter, damit diese überhaupt erreicht werden können.“ Es würden dringend politische Instrumente, konkrete Förderprogramme und Ausbauziele sowie vernünftige Standards benötigt – etwa für eine erhöhte Energieeffizienz von Gebäuden –, um den Umstieg auf die Erneuerbaren zu schaffen, so Verlinden.
Auch Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert, dass es keine konkreten Zahlen zum Ökostromausbau gibt: „Die Kernaufgabe, um die neu festgelegten Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Festlegung ambitionierter Ausbaupfade für die erneuerbaren Technologien bis zum Jahr 2030.“ Die fehlten aber. Die Verschiebung dieser Aufgabe in die nächste Legislaturperiode werde der Schlüsselrolle der Erneuerbaren Energien als Klimaschützer Nummer eins nicht gerecht, so Peter. Ihre Fachkollegin Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), liefert dazu das Zahlenwerk, an dem sich die kommende Bundesregierung aus ihrer Sicht orientieren sollte.