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Sprengung der Kühltürme des britischen Kohlekraftwerks Cottam im August 2025: Ökostrom wird weltweit immer günstiger – und verdrängt fossile Kraftwerke zunehmend aus dem Markt.
Mit den steigenden Temperaturen auf der Erde schmelzen die arktischen Permafrostböden. Dadurch gelangt der Klimakiller Methan in die Atmosphäre, befeuert die Erderhitzung zusätzlich und führt so zur Freisetzung weiteren Methans. Solche Entwicklungen sind in der Klimaforschung als „Kipppunkte“ bekannt – Entwicklungen, die sich selbst beschleunigen. Tim Lenton ist einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet. Doch nicht alle Kipppunkte sind Teufelskreise, sagt der Brite: Es gibt auch Kipppunkte zum Guten.
Professor Lenton, in Ihrem neuen Buch beschreiben Sie Kipppunkte im Klima – also Situationen, in denen sich Prozesse abrupt und unumkehrbar verändern. Wen wollen Sie damit erreichen?
Tim Lenton: Als Forscher habe ich schon viel Akademisches geschrieben, aber mit „Positive Tipping Points“ wende ich mich an die breite Öffentlichkeit. Ich möchte zeigen, dass wir mehr Handlungsmacht besitzen, als uns oft bewusst ist. Wir sind nicht passiv einer komplexen, beängstigenden Klimakrise ausgeliefert – wir können selbst Veränderungen anstoßen, die das System ins Positive kippen. Das zeigen nicht nur theoretische Modelle, sondern inzwischen auch ganz konkrete Beispiele.
Der Begriff „Kipppunkt“ ist in der Klimaforschung eigentlich negativ besetzt: Er steht für bedrohliche Entwicklungen wie das sich selbst beschleunigende Abschmelzen des Eisschildes. Sie rücken nun positive Kipppunkte in den Fokus. Warum?
Lenton: Weil wir sie brauchen – und weil sie tatsächlich existieren. Schon als ich in den 2000er-Jahren zu negativen Kipppunkten forschte, entwickelte ich die Hypothese, dass es sie auch im Positiven geben muss. Gesellschaften haben sich immer wieder abrupt verändert – das wissen wir aus der Geschichte. Damals fehlten mir noch die Belege, dass Ähnliches auch im Klimasystem möglich ist. Inzwischen sehen wir sie. Etwa in der Solarenergie, deren Verbreitung sich selbst beschleunigt – ein klassischer Kipppunkt. Genau solche Prozesse geben mir Hoffnung.
Tim Lenton ist Professor für Klimawandel und Erdsystemwissenschaft an der University of Exeter und Gründungsdirektor des