„Dass nichts passiert, macht mich wahnsinnig“: Klimaexperte Özden Terli.
Als Tief Bernd im Sommer über dem Westen Deutschlands wütet, als Häuser weggespült werden, Menschen sterben und die Schäden in die Milliarden gehen, da taucht eine Frage wieder auf: Sind solche Extremwetterereignisse eine Folge des Klimawandels? Özden Terli winkt bei dieser Frage ab. „Darüber sind wir längst hinaus“, sagt der ZDF-Meteorologe. Schließlich lebten wir längt in der Welt der Klimakrise, mit einer Atmosphäre, die sich verändert hat. „Es ist ja nicht so, dass irgendwo ein Schalter umgelegt wird und heute dann Klimawandel ist, morgen aber nicht“, sagt er.
Seit 2013 arbeitet Terli als Wettermoderator beim ZDF. Seine Vorhersagen erreichen Millionen deutscher Haushalte. Seit 2014 nutzt er die knappe Zeit seiner Beiträge auch, um den Klimawandel zu erklären. Er zeigt, wie der CO2-Ausstoß seit Beginn der Industrialisierung steigt und wie mit ihm die Durchschnittstemperaturen klettern. Er spricht über die Häufigkeit von Hitzewellen. Und er erklärt, warum der Jetstream aus dem Gleichgewicht ist. Normalerweise zieht das Starkwindband, das in acht bis zwölf Kilometer Höhe um die Erde kreist, die darunterliegenden Tiefs verlässlich mit. Doch immer öfter schwächelt das Band. In der Folge können Tiefs wie Bernd über Mitteleuropa stranden und sich dort ungewöhnlich lange austoben. Die Flutkatastrophe war in Terlis Augen deshalb eine Katastrophe mit Ansage.
Doch vielen Menschen ist die Gefahr des Klimawandels noch immer nicht bewusst. Das zeigen Terli die Zuschriften von Zuschauern und die Diskussionen auf Twitter, wo er täglich Links zu Studien und Artikel zu dem Thema postet oder Falschaussagen von Klimaleugnern richtigstellt. Oft wird er dafür angefeindet. Im Gespräch mit EnergieWinde erzählt Terli, wie er damit umgeht. Er erklärt, wie politisch Wettermoderatoren sein dürfen und er kritisiert Politiker und Teile der Medien für ihre Untätigkeit in der Klimakrise.
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Herr Terli, Sie klären im Wetterbericht im ZDF regelmäßig über den Klimawandel auf. Was bewegte Sie dazu, Ihre Plattform für diese Aufklärungsarbeit zu nutzen?
Özden Terli: Die Frage ist, warum andere Meteorologen ihre Plattform nicht nutzen. Die Klimafolgen wirken doch längst ins Wetter hinein. Wenn man diese Informationen auslässt, erzählt man nicht die komplette Geschichte. Das Ganze fing bei mir mit Rückblicken auf den vergangenen Monat an. Solche Rückblicke haben die Kollegen im ZDF auch schon vorher gezeigt. Es ist interessant zu schauen, wie der letzte Monat eigentlich war – zu warm, zu nass? Gab es wirklich so viel Sonnenschein? Das sind Klima-Informationen, die unmittelbar mit der Arbeit eines wissenschaftlich ausgebildeten Meteorologen zusammenhängen.
Ich habe diese Präsentationen ausgedehnt und im Hintergrund habe ich mit Wissenschaftlern gesprochen. Das war meine private Initiative: Ich hatte realisiert, dass es nicht nur wichtig ist, Menschen davor zu warnen, wie gefährlich der nächste Sturm wird. Auch die Perspektive der Veränderungen im globalen Zusammenhang empfand ich als sehr wichtig. Was viele unterschätzen: Wir sind beim Wetter nicht auf einer Insel. Was woanders passiert, zum Beispiel in der Arktis, geht uns sehr wohl etwas an.
Die Debatte um den Klimawandel ist politisch aufgeladen – wie politisch dürfen Wettermoderatoren sein?
Terli: Der Moderator ist ein Journalist, der Zusammenhänge einordnet und als Wissenschaftler auch erklärt. Die Klimainfos gehören da zwingend rein: Meteorologen sind genau die richtigen, um diese Fakten vorzutragen und einzuordnen. Wenn also versucht wird, den Überbringer der Nachricht zu diskreditieren, ist das auch ein Angriff auf die Wissenschaft. Ich wurde da reingezogen in diesen seit Jahrzehnten andauernden Krieg gegen die Wissenschaft, und mittlerweile gehört es einfach dazu. Die Angriffe lasse ich mir allerdings nicht mehr gefallen, es gibt verschiedene Methoden sich zu wehren.