Lars Jessen, geboren 1969 in Kiel, ist Produzent, Regisseur und Drehbuchautor. Bekannt wurde er mit Filmen wie „Dorfpunks“, „Fraktus“ und „Mittagsstunde“. Er hat zahlreiche Folgen von „Großstadtrevier“, „Polizeiruf“ und „Tatort“ gedreht. Für den Film „Für immer Sommer 90“ erhielt er den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis. Zu seiner Dokureihe „Wir können auch anders“ inspirierte ihn das gleichnamige Buch der Politikökonomin Maja Göpel. Jessen schickt in den sechs Folgen Prominente wie Axel Prahl und Anke Engelke auf eine Reise zu Menschen, die sich mit Herzblut und Einfallsreichtum gegen die Klimakrise stemmen. Auch in seiner Filmarbeit legt der Hamburger Wert auf Nachhaltigkeit, etwa durch die Mitarbeit an einem Label, das ökologische Mindeststandards für die Filmindustrie definiert.
Herr Jessen, Sie sind ein vielfach ausgezeichneter Filmregisseur, Autor und Produzent. Ihr Genre ist die Komödie. Jetzt haben Sie für die ARD die Dokumentarfilmreihe „Wir können auch anders“ produziert. Wer ist mit „wir“ gemeint?
Lars Jessen: Ich meine damit uns Menschen in der westlichen Hemisphäre. Wir haben zwei Jahrhunderte lang davon profitiert, Emissionen auszustoßen, unter denen heute die ganze Welt leidet. In Deutschland, der viertgrößten Industrienation der Welt, tragen wir dafür eine besondere Verantwortung. Gleichzeitig bieten sich hier viele Möglichkeiten, es ab jetzt anders zu machen.
Sehen Sie sich auch selbst in der Verantwortung?
Jessen: Mit der Zukunft unserer Welt beschäftige ich mich im Grunde schon seit Ende der Siebzigerjahre. Damals bin ich mit meiner Mutter in eine Aussteiger-WG in der Nähe von Brokdorf gezogen. An der Kunsthochschule war ich später der jüngste Alt-68er aller Zeiten. Mein Lehrer Horst Königstein hat mir das alles ausgetrieben. Ich habe gelernt, unreflektiert die Popkultur nicht nur zu genießen, sondern sie auch herzustellen. So konnte ich mich über viele Jahre meiner eigenen Selbstverwirklichung als Regisseur von Komödien und Krimis widmen. Bis dann eines Tages mein ältester Sohn, der Umweltwissenschaft studiert hat, die harten Fakten mit nach Hause brachte, wonach sich die negativen Entwicklungen des Weltklimas exponentiell beschleunigen. Deshalb würden an Deck jetzt alle Hände gebraucht. Also habe ich mich aufgemacht und mir überlegt, was ich mit meinen Mitteln als Geschichtenerzähler beitragen kann, damit es zu einem Umhandeln kommt, nicht nur zu einem Umdenken.
Was hat Ihr Sohn in diesem Augenblick bei Ihnen ausgelöst?
Jessen: Er hat mich im Grunde an mich selbst erinnert, daran, wie ich mich als junger Mensch um ökologische Themen gekümmert habe. Der Reaktorunfall in Tschernobyl ist für mich ein einschneidendes Erlebnis gewesen. Die Erinnerungen an das Katastrophenjahr 1986 kamen wieder hoch, auch die Gefühle von Machtlosigkeit, andererseits dachte ich in dem Moment an meine erzählerischen Fähigkeiten und wie ich beides zur Deckung bringen könnte. Am Ende wurde mir klar, es sind vor allem Geschichten, die die Welt verändern.