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18.11.2020
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Bücher über Umwelt, Energie und Ökokrise
Kleiner Kanon der Klimaliteratur

Friederike Otto: Wütendes Wetter
Welchen Einfluss hat das Klima auf das Wetter? Das ist eine Frage, die sich lange nicht eindeutig beantworten ließ. Bis Friederike Otto das neue Forschungsfeld Attribution Science entwickelt hat. Am Beispiel des Hurrikans Harvey schildert die Klimaforscherin, wie sie und ihr Team 2017 den Einfluss der Erderwärmung auf den Wirbelsturm nachgewiesen haben, während dieser noch in Texas tobte. Zugleich erklärt die in Oxford arbeitende Deutsche, warum nicht jedes Unwetter eine Folge der steigenden Temperaturen ist. Gemeinsam mit ihrem Coautor Benjamin von Brackel gelingt es Otto, die wissenschaftlichen Zusammenhänge anschaulich und trotzdem spannend zu erklären. Stellenweise liest sich das Buch wie ein Krimi.

Susanne Götze und Annika Joeres: Die Klimaschmutzlobby
Dieses Buch ist eine Anklage: Susanne Götze und Annika Joeres haben nach den Bremsern und Blockierern starker Klimaschutzmaßnahmen gefahndet und sie in der Politik und Ministerien, in Konzernen und Wirtschaftsverbänden gefunden. Die Investigativjournalistinnen scheuen sich nicht, Namen zu nennen. So beleuchten sie etwa die Rolle des kürzlich verstorbenen früheren SPD-Wirtschaftsministers Wolfgang Clement, der mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für Kohle und Kernenergie kämpfte, oder die von Stephanie von Ahlefeldt, die Abteilungsleiterin im Bundeswirtschaftsministerium ist, und als erklärte Gegnerin der Energiewende gelte.

Bernd Ulrich: Alles wird anders
Alles wird anders, by design or by disaster – das ist die zentrale These von Bernd Ulrich: Entweder wir tun das Nötige im Kampf gegen die Klimakrise oder die Krise wird unsere Welt bis zur Unkenntlichkeit verändern. Angesichts der Tatenlosigkeit, die der stellvertretende „Zeit“-Chefredakteur der vermeintlichen Klimakanzlerin vorhält, steuern wir seiner Ansicht nach auf das Desaster zu. Sein Buch ist deshalb ein Weckruf zum radikalen Handeln. Was es so lesenswert macht, ist der persönliche Zugang, den Ulrich wählt, wenn er etwa den Kampf mit den auch in ihm „wabernden Konsumgelüsten“ schildert oder seinen Weg zum Veganismus. Er tut dies – darin liegt eine weitere Stärk – ohne moralischen Zeigefinger und im tiefen Vertrauen auf die demokratische Wandlungsfähigkeit des Systems.

Maja Göpel: Unsere Welt neu denken
Maja Göpel stellt in ihrem Bestseller nicht weniger als die Systemfrage, und sie kommt zu einer Erkenntnis, die der Club of Rome schon 1972 getroffen hat: Wenn die Ressourcen endlich sind, dann muss auch das Wachstum Grenzen haben. Dass fast fünf Jahrzehnte später noch immer das Narrativ vom seligmachenden Wachstum gilt, will die gefragte Politökonomin nicht hinnehmen. Göpel, die derzeit in Hamburg die Denkfabrik The New Institute aufbaut, streitet für eine ehrliche Kostenkalkulation, die zur Kenntnis nimmt, dass Gewinne allzu oft privatisiert, die ökologischen Kosten aber auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Ihr anschaulich geschriebenes Buch liefert viele Denkansätze dazu, wie die Wirtschaft ökologischer und gerechter organisiert werden kann.

Dirk Steffens und Fritz Habekuß: Über Leben
Während die Erderhitzung die Schlagzeilen beherrscht, findet eine andere Krise wenig Aufmerksamkeit: das Artensterben. Dabei treffen seine Folgen die Menschheit ebenso dramatisch. Wir befinden uns inmitten des größten Massenaussterbens seit dem Verschwinden der Dinosaurier, schreiben der Moderator und Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens und der „Zeit“-Autor Fritz Habekuß. Ihr Buch beschränkt sich aber nicht auf die oft deprimierende Bestandsaufnahme der globalen Ökokrise. Sie zeigen zugleich Auswege auf – und das auf eine so aufrüttelnde Weise, dass man nach der Lektüre sofort eine Blütenwiese für Wildbienen pflanzen möchte.