Bücher über Umwelt, Energie und Ökokrise

  • Search17.11.2023

Kleiner Kanon der Klimaliteratur

Wind ist viel mehr als bewegte Luft: In „Eine kleine Geschichte des Windes“ erklärt die „Tagesspiegel“-Autorin Kerstin Decker auf charmante Art, warum Wind die Seele von allem ist. Teil 19 unserer Reihe lesenswerter Klimabücher.

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    Kerstin Decker: Eine kleine Geschichte des Windes

    Am Anfang war der Wind, ein Urkommunist und großer Umverteiler! Das schreibt Kerstin Decker in ihrem Buch „Eine kleine Geschichte des Windes“ – und liefert auf 247 Seiten reichlich Beweise, die ihre These untermauern. Wind ist bewegte Luft, vom Atemhauch bis zum Tropensturm, heißt es da. Luft ist die letzte Allmende, das Einzige, was noch immer allen gehöre.

    Decker beschreibt die Entstehung der Winde und geht auf Fachbegriffe wie Headly-Zelle, subpolare Tiefdruckrinne oder Jetstreams ein. Genauso auf die Nutzung der Windkraft in all ihren Facetten – von den einfachen Segelbooten der Ägypter bis zu den modernen Riesenwindrädern. Zudem unternimmt die promovierte Philosophin und Autorin des „Tagesspiegels“ immer wieder Ausflüge in die Literatur und Philosophie, Film und Musik. Das reicht von Reinhard Mays „Über den Wolken“, über Schillers „Ode an die Freude“ bis zu Scarlett O’Hara, Hauptfigur aus „Vom Winde verweht“.

    Zudem analysiert sie Ausdrücke und Sprichwörter wie „windiger Typ“ oder „durch den Wind sein“.  Genauso geht sie auf die Götter der Winde ein, die der Griechen, Ägypter oder Azteken, und sie beschreibt, wie Winde halfen, Kriege zu gewinnen, Stichwort „Boreas“. Die Geschichte hätte ganz anders verlaufen könne, schreibt Decker: „Hätten die Griechen mit Segelschiffen und Windkraft gekämpft, ihre Demokratie wäre eine andere geworden.“

    Im letzten Drittel schreibt Decker auch über Vögel. Der erste Weltumrunder sei ein Albatros gewesen, nicht Magellan. Es geht um Mauersegler, Falken in den Hochhausschluchten New Yorks und Riesenflugzeuge, die den Bodeneffekt – genau wie die Pelikane – nutzen.

    Deckers Buch ist nicht das erste, das sich dem Wind so umfangreich widmet. Aber in seine Fülle an Fakten und Anekdoten und seinem unterhaltsamen Ton zweifellos eine Bereicherung.

    Jan Hegenberg: Weltuntergang fällt aus

    Im heute vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäßen Monty-Python-Klamauk „Ritter der Kokosnuss“ von 1975 kommt es zu einem denkwürdigen Duell zwischen König Artus (Graham Chapman) und dem Schwarzen Ritter (John Cleese), bei dem der König seinem Widersacher erst die Arme, dann die Beine absäbelt. Für den Geschlagenen kein Grund, zu resignieren: „Gut, einigen wir uns auf unentschieden“, tönt es blechern unter dem schwarzen Helm hervor.

    Auch Jan Hegenberg ist zu einem Duell angetreten. In seinem Buch „Weltuntergang fällt aus“ nimmt er es auf mit allen Zweiflern, Skeptikern, Bremsern, Besserwissern und Faktenverdrehern, die den Kampf gegen die Erderhitzung schon verlorengeben oder die Energiewende aus oft ideologischen und meist fadenscheinigen Gründen torpedieren.

    Wer allerdings die Klimanachrichten der vergangenen Monate verfolgt hat (rekordwarme Meere, rekordgroße Waldbrände, Sturzregen hier, Dürren da) und die halbherzigen Rettungsversuche der Politik hinzunimmt, der könnte in Hegenberg leicht den Schwarzen Ritter sehen, der seine offenkundige Niederlage partout nicht eingestehen will.

    Doch je tiefer man in das 280-Seiten-Werk eintaucht, desto mehr wird Hegenberg zum Artus. Denn er liefert schlüssige Gründe für das, was er schon im Untertitel verkündet, dass nämlich „die Wende der Klimakrise viel einfacher ist, als die meisten denken“.

    Hegenberg, bekannt durch seinen Faktenchecker-Blog „Der Graslutscher“, knöpft sich dazu Schritt für Schritt die zentralen Fragen der Energiewende vor: Woher kommt die Energie der Zukunft? (Spoiler: vor allem aus Sonne und Wind.) Warum geht auch bei Dunkelflaute das Licht nicht aus? (Weil es Speicher gibt, yeah!) Wo sollen all die Windräder stehen? (So viele mehr als heute sind es gar nicht.) Und wo kommen die ganzen Rohstoffe dafür her? (Immer öfter aus der Kreislaufwirtschaft.)

    Hegenberg gibt praktische Tipps, entlarvt die Taktiken der fossilen Lobbys und erklärt die grundlegenden Fakten so, dass Einsteiger in die Thematik sie verstehen, ohne dass Fortgeschrittene sich permanent unterfordert fühlen müssten. Er tut das auf seine bekannt humorvolle Weise mit herrlich skurrilen Vergleichen, die mitunter an Monty Python erinnern.

    Einen winzigen Abzug in der B-Note gibt es für die von Hegenberg selbst gelesene Hörbuchfassung: Er klingt zwar nicht so blechern wie der Schwarze Ritter, aber doch einen Tick vernuschelt. Aber das ist kleines Karo, wenn im Gegenzug der Weltuntergang abgeblasen ist.

    Ulrich Eberl: Unsere Überlebensformel

    Wer „Technologieoffenheit“ fordert, erntet bei vielen Klimaschützern skeptische Blicke. Denn oft verbirgt sich hinter dem Ruf nicht etwa das Ringen um die effizientesten Wege zum Stopp der Klimakrise, sondern vielmehr das Gegenteil: der Versuch, wirksame Maßnahmen im Hier und Jetzt durch den Verweis auf Technologien auszubremsen, die womöglich erst in Jahren oder Jahrzehnten einsatzbereit sind. Technologieoffenheit ist geradezu ein Kampfbegriff geworden.

    Wenn ein Buch erkundet, welche Rolle Technologien bei der Bewältigung der Zwillingskrisen Klimawandel und Artensterben spielen können, dürften daher bei manchen Klimaschützern die Alarmsirenen schrillen.

    Doch im Fall von Ulrich Eberl ist das nicht angebracht. Denn der Biophysiker und Zukunftsforscher ist keiner, der auf den Durchbruch der Kernfusion wartet oder von den Verheißungen einer neuartigen Generation von Atomkraftwerken träumt. „Wir müssen jetzt die Hebel umlegen, in den 2020er-Jahren. Das ist die entscheidende Phase, bevor mögliche Kipppunkte im Klimasystem überschritten werden“, sagt Eberl im Interview mit EnergieWinde.

    Technologie, Forschung und Wissenschaft spielen dabei allerdings eine entscheidende Rolle, wie der Autor in seinem Buch „Unsere Überlebensformel. Neun globale Krisen und die Lösungen der Wissenschaft“ zeigt. Denn sie liefern die mächtigen Hebel, mit deren Hilfe sich die Folgen der Krisen einhegen und ihre Ursachen bekämpfen lassen.

    Ein Beispiel: Rinder sind in Deutschland für mehr als die Hälfte des Ausstoßes von Methan verantwortlich, einem Treibhausgas, das die Atmosphäre noch stärker aufheizt als CO2. Weltweit verursachen die mehr als 1,4 Milliarden Rinder durch das Rülpsen von Methan sogar mehr Treibhausgase als der Betrieb aller Pkw zusammen, wie Eberl schreibt. Gibt man Rinder neben ihrem gewöhnlichen Futter allerdings nur 80 Gramm einer Rotalge, stoßen sie vier Fünftel weniger Methan aus.

    „Unsere Überlebensformel“ ist voll solcher Beispiele, die zeigen, wie mit teils verblüffend geringem Aufwand viel zu erreichen wäre. Eberl beschreibt den Werkzeugkasten der Wissenschaft prägnant, faktensatt und anschaulich, ohne dabei allerdings den Eindruck zu verbreiten, der Kampf gegen die Klima- und Artenkrise sei ein Selbstläufer. Denn schon der Umstand, dass viele der Werkzeuge kaum zum Einsatz kommen, gibt eine Ahnung von den Beharrungskräften in Wirtschaft und Gesellschaft.

    Es braucht einen Kultur- und Wertewandel, sagt Eberl. „Bis das Verfeuern von Kohle, Öl und Gas als genauso unmoralisch gilt wie das Rauchen im Restaurant, das dauert.“ Dennoch bleibt der Autor optimistisch. Schließlich habe die Menschheit auch in der Coronapandemie bewiesen, dass sie zu schnellem Handeln in der Lage ist. Und immerhin gibt es im Kampf gegen die Krisen des Planeten unendlich viel zu gewinnen: eine lebenswerte Zukunft.

    Claudia Kemfert: Schockwellen

    Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, als die Welt am Rande eines Atomkriegs stand, hat die Sowjetunion ihre vertraglich vereinbarten Gaslieferungen an den Westen jederzeit erfüllt: Mit diesem Narrativ haben sich Wirtschaft und Politik in Deutschland über Jahrzehnte beruhigt, wann immer sich das Land durch neue Gaspipelines und Lieferverträge tiefer in die Abhängigkeit von Russland begab. Das war in der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder nicht anders als in den von Angela Merkel geführten Regierungen mit den Liberalen oder der SPD. Dabei war es kein Geheimnis, dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin nicht scheute, Gas als Waffe einzusetzen.

    Wenige haben so beharrlich darauf hingewiesen wie Claudia Kemfert. Sie hat vor dem Bau der Gasröhren Nord Stream 1 und 2 genauso gewarnt wie vor der Übergabe deutscher Gasspeicher an Russland. Das Netz ist voll von Kemferts Kassandrarufen.

    Schon 2006 wies sie in einem Interview mit der „Deutschen Welle“ auf die „höchst gefährliche Abhängigkeit“ von Russland hin. 2007 kritisierte sie an selber Stelle, dass Deutschland es versäumt habe, seine Gasversorgung durch den Bau von LNG-Terminals zu diversifizieren. 2014 nannte sie den Gasspeicher-Deal zwischen der BASF-Tochter Wintershall und Gazprom in einem Video einen Fehler. Doch statt auf die Wissenschaft zu hören, hätten Wirtschaft und Politik ihre Warnungen in den Wind geschlagen oder gar versucht, sie lächerlich zu machen, konstatiert die Energieökonomin.

    Das verleiht Kemfert hohe Glaubwürdigkeit, wenn sie in ihrem neuen Buch „Schockwellen“ zu einer Generalabrechnung mit der Energiepolitik in Vergangenheit und Gegenwart ausholt. Sie beschreibt darin, wie sich Deutschland Schritt für Schritt den Interessen von Putin und seinem „fossilen Monsterimperium“ auslieferte. Die Verstrickungen reichten so tief, dass sich Deutschland selbst nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor ziemlich genau einem Jahr nur zögerlich daraus befreien konnte. Statt ein umfassendes Energieembargo zu verhängen, das zwar teuer, aber ein „souveräner Akt der Selbstverteidigung“ gewesen wäre, kappte Deutschland die Verbindungen nur schrittweise. Dabei wäre aus wissenschaftlicher Sicht auch eine starke Reaktion zu stemmen gewesen.

    Die weiteren Entwicklungen geben Kemfert auch hier recht. Schließlich kam es keineswegs zur „Zerstörung der gesamten Volkswirtschaft“, wie aus der Industrie vorhergesagt, als die Gaslieferungen im Sommer durch Putin vom einen Tag auf den anderen gestoppt wurden.

    Heute baut Deutschland LNG-Terminals, wie Kemfert vor mehr als 15 Jahren angeregt hat. Folgt die Politik ihren Ratschlägen nun also doch? Nein, sagt die Wissenschaftlerin. Denn heute brauche man die Terminals nicht mehr, erst recht nicht in den geplanten Dimensionen. Die Antwort auf die Energiekrise müsse vielmehr die sein, die Kemfert seit jeher fordert: der massive Ausbau der erneuerbaren Energien.

    Kämpferisch, lehrreich, faktensatt: Claudia Kemferts Buch ist eine oft schmerzhaft zu lesende Bestandsaufnahme der Fehler der Vergangenheit – und ein Aufruf, die letzte Chance zu ergreifen, um eine Welt mit sicheren Energien und Frieden zu schaffen.

    Maja Göpel, „Wir können auch anders. Aufbruch in die Welt von morgen“: Kritik, Rezension, Zusammenfassung, Inhalt.

    Maja Göpel: Wir können auch anders

    In einer Zeit, in der Kohlekraftwerke reaktiviert und LNG-Terminals aus dem Boden gestampft werden, in der die Temperatur von einem Allzeithoch zum nächsten steigt und Urwälder brennen, tut es gut, sich mit einem Schuss Zuversicht zu impfen. Den nötigen Impfstoff dazu liefert Maja Göpel. In „Wir können auch anders“ zeigt die Politökonomin auf, dass die Menschheit schon immer gut darin war, scheinbar übergroße Transformationen zu bewältigen. Anhand einer Fülle konkreter Beispiele legt sie überzeugend dar, warum das dem Einzelnen und der Weltgemeinschaft als Ganzes auch in der Klimakrise gelingen wird. Dahinter steht Göpels unerschütterliche Überzeugung: Menschen können und wollen partnerschaftlich miteinander umgehen.

    Das Ministerium für die Zukunft: Eine Rezension des neuen Romans von Kim Stanley Robinson aus dem Heyne-Verlag. (Cover, Kritik und Zusammenfassung)

    Kim Stanley Robinson: Das Ministerium für die Zukunft

    Bei Kim Stanley Robinson ist die nahe Zukunft eine Welt, in der man nicht leben möchte. Eine Hitzewelle im Jahr 2025 kostet Millionen Inder das Leben. Die Regierung beschließt daraufhin einen waghalsigen Eingriff in das Klima, während Öko-Terroristen weltweit Jagd auf Konzerne aus der fossilen Welt machen. Zugleich suchen ein Entwicklungshelfer und die Chefin eines neu geschaffenen UN-Ministeriums für die Zukunft einen humanen Ausweg aus der Klimakrise. Es sind die erschreckend realistischen Gewaltszenarien einerseits und die faszinierenden technischen und politischen Gedankenspiele andererseits, die Robinsons 2021 erschienenen Roman zu einer aufrüttelnden Lektüre machen.

    Mike Berners-Lee: „Wie schlimm sind Bananen?“ Eine Rezension des lesenswerten Buchs über den CO2-Fußabdruck von praktisch Allem.

    Mike Berners-Lee: Wie schlimm sind Bananen?

    Um es vorwegzunehmen: Wer vitaminreiche Kost mit kleinem CO2-Fußabdruck sucht, kann bedenkenlos zu Bananen greifen. Sie werden unter natürlichem Licht angebaut, brauchen kaum Verpackung und halten sich so lang, dass sie per Schiff transportiert werden können, was nur ein Prozent der Emissionen von Luftfracht verursacht. Eine Minute mit dem Handy surfen, eine Nacht im Hotel verbringen, eine Katze halten: Die rund 100 transparent vorgerechneten Beispiele machen das Buch von Mike Berners-Lee zu einem echten Alltagsratgeber. Faktenreich und humorvoll vermittelt der britische Physiker ein Gefühl für die Klimafolgen unserer Handlungen. Ein Lesetipp für alle, die sich schon mal gefragt haben, ob sie ihre Zeitung digital oder gedruckt lesen sollten.

    Deutschland unter Strom: Rezension des Buchs von Christoph Podewils mit einem Vorwort von Eckart von Hirschhausen.

    Christoph Podewils: Deutschland unter Strom

    Der CO2-Gehalt der Atmosphäre steigt, die Naturkatastrophen reißen nicht ab, die Energiewende stockt: Die Klimakrise ist monströs, der Mensch wirkt oft machtlos dagegen. In dieser Lage kommt „Deutschland unter Strom“ gerade richtig. Denn darin zeigt Christoph Podewils, dass die nötigen Mittel zum Kampf gegen die Erderhitzung längst vorhanden sind, von Wind- und Solarparks über Stromspeicher und Wärmepumpen bis zur E-Mobilität. Sie müssen nur endlich konsequent eingesetzt werden. Wie das funktioniert, erklärt Podewils in anschaulicher Form auf gut 250 Seiten. Das Vorwort des Arztes und Wissenschaftsjournalisten Eckart von Hirschhausen schlägt die Brücke vom Klima zur Medizin und erhöht den Leseanreiz zusätzlich.

    Andreas Malm: Wie man eine Pipieline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen. Kritik, Rezension, Zusammenfassung, Inhalt.

    Andreas Malm: Wie man eine Pipeline in die Luft jagt

    Vor drei Wochen ist eine Gruppe Klimaaktivisten in Berlin in den Hungerstreik getreten, um eine politische Kehrtwende zu erkämpfen. Die Entschlossenheit, die zu einer solchen Aktion gehört, dürfte Andreas Malm gefallen. Der schwedische Humanökologe ist seit Langem der Auffassung, dass die Klimabewegung in ihrer bisherigen Form zu wenig erreicht. Historisch seien soziale Bewegungen immer dann erfolgreich gewesen, wenn sie zur Gewaltanwendung bereit gewesen seien oder zumindest glaubhaft damit gedroht hätten, schreibt Malm unter Verweis auf die Frauenrechtsbewegung oder den Kampf gegen die Apartheid. Auch beim Klima müsse über Gewalt diskutiert werden – nicht gegen Menschen, aber gegen fossile Infrastruktur. Man muss diese Meinung nicht teilen. In seiner Faktendichte regt „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt“ dennoch zum Nachdenken an.

    Lothar Frenz: Wer wird überleben? Die Zukunft von Natur und Mensch. Rezension, Kritik, Zusammenfassung.

    Lothar Frenz: Wer wird überleben?

    Wer 30 Meter lang ist und 150 Tonnen wiegt, dem kann man einen gesunden Appetit nicht vorwerfen: Blauwale vertilgen gigantische Mengen winziger Krillkrebse. Als der Blauwal in der Antarktis nahezu ausgerottet war, erwartete man daher, dass sich seine Beute stark vermehren würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Man hatte übersehen, dass Blauwale mit ihren Ausscheidungen das Meer düngen und so das Wachstum von Phytoplankton fördern. Davon wiederum lebt der Krill. Das Buch des Biologen Lothar Frenz ist voll solcher faszinierenden Beispiele, in denen er zeigt, dass der Mensch die komplexen Wechselwirkungen in der Natur noch immer nicht komplett verstanden hat. Flüssig und lehrreich zugleich erklärt Frenz, warum die großen Krisen unserer Zeit – Klimawandel, Artensterben, Pandemien – Teil einer übergeordneten Krise der Ökosysteme sind. Trotz der oft düsteren Bestandsaufnahme ist es ein Buch, das Mut macht. Lesenswert!

    Franz Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten? Eine Rezension des neuen Buchs des Bestseller-Autors Frank Schätzing.

    Frank Schätzing: Was, wenn wir einfach die Welt retten?

    Dass Frank Schätzing sich darauf versteht, Katastrophen von globalem Ausmaß zu inszenieren, ist seit seinem Welterfolg „Der Schwarm“ bekannt. Der Gruselfaktor seines aktuellen Buchs ist sogar noch höher, denn diesmal ist es keine Fantasiewelt, die er untergehen lässt. Stürme, Fluten, Dürren, Artensterben und Flüchtlingsströme nie gekannter Größenordnung – all die realen Gefahren schildert Schätzing mit der ganzen Könnerschaft eines Thriller-Großmeisters. Er belässt es aber nicht beim Zerstören. Schätzing vermittelt zugleich faktensattes Hintergrundwissen, um die Klimakrise zu bändigen, er benennt die Schuldigen und gibt praktischen Rat, wie der Einzelne und die Gesellschaft als Ganzes für eine lebenswerte Zukunft kämpfen können. Das mag bisweilen einen Hauch zu technikverliebt sein. In seinem Optimismus ist es aber allemal ansteckend.

    Propagandaschlacht ums Klima: Kritik, Rezension und Zusammenfassung des Buchs von Michael E. Mann.

    Michael E. Mann: Propagandaschlacht ums Klima

    Falschinformationen, Ablenkungsmanöver, Spaltung: Michael E. Mann legt die Taktiken offen, mit der die fossile Industrie den Kampf gegen die Klimakrise sabotiert. Seit den Siebzigern wurden der Klimawandel geleugnet und Fakten verdreht. Heute lenken die Verantwortlichen vom nötigen Systemwandel ab, etwa indem sie das Verhalten des Einzelnen in den Mittelpunkt stellen oder Forscher und Aktivsten durch Debatten um vermeintliche Heuchelei beim Klimaschutz gegeneinander aufzubringen versuchen. Doch Manns Analyse ist nicht apokalyptisch. Er zeigt einen Ausweg auf, von der Bepreisung von CO2 bis zur Förderung von erneuerbaren Energien. Dass er Probleme – etwa Makel des Green New Deal – nicht übergeht, sondern Lösungen vorschlägt, macht das Buch wirklich lesenswert.

    Wütendes Wetter – Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme: Einee Rezension des Buchs von Friederike Otto.

    Friederike Otto: Wütendes Wetter

    Welchen Einfluss hat das Klima auf das Wetter? Das ist eine Frage, die sich lange nicht eindeutig beantworten ließ. Bis Friederike Otto das neue Forschungsfeld Attribution Science entwickelt hat. Am Beispiel des Hurrikans Harvey schildert die Klimaforscherin, wie sie und ihr Team 2017 den Einfluss der Erderwärmung auf den Wirbelsturm nachgewiesen haben, während dieser noch in Texas tobte. Zugleich erklärt die in Oxford arbeitende Deutsche, warum nicht jedes Unwetter eine Folge der steigenden Temperaturen ist. Gemeinsam mit ihrem Coautor Benjamin von Brackel gelingt es Otto, die wissenschaftlichen Zusammenhänge anschaulich und trotzdem spannend zu erklären. Stellenweise liest sich das Buch wie ein Krimi.

    Die KLimaschmutz-Lobby: Eine Rezension des Buchs von Susanne Götze und Annika Joeres.

    Susanne Götze und Annika Joeres: Die Klimaschmutzlobby

    Dieses Buch ist eine Anklage: Susanne Götze und Annika Joeres haben nach den Bremsern und Blockierern starker Klimaschutzmaßnahmen gefahndet und sie in der Politik und Ministerien, in Konzernen und Wirtschaftsverbänden gefunden. Die Investigativjournalistinnen scheuen sich nicht, Namen zu nennen. So beleuchten sie etwa die Rolle des kürzlich verstorbenen früheren SPD-Wirtschaftsministers Wolfgang Clement, der mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für Kohle und Kernenergie kämpfte, oder die von Stephanie von Ahlefeldt, die Abteilungsleiterin im Bundeswirtschaftsministerium ist, und als erklärte Gegnerin der Energiewende gelte.

    Claudia Kemfert, „Mondays for Future“: Rezension des Buchs der Ökonomin vom DIW.

    Claudia Kemfert: Mondays for Future

    Was steht im Pariser Klimaabkommen? Wie entlarvt man Klimaleugner? Ist die Demokratie zu schwach, um die Klimakrise zu stoppen? In „Mondays for Future“ gibt die Ökonomin Claudia Kemfert Antworten auf 123 konkrete Fragen zu unterschiedlichsten Aspekten des Klimaschutzes. Auch mit möglichen Nebenwirkungen setzt sie sich auseinander – etwa mit der Frage, wie arme Haushalte vor den Folgen höherer Öl- und Gaspreise bewahrt werden können, ohne dabei den Klimaschutz zu konterkarieren. So ist ein Nachschlagewerk entstanden, das Argumentationshilfen für praktisch alle Diskussionen rund um den Klimaschutz liefert. Einsteiger bringt das Buch auf den Stand der Dinge, Experten können sich bei Zweifeln in den prägnant geschriebenen Kapiteln rückversichern.

    Alles wird anders – Das Zeitalter der Ökologie: Eine Rezension des Buchs von Bernd Ulrich.

    Bernd Ulrich: Alles wird anders

    Alles wird anders, by design or by disaster – das ist die zentrale These von Bernd Ulrich: Entweder wir tun das Nötige im Kampf gegen die Klimakrise oder die Krise wird unsere Welt bis zur Unkenntlichkeit verändern. Angesichts der Tatenlosigkeit, die der stellvertretende „Zeit“-Chefredakteur der vermeintlichen Klimakanzlerin vorhält, steuern wir seiner Ansicht nach auf das Desaster zu. Sein Buch ist deshalb ein Weckruf zum radikalen Handeln. Was es so lesenswert macht, ist der persönliche Zugang, den Ulrich wählt, wenn er etwa den Kampf mit den auch in ihm „wabernden Konsumgelüsten“ schildert oder seinen Weg zum Veganismus. Er tut dies – darin liegt eine weitere Stärk – ohne moralischen Zeigefinger und im tiefen Vertrauen auf die demokratische Wandlungsfähigkeit des Systems.

    Unsere Welt neu denken – Eine Einladung: Eine Rezension des Buchs von Maja Göpel.

    Maja Göpel: Unsere Welt neu denken

    Maja Göpel stellt in ihrem Bestseller nicht weniger als die Systemfrage, und sie kommt zu einer Erkenntnis, die der Club of Rome schon 1972 getroffen hat: Wenn die Ressourcen endlich sind, dann muss auch das Wachstum Grenzen haben. Dass fast fünf Jahrzehnte später noch immer das Narrativ vom seligmachenden Wachstum gilt, will die gefragte Politökonomin nicht hinnehmen. Göpel, die derzeit in Hamburg die Denkfabrik The New Institute aufbaut, streitet für eine ehrliche Kostenkalkulation, die zur Kenntnis nimmt, dass Gewinne allzu oft privatisiert, die ökologischen Kosten aber auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Ihr anschaulich geschriebenes Buch liefert viele Denkansätze dazu, wie die Wirtschaft ökologischer und gerechter organisiert werden kann.

    Über Leben – Zukunftsfrage Artensterben: Eine Rezension des Buchs von Dirk Steffens und Fritz Habekuß.

    Dirk Steffens und Fritz Habekuß: Über Leben

    Während die Erderhitzung die Schlagzeilen beherrscht, findet eine andere Krise wenig Aufmerksamkeit: das Artensterben. Dabei treffen seine Folgen die Menschheit ebenso dramatisch. Wir befinden uns inmitten des größten Massenaussterbens seit dem Verschwinden der Dinosaurier, schreiben der Moderator und Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens und der „Zeit“-Autor Fritz Habekuß. Ihr Buch beschränkt sich aber nicht auf die oft deprimierende Bestandsaufnahme der globalen Ökokrise. Sie zeigen zugleich Auswege auf – und das auf eine so aufrüttelnde Weise, dass man nach der Lektüre sofort eine Blütenwiese für Wildbienen pflanzen möchte.

    Deutschland 2050: Rezension des Buchs von Nick Reimer und Toralf Staud, die beschreiben, wie der Klimawandel unser Leben verändern wird. Lesenswert, urteilt die Kritik.

    Nick Reimer und Toralf Staud: Deutschland 2050

    Wie das Leben in naher Zukunft aussehen wird? Sehr ungemütlich, so das Fazit der Wissenschaftsjournalisten Nick Reimer und Toralf Staud. Aufgrund der Flut an greifbaren Beispielen, mit denen die preisgekrönten Redakteure die Ergebnisse der Klimaforschung aufbereiten, schenkt man ihnen schnell Glauben. Sie schaffen es, den Klimawandel in echte Szenarien zu übersetzen und die Auswirkungen extremer Regenfälle und dramatischer Hitzewellen in Städten, Wäldern, an den Küsten und auf dem Land, anschaulich zu untermalen. So wird „Deutschland 2050“ zu einer Warnung: Vielen erscheine Klimaschutz wie ein Komplettumbau des Landes. Dabei kann nur er noch dafür sorgen, dass unser Leben 2050 nicht komplett anders aussieht.

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