Die Biologin Frauke Fischer hat 2003 Deutschlands erste Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Biodiversität gegründet. Sie arbeitet für Branchen wie die Bauindustrie, den Finanzsektor und die Landwirtschaft; zu ihren Kunden zählen unter anderem Hessnatur, Krombacher und der VfL Wolfsburg. Ihr Wissen teilt Fischer auch als Autorin („Was hat die Mücke je für uns getan?“) und Vortragsrednerin. Im Interview mit EnergieWinde erklärt sie, warum es sich für Unternehmen auszahlt, die Natur zu schützen.
Frau Fischer, wir erleben ein dramatisches Artensterben, nicht zuletzt, weil wir auf Kosten der Natur wirtschaften. Sie sehen Unternehmen als Teil der Lösung, um diese Krise abzuwenden. Warum?
Frauke Fischer: Es gibt fünf Treiber für den Verlust von Biodiversität: Klimawandel, Landwirtschaft, invasive Arten, Übernutzung und Eintrag von Umweltgiften. Die meisten Unternehmen haben Einfluss auf zumindest einzelne dieser Faktoren. Sie haben den längeren Hebel als Einzelpersonen, zum Beispiel, indem sie keine Produkte mehr anbieten, durch die ein Wald zerstört wurde. Zudem können sie schneller als die Politik handeln.
Die Politik handelt doch auch: Gerade tritt eine EU-Verordnung zu „entwaldungsfreien“ Lieferketten in Kraft. Soja, Ölpalmen oder Kaffee dürfen nicht mehr auf Flächen angebaut werden, für die ein Wald niedergemäht wurde.
Fischer: Diese Änderung ist wichtig. Kürzlich wurden Zahlen veröffentlicht, denen zufolge die Abholzung von Regenwäldern um zehn Prozent gestiegen ist. Das bedroht unsere Lebensgrundlagen. Die Umstellung von Unternehmen mag schwierig sein, sie ist aber von zentraler Bedeutung.
Bisher schien es nicht so, als seien sonderlich viele Unternehmen daran interessiert.
Fischer: Das ändert sich zum Glück: Wir beraten zum Beispiel Weltkonzerne, deren Aktionäre immer nachdrücklicher den Schutz der Natur einfordern. Wir hatten aber auch ein Familienunternehmen, dessen Besitzerin gesagt hat: „Ich heiße wie mein Produkt. Ich möchte nicht, dass mein Name in den Dreck gezogen wird.“
Geht es beim Schutz der Natur also vor allem ums Image?
Fischer: Es geht um drei Dinge: Zunächst geht es um das Image. Früher musste man einen Brief schreiben oder anrufen, wenn man sich über ein Unternehmen beschweren wollte. Heute können Firmen die Kommunikation durch die sozialen Medien kaum noch beherrschen. Um dieses Risiko einzuschränken, sollten sie möglichst wenig falsch machen.
Zweitens müssen die Firmen gesetzliche Vorgaben einhalten. Durch ein gemeinsames Abkommen im letzten Winter etwa haben sich Länder auf der ganzen Welt verpflichtet, 30 Prozent ihrer Land- und Meeresfläche zu schützen. Das wird sich auch auf die Unternehmen auswirken.
Drittens gibt es eine sogenannte „doppelte Materialität“: Unternehmen greifen einerseits durch Ressourcen- und Flächenverbrauch in die Umwelt ein. So sind zum Beispiel in vielen Computern oder Handys Rohstoffe wie Kobalt oder Coltan verbaut, wofür Natur zerstört wird. Anderseits sind die Firmen aber auch fundamental abhängig von der Natur.