Baumriesen in British Columbia: Bis heute kämpfen Kanadas First Nations darum, ihre Territorien wieder selbst zu verwalten.
Von Lisbeth Schröder, Vancouver Island
Manche Sätze erschrecken, berühren, führen sofort zu einem Umdenken. Andere brauchen Zeit, bis sie ihre Wucht entfalten. Wie der, den der zehnjährige Moses Martin Anfang der Fünfziger hört. Er rudert mit seinem Vater im Kanu an einer Insel im Westen Kanadas entlang, als im Uferwald Kettensägen aufheulen und Bäume fallen. Die beiden gehören zu den Tla-o-qui-aht, einer indigenen Volksgruppe, die die Natur am Pazifik über Generationen gepflegt hat. Bis die Holzfäller anrückten. „Heute sind wir am Rande der Selbstzerstörung“, sagt Martins Vater damals.
Erst Jahrzehnte später, nachdem er selbst in der Holzindustrie gearbeitet hat, wird sich Moses Martin an die Worte erinnern – als er, inzwischen Oberhaupt seines Volks, entscheiden muss, einen der letzten verbliebenen Regenwälder Kanadas abzuholzen.
Die Tla-o-qui-aht sind seit Jahrhunderten in der gewaltigen Wildnis von Vancouver Island verwurzelt, ihre Sprache kennt sogar ein eigenes Wort für die Einheit von Mensch und Natur. Durch Martins Entscheidung soll einer der ersten von Indigenen geführten Naturparks in Kanada ausgerufen werden. Ihr „Krieg um die Wälder“ wird als einer der größten Umweltproteste in die Geschichte des Landes eingehen.
Indigene Völker sind oft klein – aber für den Naturschutz unverzichtbar
Die Bedeutung von Gruppen wie den Tla-o-qui-aht für den Schutz der Natur, rückt erst langsam ins Bewusstsein westlicher Länder. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) machen sie zwar nur fünf Prozent der Weltbevölkerung aus, schützen aber in ihren Territorien 80 Prozent der Biodiversität. Es sei deshalb besonders wichtig, dass sie beim derzeit im kanadischen Montreal laufenden Weltnaturgipfel mitentscheiden.
Doch wenn indigene Völker, in Kanada First Nations genannt, die ihnen zugedachte Aufgabe erfüllen sollen, müssen die Umstände stimmen. Das zeigt eine Reise in die Geschichte der Tla-o-qui-aht. Sie führt zu Unterdrückung und Armut, zu Streit unter den Volksgruppen und zum bis heute andauernden Kampf um Selbstbestimmung. Wohl niemand könnte diese Geschichte besser erzählen als Moses Martin.