Klimaanpassung

  • Search09.01.2024

Wie wir uns gegen die Erderhitzung wappnen

Hochwasser, Dürren, Hitze, Stürme: Mit dem Klimawandel wird das Wetter in Deutschland extremer. Wie sich Städte und Gemeinden darauf vorbereiten müssten, ist bekannt. Doch die Anpassung läuft schleppend.

InhaltsverzeichnisToggle-Icons

    Hochwasser 2024 in Niedersachsen: Überflutungen im Winter sind für Klimaforscher keine Überraschung, sie entsprechen exakt den Vorhersagen.

    Überflutete Straße im Emsland: Die Winter werden nasser. Die Infrastruktur ist darauf vielerorts nicht vorbereitet.

     

    Von Volker Kühn

    Als 2002 die Elbe über die Ufer trat, kam kaum ein Bericht ohne das Wort „Jahrhunderthochwasser“ aus, manche sprachen gar von der „Jahrtausendflut“. Mindestens 45 Menschen starben, die Schäden gingen in die Milliarden. Als die Elbe nur vier Jahre später an vielen Orten sogar noch höhere Pegelstände erreichte, kursierte der Jahrhundertbegriff erneut.

    Beim Hochwasser 2013 tauchte er dann allerdings seltener auf. Denn dass es als Folge der Erderhitzung weltweit immer öfter zu extremen Wetterlagen kommt, erschien inzwischen vielen offenkundig. Wissenschaftlich bewiesen war es ohnehin längst.

    Das gilt auch für Deutschland. Hitze, Dürre, Stürme, Fluten: Naturkatastrophen, die früher gewohnheitsmäßig in Verbindung gebracht wurden mit Bangladesch, Mosambik oder Karibikinseln entlang der Zugroute von Hurrikans, werden mit jedem Zehntelgrad Erwärmung auch hierzulande wahrscheinlicher.

    Der Winter ist nass – Klimaforscher überrascht das nicht

    Auch die aktuelle Flutkatastrophe in Nord- und Mitteldeutschland folgt dem Drehbuch der Erderhitzung. Dahinter steht letztlich Physik: Wärmere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf. Ausschlaggebend für die starken Niederschläge war der Atlantik, der als „Europas Wetterküche“ gilt. Er erreichte im vergangenen Jahr Rekordtemperaturen, wodurch mehr Wasser verdunstete. Insbesondere über Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ging die mit Feuchtigkeit aufgeladene Luft in Form tagelanger starker Regenfälle nieder.

    Die Kosten durch den Klimawandel nehmen zu. Die Versicherer zahlen immer höhere Summe, an Schäden durch Naturgefahren zu regulieren. Infografik: Benedikt Grotjahn

    „Es gibt bisher keine konkreten Zahlen, aber das ist klar ein Signal für den Klimawandel“, erklärte die Klimawissenschaftlerin Friederike Otto kürzlich gegenüber „Table.Media“ mit Blick auf das Hochwasser. Kaum ein Ereignis sei besser studiert als Winterregen in Nordeuropa, sagte Otto, die als Mitbegründerin der sogenannten Attributionsforschung mit ihrem Team berechnet, wie der Klimawandel Extremwetterereignisse beeinflusst. „Es ist nasser und wird immer nasser.“

    Doch als wäre das nicht schlimm genug, ist die Infrastruktur selbst im reichen Deutschland nur schlecht dagegen gewappnet.

    Klimaschutz und Klimaanpassung gehören zusammen. Lange wurde das ignoriert

    Die Anpassung an den Klimawandel ist ein Thema, das die Medien selten bewegt. Auch Klimaschützer beschäftigen sich damit kaum – Forderungen nach Hochwasser-Rückhaltebecken oder Klimaanlagen für Kliniken und Pflegeheime liest man auf den Plakaten von Fridays for Future nicht. Selbst Politiker, die sich seit Jahrzehnten mit dem Klimawandel und seinen Folgen beschäftigen, haben lange einen Bogen um das Thema gemacht.

    Das geschah teils ganz bewusst. Denn in den Anfangstagen der Energiewende war die Sorge groß, dass der dringend nötige Klimaschutz vernachlässigt werden könnte, wenn zu viel über technologische Möglichkeiten zur Anpassung an den Klimawandel gesprochen würde. Warum umständlich aus Kohle, Öl und Gas aussteigen, wenn man stattdessen einfach ein paar Klimaanlagen einbauen und die Deiche höherziehen kann?

    Aus der Perspektive des Jahres 2000 mag das Ausblenden der Anpassungsdiskussion vertretbar gewesen sein: Damals hätte man mit einem beherzten Einstieg in den Klimaschutz die Folgen der steigenden Temperaturen weit besser vermeiden können. Eine Erwärmung um „nur“ ein Grad schien noch möglich.

    Doch heute ist dieser Wert bereits überschritten. Die Diskussion darüber, wie sich Deutschland für die Folgen wappnet, ist daher überfällig. Dass Klimaschutz dadurch nicht überflüssig wird, sollte auf der Hand liegen. Denn so hoch, dass ein Deich vor den Fluten einer um drei oder vier Grad heißeren Welt schützt, lässt er sich kaum bauen.

    Die Infrastruktur ist veraltet. Sie ist für die Welt des 20. Jahrhunderts gemacht

    Die Infrastruktur in Deutschlands Städten und Dörfern ist für die Erderhitzung allerdings nicht geschaffen. Sie stammt oft aus dem 19. und 20. Jahrhundert, als extreme Wetterlagen tendenziell seltener und weniger stark auftraten und beispielsweise Überschwemmungszonen entlang von Flüssen weniger dicht besiedelt waren.

    Diese Infrastruktur ist einer Vielzahl wachsender Gefahren ausgesetzt, wie die folgende, unvollständige Auswahl zeigt:

    • Hitze: Langanhaltende Hitzewellen sind laut der EU-Umweltagentur EEA die größte direkt mit dem Klima zusammenhängende Gesundheitsbedrohung in Europa. Sie können unter anderem zu Schlaganfällen und Herzinfarkten insbesondere bei älteren Menschen führen. Die steigenden Temperaturen begünstigen aber auch Zoonosen, also den Übersprung tierischer Infektionskrankheiten auf den Menschen.
    • Dürre: Trockenheit gefährdet nicht nur die Trinkwasserversorgung, sondern auch zahlreiche Branchen von der Landwirtschaft über die Energieversorgung bis zur Chemieproduktion.
    • Fluten: Allein das Hochwasser an der Ahr sowie an anderen Bächen und Flüssen in NRW und Rheinland-Pfalz hat 2021 fast 200 Menschen das Leben gekostet. Die Bundesregierung richtete einen Sonderfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro für den Wiederaufbau ein. In bergigen Regionen sind Sturzfluten und Erdrutsche eine wachsende Gefahr, im Flachland treten Flüsse mitunter kilometerweit über die Ufer.
    • Stürme: Hagel vernichtet Ernten und beschädigt Häuser und Autos, Orkane entwurzeln Bäume, decken Dächer ab und knicken Strommasten.
    • Meeresspiegel: Städte und Dörfer entlang den Küsten von Nord- und Ostsee sind zunehmend durch Überschwemmungen gefährdet, insbesondere bei Sturmfluten.

    Politik und Kommunen reagieren – aber spät und oft zögerlich

    Nach praktisch jeder Naturkatastrophe kündigen Politiker Konsequenzen an, es werden Pläne geschrieben und Förderprogramme aufgelegt. Doch die Pläne verschwinden oft in der Schublade und Fördergelder werden nicht abgerufen, wie die Erfahrung zeigt. Schon Monate später ist das Ereignis nahezu vergessen, von Fluten mitgerissene Häuser werden oft an Ort und Stelle wieder aufgebaut. Katastrophenschützer sprechen daher von einer „Hochwasser-Demenz“.

    Dabei ist grundsätzlich klar, was geschehen müsste. Auch diese Auswahl zeigt nur einen kleinen Ausschnitt:

    • Hitze: Klimaanlagen in Senioreneinrichtungen und Kliniken schützen vulnerable Gruppen, in den Städten senken Parks und begrünte Fassaden die Temperaturen merklich und schaffen Frischluftkorridore.
    • Dürre: Regenwasser wird nach dem Konzept der Schwammstadt gespeichert, statt es wie bisher schnellstmöglich abzuleiten.
    • Fluten: Deiche werden verstärkt, Flüsse erhalten verbaute Überflutungsflächen zurück, auf die sie bei Hochwasser ausweichen können.

    Bislang reagieren Kommunen allerdings nur zögerlich bei der Umsetzung solcher Konzepte, wie etwa Recherchen der Klimajournalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres zeigen. Sie haben für ihr lesenswertes Buch „Klima außer Kontrolle“ systematisch Kommunen in ganz Deutschland befragt, wie sie sich gegen Extremwetter wappnen. Das Ergebnis war ernüchternd. Oft fehlen Personal und Gelder, um entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

    Es gibt jetzt ein Klimaanpassungsgesetz. Aber die Finanzierung ist offen

    Dabei ließe sich viel gewinnen, wenn beispielsweise Flächen in den Städten entsiegelt und begrünt werden. Es gehe um Maßnahmen, die Leben retten könnten, und es gehe darum, auf die Natur zuzugehen, statt sich von ihr abzuschotten, schreiben die Autorinnen „Es geht um einen Schutz, der unseren Alltag in den meisten Fällen nicht nur sicherer, sondern auch schöner und gesünder machen kann.“

    Immerhin: Im vergangenen Jahr hat Deutschland ein Klimaanpassungsgesetz beschlossen, Mitte dieses Jahres tritt es in Kraft. Bund, Länder und Kommunen müssen dann endlich Konzepte zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels entwickeln. Ein Knackpunkt bleibt aber auch dann noch: Wie klamme Kommunen entsprechende Konzepte finanzieren können, ist noch ungelöst.

    Go Top